Nachrichten-Spiele Bushs Kriege im Online-Abo

Der Krieg der Amerikaner gegen den internationalen Terrorismus ist ein Massengeschäft: Das hofft zumindest die Firma "Kuma Reality Games". Die will Online-Spieler im Netz die echten Schlachten schlagen lassen gegen Bin Laden, Hussein und wer da noch kommen mag. Neue Feinde gibt's in den Nachrichten - und im Abo.

Einmal selbst in Bagdad einmarschieren, einmal selbst Jagd auf Saddam machen, einmal selbst Kussei und Udai Hussein zur Strecke bringen - sind das wirklich die Wunschträume, die Fans von Computerspielen hegen? Zumindest die Entwickler von Kuma Reality Games, einer jungen Softwareschmiede in den USA, sind davon überzeugt.

Im Februar kommenden Jahres wollen sie "Kuma: War" auf den Markt bringen, einen Ego-Shooter im Abonnement, der Spielern laut Eigenwerbung ermöglichen soll "zeitnah, akkurat und intensiv die patriotischen und mutigen Handlungen unserer Soldaten" nachzuerleben. Und zwar interaktiv, das heißt, der Spieler schlüpft selbst in die Rolle eines Infanteristen, der mit der Waffe in der Hand ins Weltgeschehen eingreift. Eigentlich nur folgerichtig: Nach dem durch "eingebettete" Journalisten medial so erfolgreichen Echtzeitkrieg fürs Wohnzimmer jetzt der realistische Krieg zum Nachspielen.

Die kriegerische Action soll so wirklichkeitsnah wie möglich und stets aktuell sein. Militärische Satellitenbilder, Ausschnitte aus Nachrichtensendungen, der fachliche Rat von Kriegsveteranen und sogar von Frontsoldaten gedrehtes Filmmaterial sollen das sicherstellen. In ein- bis vierwöchigen Abständen will man den Abonnenten neue Missionen liefern, stets "von den Fronten internationaler Konflikte". "Sie werden nicht neun Monate bis zwei Jahre darauf warten müssen, ein Weltereignis zu spielen", jubiliert die Werbe-Website, "mit Kuma: War werden sie diese Möglichkeit innerhalb wenigen Wochen bekommen".

Die Armee spielt mit

Und das alles mit Originalbewaffnung und Seite an Seite mit "echten" Militäreinheiten und an detailgetreu wiedergegebenen Originalschauplätzen. Dass die US-Armee keine Berührungsängste gegenüber elektronischen Medien hat, ist schon seit einiger Zeit klar: Mit dem fast kostenlos an jeden Interessenten über 13 Jahre abgegebenen Spiel "America's Army" kann man ausprobieren, wie es ist, Soldat zu sein, am Infanteristentraining teilnehmen und militärische Missionen durchspielen. Auch gegen das neue Rekrutierungsinstrument hat man beim US-Militär offenbar nichts einzuwenden.

Im April diesen Jahres musste Sony noch kräftig Prügel dafür einstecken, dass man dort ein Spiel mit dem Titel "Shock and Awe" geplant hatte, das ebenfalls den Sturz des irakischen Regimes zum Thema haben sollte. Nach Protesten bescheinigte Sony sich selbst "bedauerlich schlechtes Urteilsvermögen" und zog das Spiel zurück. Kuma Reality Games hofft offenbar, inzwischen sei genug Gras über den Krieg gewachsen, um ihn kommerziell auszuschlachten.

Als kleine Kostprobe wird auf Kumas Website auch schon mal angedeutet, was alles an blutiger Zeitgeschichte zu haben sein wird für den heimischen PC. Saddams Sohn Udai wird mit einer Liste seiner Untaten vorgestellt, nicht ohne zu erwähnen, dass "Koalitionskräfte dieses Monster am 22. Juli in einer blutigen Schießerei ausschalteten". Andere geplante Gegner auf der Liste sind die Taliban, al-Qaida und sogar Osama Bin Laden selbst. Kuma Games baut offenbar fest auf die Fähigkeit von Armee und Geheimdienst, den Chefterroristen doch noch zu schnappen - und auf gewinnbringenden Nachschub an Feinden.

Ballern ist in, Netzwerk-Spiele bieten zusätzlichen Nervenkitzel. In Korea tummeln sich vier Millionen virtuelle Soldaten im Online-Krieg - ein Trend? Weiter...

