Nur so geht das Mit dem Hammer gegen Spammer

Am Freitag servierte der Gerichtsdiener am King County Superior Court Jason Heckel eine Rechnung über 98.197,74 Dollar. Das ist der Preis, den der 28-jährige für das Versenden von Spams zahlen soll. Das Urteil könnte Schule machen.

Spam, unaufgefordert zugesandter Werbemüll, ist eine Qual und auf dem besten Wege, die noch immer populärste Nutzanwendung des Internets unbrauchbar zu machen: E-Mail. Dass dem oft betrügerischen Werbeunwesen ein Riegel vorgeschoben werden muss, ist unstrittig. Den Spammern allerdings beizukommen, erweist sich in der Praxis oft als schwierig.

Die EU versucht das seit diesem Jahr mit so genannten "Opt-In"-Regeln: Legal ist E-Mail-Werbung nur dann, wenn man als Empfänger der Zusendung zugestimmt hat. Klingt gut, ist in der Praxis aber eine völlig zahnlose Regelung: Klagen kann man gegen einen Spammer nur dann, wenn man ihn auch identifizieren kann. Kaum ein Spammer schert sich um die Regelung, geschadet wird den wenigen, die seriös mit Werbe-E-Mail arbeiten, und der Rest verschickt fleißig weiter völlig anonym seinen Müll über Remail-Server in Russland, Südostasien oder Amerika.

Dort jedoch scheint sich nun ein Klimawechsel anzubahnen. Spät am Freitag erging im US-Bundesstaat Washington ein Urteil gegen einen Spammer, das Schule machen könnte. Washington hatte bereits 1998 eines der weltweit ersten Gesetze gegen Spam erlassen, das Werbezuschriften unter Strafe stellte, wenn diese mit irreführenden Versprechungen verbunden, in betrügerischer Absicht oder auch nur über eine Adresse ohne Antwortmöglichkeit verbreitet werden. Nach vier Jahren behandelte ein Gericht in den USA nun einen Spammer so, wie ihn dieses Gesetz definiert: als Trickbetrüger.

Dazu bedurfte es noch nicht einmal eines ausgedehnten Prozesses. Das Gericht machte sein Urteil einfach an einer einzigen, nachweislich durch Jason Heckel versandten Mail fest, die die durch das Gesetz definierten Kriterien erfüllte. Die Anklage hatte argumentiert, Heckel habe mehr als ein Jahr lang bis zu einer Million E-Mails verschickt, der Nachweis aber war nicht zu führen.

Das war aber auch nicht nötig. Heckels Versuche, gegen das Urteil in einem Berufungsverfahren vorzugehen, scheiterten und verteuerten das Verfahren. Gestern nun verkündete der Richter im Berufungsverfahren Douglass North das Strafmaß: Heckel wurde zur Höchststrafe von 2000 Dollar verurteilt.

Sein Pech: Er hat auch zwei Drittel der Verfahrenskosten zu tragen, und die belaufen sich auf 96.197,74 Dollar.

Heckels Anwalt kündigte umgehend an, das Urteil anfechten zu wollen. Andernorts erntete der Ausgang des Verfahrens umgehend Beifall: Das amerikanische Rechtssystem wertet Musterfälle und -prozesse weit stärker, als dies in Deutschland der Fall ist. Das Urteil gegen Heckel könnte also eine ganze Reihe von Klagen mit nun verbesserten Erfolgsaussichten gegen Spammer nach sich ziehen. Cheryl Reid, Sprecherin des Washingtoner Generalstaatsanwalts, gab nach dem Urteil ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Urteil betroffene Spam-Empfänger ermutigen könnte, selbst gegen ihre virtuellen Peiniger zu klagen.

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