Netzwelt-Ticker Abschied von der Internet-Mumie
Ein Stück Internet-Geschichte geht zu Ende: Yahoo hat am Donnerstag bekanntgegeben, den mittlerweile eher berüchtigten Homepage-Dienst GeoCities bis Jahresende vom Netz zu nehmen . Grund dürfte die anhaltende finanzielle Krise des Internet-Unternehmens sein.
Schon jetzt werden GeoCities-Besucher und -Nutzer gewarnt: "GeoCities schließt" , Kunden können entweder warten, bis ihre Website automatisch vom Netz genommen wird - oder sie für knapp 6 Dollar im Monat im Rahmen eines konventionellen Hosting-Vertrags am Leben erhalten.
Wahrscheinlich ist, dass mit dem GeoCities-Ende Millionen verwaiste, verwanzte, vergreiste Websites aus dem Internet getilgt werden. Denn der GeoCities-Tod war längst überfällig: Zwar zog der Web-Dienst im Jahr 2008 angeblich noch 177 Millionen Besucher an - die Hochzeiten hatte er da aber längst hinter sich . Einst - und man redet hier immerhin über das vergangene Jahrhundert - war eine GeoCities-Domain so populär wie heute ein MySpace-Profil oder ein Facebook-Konto. Aber GeoCities verkam in den vergangenen Jahren zur Internet-Mumie: Die Nutzer zogen weiter, hinterließen mal mehr, mal weniger aufwendig gemachte Websites, Fanpages, Gästebücher aus einem anderen Jahrhundert. Spammer und Malware-Verteiler übernahmen das Ruder.
Das war einmal anders: Als Internet-Domains noch eine teure, komplizierte Sache waren, kam GeoCities geradezu revolutionär daher. Jeder konnte sich von GeoCities Webspace leihen, finanziert wurde das Angebot mit Werbe-Pop-ups und Bannern - typisches Übel der GeoCities-Homepages. GeoCities kann als Vorläufer und Wegbereiter für MySpace, Facebook und Co. angesehen werden: Eine einfache Möglichkeit für weniger Web-Erfahrene, ins Netz einzusteigen, sich dort zu präsentieren und mit anderen zu vernetzen.
GeoCities, 1994 ursprünglich unter dem Namen "Beverly Hills Internet" gegründet, wurde fünf Jahre später, zum Höhepunkt des Dot.com-Booms im Jahr 1999, für stolze 3,5 Milliarden US-Dollar von Yahoo übernommen - vier Jahre vor der Gründung von MySpace, fünf Jahre vor Facebook, sechs Jahre vor StudiVZ. Das Angebot schrieb also Web-Geschichte als eine der einst "kostbarsten" Destinationen im Netz.
GeoCities bot bereits 1995 das, was mehr als ein Jahrzehnt später zur Bullshit-Bingo-Phrase Web 2.0 aufgeblasen wurde: "User generated Content" begründete den Siegeszug des WWW, in dessen Anfangsjahren Communities als originär heimisch und kommerzielle Anbieter als Fremdkörper wahrgenommen wurden. Eine natürlich von Anfang an schräge Sicht, denn GeoCities war wie seine zahlreichen Konkurrenten hochgradig kommerziell. Wie heute Facebook oder MySpace wurde ihr Wert in Milliardensummen geschätzt, obwohl kaum Umsätze generiert wurden. Die größten dieser Free-Hoster wurden schnell aufgekauft. Yahoo sackte GeoCities ein, Lycos die großen Konkurrenten Tripod und Angelfire, beide gegründet 1995. Sie überleben nun als letzte Vertreter der ersten Generation des "Web 2.0".
UK: Beschwerde gegen Google Street View abgewiesen
Kaum rauschten die Google-Kameraautos durch das Vereinigte Königreich, kam es zu Protesten: Wir wollen nicht von Google fotografiert werden! Viele Nutzer forderten Google auf, Bilder zu löschen: Ein Sexshop-Kunde im Londoner Stadtteil Soho fand sich ebenso ungern auf den Fotos wieder wie ein erbrechender Zecher nahe einem Pub in Shoreditch - von einem möglichen Delinquenten in Camden ganz zu schweigen, der gerade mit der Polizei zu tun hat.