Das Spielabonnement ist als Geschäftsidee nicht neu. Die Hauptanwendung für solche Breitband-Abonnementangebote waren bislang allerdings nicht Actionspiele, sondern so genannte "Massive Multiplayer Online Roleplaying Games" oder Mmorpgs. Das hier zu Lande bekannteste Beispiel ist "EverQuest", ein Fantasyspiel aus dem Hause Sony.

In der Welt von EverQuest treffen sich täglich Zehntausende von Spielern, kämpfen mit Monstern, retten Jungfrauen und sammeln magische Gegenstände. Zwischen 13 und 20 Dollar zahlt jeder Spieler im Monat für das Vergnügen. Schon im vergangenen Jahr hatte EverQuest weltweit etwa 450.000 Abonnenten, an einem einzigen Wochenende im Juli 2002 waren über 100.000 Spieler gleichzeitig in die Spielserver eingeloggt.

Dicke Kabel bringen Erfolg

Und selbst damit ist EverQuest ein vergleichsweise kleines Licht im internationalen Markt für Onlinespiele. Den absoluten Weltrekord im vernetzten Daddeln halten die Südkoreaner. In keinem anderen Land der Welt ist Breitbandzugang zum Internet so verbreitet, über die Hälfte aller südkoreanischen Haushalte hängen schon am Hochleistungskabel. Zum Vergleich: In Deutschland hatten Mitte 2002 5,8 Prozent der Haushalte einen Hochgeschwindigkeitsanschluss, in den USA 13 Prozent.

Das populärste koreanische Mmoprg heißt "Lineage". Obwohl das Spiel nach heutigen Maßstäben graphisch nicht viel zu bieten hat, machen fast vier Millionen Abonnementen die Fantasiewelt von "Lineage" zur wohl größten Gemeinschaft von Onlinespielern weltweit. Hunderte treffen sich in großen Internetcafés um gemeinsam Schlachten zu schlagen, und zwar in durchaus hierarchisch strukturierten Einheiten.

Um am Gruppenerlebnis teilzuhaben sind die koreanischen Spieler viel eher als europäische oder amerikanische dazu bereit, sich unterzuordnen und Anweisungen folge zu leisten. "Konfuzianisches Spielen" hat man das genannt, eine der gemeinschaftsorientierten Gesellschaftsstruktur in asiatischen Staaten angemessenere Art, am Computer Zeit totzuschlagen.

Netzbetreiber und Softwarehersteller reiben sich beim Gedanken an das Beispiel Südkorea die Hände. In den westlichen Industrienationen sind die Märkte für den Breitbandanschluss ans Internet noch bei weitem nicht gesättigt: Die Unternehmensberatung McKinsey sagt der Technologie traumhafte Wachstumsraten voraus, die Analysten von PriceWaterhouseCoopers erwarten bis 2007 weltweit 153 Millionen breitbandvernetzte Haushalte. Tatsächlich ist die Zahl der Anschlüsse in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen, vor allem weil viele Dauer-User auf die schnellere Verbindung ins Netz nicht verzichten wollen.

Eine wichtige Rolle spielten dabei zweifellos die P2P-Börsen, viele lockte die Aussicht, Musik, Filme und Software schnell und zum Nulltarif auf die Festplatte ziehen zu können. Doch die Zeiten der massenweisen Piraterie werden womöglich eines Tages ihr Ende finden, deswegen ist die Industrie fieberhaft auf der Suche nach der "Killer Application", dem Angebot, das Breitband für möglichst viele User unverzichtbar machen soll.

Bei PriceWaterhouseCoopers kann man sich vorstellen, dass hoch entwickelte Onlinespiele zu dieser Entwicklung Entscheidendes betragen können. Insofern scheint die auf westliche Konsumenten zugeschnittene Idee eines episodenhaft organisierten Spiels, das dem einzelnen Spieler Woche für Woche eine neue Aufgabe liefert, vielen als zukunftsträchtig. Kuma Games planen bereits andere Abonnementspiele die "Kuma: Crime", "Kuma: Sports" oder "Kuma: Celebrity" heißen sollen. Man stehe in Verhandlungen mit Netzbetreibern, ließ Keith Halper, der Chef des Unternehmens, vorsorglich wissen, vielleicht gäbe es ja Möglichkeiten für "cross-marketing".

Ob "Kuma: War" tatsächlich die "Killer Application" fürs Breitbandnetz wird, bleibt abzuwarten. Mörderisch wird das Spiel wohl in jedem Fall.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren