MySpace Download-Shop "Wir beenden die Fragmentierung des Musikmarkts"
SPIEGEL ONLINE: Mr. Katz, heute starten Sie Ihren neuen Online-Dienst MySpace Music. Was ist daran neu?
Travis Katz: Wie verknüpfen eine der weltweit größten Online-Communitys mit mehr als 120 Millionen unique Usern mit dem größten Musikkatalog der Welt. MySpace Music wird auf einer einzigen Site alles vereinen, was man sich von einem Musikportal wünschen kann: Kostenloses Streaming von Songs und Musikvideos, die Möglichkeit so viele Playlists zu kreieren wie man will, aber auch kommerzielle Dienste wie kopierschutzfreie MP3-Downloads, Klingeltöne oder andere Downloads fürs Handy, ja sogar den Verkauf von Konzertkarten oder Merchandising.
SPIEGEL ONLINE: Gestartet wird MySpace Music allerdings vorerst nur in den USA. Wann werden deutsche Konsumenten zum Zuge kommen?
Katz: In den kommenden Monaten. Die Verträge, die wir mit den Labels geschlossen haben, gelten alle weltweit. Unsere Vision ist ein globales MySpace. Wir wollen in den wichtigsten Märkten so bald als möglich verfügbar sein.
SPIEGEL ONLINE: Könnten Sie das etwas präzisieren?
Katz: Nein, wir haben keinen Zeitplan, der wir veröffentlichen könnten. Aber natürlich ist Deutschland einer unserer wichtigsten Märkte, schließlich haben wir dort fünf Millionen unique User. Auch unsere Partner wollen, dass MySpace Music so bald wie möglich bei Ihnen an den Start geht.
SPIEGEL ONLINE: Warum sollte jemand seine Musik-Downloads auf MySpace Music kaufen, wenn er dazu schon Musicload oder iTunes benutzen kann?
Katz: Jeden Tag besuchen Massen von Menschen MySpace, um sich über neue Bands zu informieren, Musik zu entdecken, mitzubekommen, was los ist. Davon gehen wir aus, wir bauen ja keinen Online-Laden aus dem Nichts auf. Die Idee von MySpace Music ist, diese Leute, die ohnehin kommen, abzuholen und ihnen noch viel mehr anzubieten. Bisher musste der Musikkonsument ständig die Websites wechseln, wenn er eine neue Band gefunden hatte, dann ihr Musikvideo sehen wollte und schließlich ihre Musik oder eine Konzertkarte kaufen wollte. MySpace Music beendet die Fragmentierung des Internet-Marktes für Musik und packt alle Bedürfnisse, die ein Musikfan haben kann, in eine einzige, leicht zu handhabende Website. Das Download-Geschäft ist nur ein kleiner Teil des Ganzen.
SPIEGEL ONLINE: Ein nicht unwesentlicher Teil des Ganzen.
Katz: Zugegeben. Aber in erster Linie geht es darum, dass Menschen auf MySpace über Musik diskutieren, Musik untereinander weiterempfehlen, miteinander kommunizieren, sozial interagieren. Weil der Zugang zu Musik so vereinfacht wird, glauben wir auch, dass die Kunden mehr Zeit mit Musik verbringen und letztlich auch mehr Geld für Musik ausgeben werden.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Angebot hat bis jetzt noch große Lücken. Sie haben zwar mit EMI in letzter Minute auch das letzte der vier großen Major-Labels überzeugen können, dabei zu sein, aber bei Independent-Labels, immerhin die Heimat vieler neuer, kleiner und angesagter Bands, sieht es bisher dünn aus.
Katz: The Orchard, auch das ist ganz neu, ist der erste Indie-Vertrieb, der Mitglied unseres Joint Ventures geworden ist. Sie an Bord zu nehmen, zeigt, dass es uns nicht nur um die Major Labels geht, sondern um die Musik.
SPIEGEL ONLINE: Aber wäre ich eine kleine Band ohne Plattenvertrag, ich könnte im Gegensatz zu Stars wie Madonna oder Coldplay momentan nicht über MySpace meine Geschäfte abwickeln, oder?
Katz: Das ist korrekt. Bands ohne Plattenvertrag können momentan ihre Songs nicht über MySpace Music verkaufen, aber das soll zukünftig möglich sein. Aber das zu implementieren ist noch eine riesige Aufgabe.
SPIEGEL ONLINE: MySpace hat seinen Nutzern seit Jahren den Eindruck vermittelt, Musik sei umsonst. Wie wollen Sie diesen Menschen beibringen, dass sie künftig bezahlen sollen?
Katz: Wir wollen die Gewohnheiten der Leute gar nicht verändern. Die Kernfunktionen von MySpace, dass man Musik umsonst streamen und anhören kann, wird ja erhalten. Eher wird es noch mehr Musik umsonst zu hören geben: Bislang konnte ein Künstler auf seiner Website nur vier Songs zum Hören anbieten. Künftig wird es möglich sein, sich umsonst jeden Song anzuhören, den eine Band jemals aufgenommen hat. Durch die neuen Verträge mit unseren Partnern können wir diese Hörvorgänge in Umsatz verwandeln, weil wir bisher auf solchen Seiten noch keine Werbung verkaufen durften. Da ergibt sich also eine ganz neue Einnahmequelle für die Labels, die erstmals vom Live-Streaming profitieren, das sich als so beliebt erwiesen hat.
SPIEGEL ONLINE: Die Plattenfirmen verdienen also schon jedes Mal, wenn ein Track nur gestreamt wird, nicht erst, wenn er gekauft und heruntergeladen wird?
Katz: Genau.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt längst sogenannte "bots", Störprogramme, die künstlich die Zahl der Streams in die Höhe treiben. Wie wollen Sie verhindern, dass Künstler oder Labels sich solcher Mittel bedienen, um einen größeren Teil vom Kuchen abzubekommen?
Katz: Wir werden das natürlich sehr genau beobachten. Außerdem muss man bedenken, dass die Labels ja Teilhaber in diesem Joint Venture sind. Wenn also betrogen wird, würden sich die Betrüger nur selbst betrügen. Wir glauben nicht, dass das ein großes Problem wird.
SPIEGEL ONLINE: Fünf Millionen Bands haben bereits ein Profil auf MySpace. Wäre es, um den Umsatz zu vergrößern, nicht einfacher, diese Quasi-Monopolstellung auszunutzen und von den Bands Geld dafür zu verlangen, sich auf MySpace präsentieren zu dürfen?
Katz: Ein wichtiger Grund, warum wir fünf Millionen Bands auf MySpace haben, ist, dass es umsonst ist. Das ist ein phantastischer und simpler Service für Musiker, sich eine Band-Site zuzulegen. Wir denken gar nicht daran, dieses erfolgreiche Konzept zu ändern. Aber wir glauben, dass wir mit anderen Methoden, mit Anzeigen und nicht zuletzt den neuen Tools genug Umsatz machen können, um diesen Service weiter kostenfrei anbieten zu können.
SPIEGEL ONLINE: Sie versprechen, dass man bei Ihnen MP3-Files ohne das sogenannte Digital Rights Management (DRM), also ohne Kopierschutz, kaufen kann.
Katz: Ja, weil es der allgemein akzeptierte Standard ist und auf jedem Gerät funktioniert. Es war uns wichtig, dass unser Angebot für so viele Menschen wie möglich konsumierbar ist. Und dass wir Musik ohne Kopierschutz anbieten, die der Kunde problemlos auf allen seinen Geräten abspielen kann.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie die Major Labels davon überzeugen können? Die Firmen schworen bislang auf DRM, um die unkontrollierte Verbreitung von Musik zu verhindern.
Katz: Der Trend geht seit ungefähr 18 Monaten weg vom DRM. Es gibt einen Konsens, so viele Kaufbarrieren wie möglich abzubauen. Wer will schon Leute davon abhalten, etwas zu kaufen? Ich glaube, es ist mittlerweile klar, dass das DRM-Modell gescheitert ist und MP3s ohne Kopierschutz die Zukunft sind.
SPIEGEL ONLINE: Im Gegensatz zu iTunes oder anderen Download-Shops wird es auf MySpace Music keinen Einheitspreis für Songs geben. Wie soll das funktionieren?
Katz: Die Grundidee ist: Jeder Rechteinhaber kann für seine Inhalte so viel verlangen, wie er will. Alles andere regelt der Markt. Wer zu viel verlangt, wird das ziemlich schnell an seinen Verkäufen merken.
SPIEGEL ONLINE: Ist das Ihr größtes Argument für Kunden, von iTunes auf MySpace Music umzusteigen?
Katz: Wir sehen uns gar nicht in Konkurrenz zu den anderen großen Playern da draußen.
SPIEGEL ONLINE: Das ist erstaunlich. Warum nicht?
Katz: Weil Downloads nur ein kleiner Teil unseres Angebots sind.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Prozent verdienen die Plattenfirmen an einem Track, und wie viel behalten Sie?
Katz: Tut mir leid, solche Vertragsdetails sind geheim.
SPIEGEL ONLINE: Verdient MySpace jetzt schon Geld?
Katz: MySpace ist in den schwarzen Zahlen. Fox Interactive Media veröffentlicht keine spezifischen Zahlen für seine Teilbereiche, aber ich kann Ihnen sagen, das MySpace schon jetzt ein sehr lukratives Geschäft ist.
Das Interview führte Thomas Winkler