Datenschützer forderten darauf, Google müssten detaillierte Darstellungen von Straßen und Häusern verboten werden. Vergeblich: Die britische Datenschutzbehörde ICO sieht laut ORF Futurezone keine Handhabe, Google das Handwerk zu legen. Google verstoße nicht gegen britische Datenschutzgesetze, außerdem sei es nicht im öffentlichen Interesse, wegen ein paar geringfügigen Datenschutzverletzungen gleich den ganzen Dienst zu sperren. Gerade in einer Welt, "in der viele Leute twittern, bloggen und bei Facebook sind."
Zu deutsch: In einer Welt, in der jeder mit Begeisterung die Hose herunterlässt, könne man nicht verbieten, dass da einer sein Geschäft damit macht, Fotos von Leuten mit nacktem Hintern zu veröffentlichen. Eine gewagte Logik.
Insgesamt gingen 74 Beschwerden bei der ICO ein, alle wurden abgelehnt. Google macht aber auf Wunsch Autokennzeichen und Gesichter unkenntlich und entfernt bestimmte Fotos. Von diesem Angebot dürfte auch Tony Blair Gebrauch machen: Der Ex-Premier gehörte zu den Beschwerdeführern in Großbritannien. Zusammen mit seiner Ehefrau Cherie beklagte er sich, dass ihr Heim am Connaught Square in Londons Stadtteil Westminster klar zu erkennen sei.
EU: 70 Jahre Urheberschutz für Musiker
Das EU-Parlament hat sich in erster Lesung mit 377 zu 178 Stimmen für die Verlängerung von Schutzfristen für Musikaufnahmen ausgesprochen . Statt wie bisher 50 Jahre, sollen Musiker zukünftig 70 Jahre lang die Rechte für "Aufzeichnungen von Darbietungen und für Tonträger" haben. Einer zuvor von der EU-Kommission geforderten, umstrittenen Verlängerung auf 95 Jahre hat das EU-Parlament damit eine Abfuhr erteilt. Jetzt muss die neue Richtlinie nur noch vom EU-Rat abgesegnet werden.
Die Neuregelung soll die Situation von Musikern verbessern, die in jungen Jahren tätig werden und die bisherigen Schutzdauern schlicht überleben. Berühmtes Beispiel: Paul McCartney (Jahrgang 1942), dessen 50-Jahre-Schutzfristen für seine Beteiligung an den Beatles-Aufnahmen in den nächsten Jahren auslaufen. Mit denen dürfte er nach wie vor mehr verdienen, als mit seien aktuellen Werken, die aber ebenfalls noch gehört und verkauft werden sollen.
Die Neuregelung soll aber auch weniger Betuchten zugute kommen. So sollen Labels darüber hinaus nach 50 Jahren 20 Prozent der Tantiemen, die mit einem Werk eingenommen werden, in einen Fonds einzahlen, der Studiomusikern zugute kommt. Besonders Urheber-freundlich erscheint die "Use it or Lose it"-Klausel, die Künstlern zugute kommt, die Rechte an Aufzeichnungen und Darbietungen einem Tonträgerhersteller übertragen haben. Bietet der Tonträgerhersteller 50 Jahre nach Veröffentlichung nicht genug Kopien zum Kauf an, kann der beteiligte Künstler den Vertrag kündigen - und den Plattenverkauf selbst in die Hand nehmen.
Angesichts von Online-Shops erscheint das als EU-Anreiz, den Back-Katalog zu digitalisieren und in Internet-Shops zum Kauf bereit zu stellen. Was es sonst so an der geplanten Neuregelung zu bemängeln gibt, fasst Golem.de zusammen .
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