OnlyFans ohne explizite Inhalte Erotik auf den zweiten Klick

Nach außen bemüht sich OnlyFans, nicht nur als Plattform für Sexarbeit zu erscheinen. Immerhin haben auch Popstars, Fitnessgurus und sogar Museen eigene Accounts – doch selbst da geht es oft vor allem um nackte Tatsachen.
OnlyFans: Ohne Sex undenkbar?

OnlyFans: Ohne Sex undenkbar?

Foto: Jakub Porzycki / NurPhoto / IMAGO

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Musikerin Cardi B hat einen, Ex-Football-Star Terrell Owens auch, und Schauspieler Michael B. Jordan plant einen: OnlyFans-Accounts sind nicht nur mehr jenen vorbehalten, die mit Nacktheit Geld verdienen. Auch Promis legen sich Gratis- oder Bezahlprofile an und teilen Videos und Fotos im kostenlosen oder Pay-per-View-Format. Die jugendfreien Neuzugänge kommen der Plattform entgegen. Denn sie bemüht sich schon seit Monaten um einen Kurswechsel. Aber auch abseits von B- und C-Promis gibt es einen Grundstock an Profilen ohne nackte Tatsachen – zumindest auf den ersten Blick.

Die Fitness-Influencerin Body By Blair zeigt sich beispielsweise in typischen Social-Media-Posen, Hip-Hop-Produzent Jermaine Dupri lässt Fans an seinem Alltag teilhaben, Reise-Influencer Toby Chung präsentiert seine besten Schnappschüsse – alles kostenlos. Abonniert man aber beispielsweise Body By Blair, enthält die erste Privatnachricht einen Hinweis auf einen »VIP-Club« für 100 US-Dollar, inklusive eindeutig zweideutiger Nacktheitsversprechen. Wer einfach so Trinkgeld gibt, wird im Chatfenster ganz nach oben geschoben oder darf sich besondere Inhalte wünschen, genau wie bei den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern auf der Plattform.

Wer sich nicht auszieht, wird nicht geklickt

Natürlich gibt es auch Accounts mit Mehrwert, die sich professioneller präsentieren. Die Musik-PR-Expertin Melissa Keklak bietet beispielsweise für 20 US-Dollar im Monat Beratungen und Webinare an, Cosplayerin Ria Parker teilt exklusive Bilder von Shootings und ihren Arbeitsprozessen. Mehr als eine Handvoll Likes gibt es dafür aber nicht.

Dabei tut die Plattform selbst alles, um sich einen seriöseren Anstrich zu verpassen. Auf der Unternehmensseite findet sich keine Spur von Schlüpfrigkeit, stattdessen gibt es Blogeinträge zu empfohlenen Accounts aus den Bereichen Musik, Sport, Fitness und Ernährung, Interviews mit Internetpersönlichkeiten sowie Tipps und Tricks für angehende Creators, wie die Anbieter von Inhalten genannt werden. Der neueste Einfall der Macher: OFTV, eine definitiv jugendfreie Video-App, die Make-up-Tutorials, Yoga-Übungen oder Selfcare-Routinen bietet. Ob sich das finanziell für die Firma und die teilnehmenden Creators überhaupt lohnt?

Nachfragen des SPIEGEL werden von der zuständigen PR-Agentur nur ausweichend beantwortet. Angeblich ordne man Creators nicht in Kategorien ein und könne deswegen keine Antwort geben. Immerhin sind die Eckdaten der Mutterfirma Fenix International Limited öffentlich einsehbar . 283 Millionen Pfund Umsatz hat das Portal von November 2019 bis November 2020 demnach generiert. Bei einer Provision von 20 Prozent für die Firma müssten entsprechend weit über eine Milliarde Pfund an die zu dem Zeitpunkt 1,6 Millionen Creators geflossen sein.

Wer wann was genau erhält, ist allerdings unklar. Erst wenn bestimmte Rekorde von Einzelpersonen gebrochen werden, bekommt man einen kleinen Einblick. Nachdem sich Schauspielerin Bella Thorne im August 2020 einen Account angelegt hatte, verdiente sie in einer Woche angeblich  zwei Millionen Dollar. Internetpersönlichkeit Bhad Bhabie brach den Rekord im April 2021 mit einer Million in sechs Stunden, wenn man dem dazugehörigen Screenshot auf ihrer Instagram-Seite glauben darf. Das dürfte allerdings eher die Ausnahme als die Regel sein: Im April 2020 schöpfte der Berater Thomas Hollands mittels eines Tools Profildaten ab und veröffentlichte grobe Schätzungen , laut denen ein Creator im Schnitt 180 US-Dollar pro Monat mit Abos verdient. Die erfolgreichsten zehn Prozent, so wie Thorne oder Cardi B, seien für 73 Prozent des gesamten Umsatzes verantwortlich.

OnlyFans bleibt in der Hand der Pornoproduzierenden

Solche Beispiele zeigen, dass bereits bekannte Influencerinnen und Influencer sich mit OnlyFans durchaus ein Zubrot verdienen können, zumal wenn sie sich in Unterwäsche oder oben ohne zeigen. Accounts, die daraus kein Kapital schlagen können, werden schnell wieder stillgelegt. So wie der des umstrittenen Rappers Fler. Das Profil ist zwar noch aktiv und für fünf Dollar abonnierbar, zum letzten Mal dort gesehen wurde der Musiker allerdings im Februar. Die letzte Aktivität ist auch eine der wenigen Metriken, an denen sich OnlyFans-Accounts messen lassen, ergänzt durch die Anzahl der Beiträge und gesamten Likes. Ohne Abozahlen sind diese Zahlen natürlich wenig aussagekräftig, und genau diese wichtigste Kennzahl fehlt in vielen Fällen. Zufall? Wohl kaum.

Dass die Plattform abseits von Pay-per-View-Pornos und Standard-Instagram-Kost auch kreativ zweckentfremdet werden kann, zeigt ein Zusammenschluss aus vier Wiener Museen. Nachdem deren Posts zu erotisch angehauchter Kunst auf anderen Portalen regelmäßig gelöscht wurden und TikTok sogar das ganze Profil eines der Museen wegen eines Aktfotos sperrte, eröffnete das Kollektiv einfach einen OnlyFans-Account  unter Aufsicht der Tourismusbehörde Wien.

»Unser Ziel ist es, eine höchst notwendige Diskussion zu Zensur in der Kunst anzuregen, sowie zu der Tatsache, dass in Social Media keine wirkliche Freiheit für die Kunst besteht«, sagt Pressesprecher Florian Wiesinger dem SPIEGEL. Man habe sich nach schlechten Erfahrungen mit anderen Netzwerken für OnlyFans entschieden, weil es einen Paradigmenwechsel in der Social-Media-Welt hinsichtlich Nackt-Content anführe. »Dieser Umstand macht das Netzwerk zu einer perfekten Bühne, um Kunstwerke wirklich frei zu präsentieren«, so Wiesinger.

Neben Bikinifotos und expliziten Sexszenen gibt es jetzt also auch Aktmalereien von Egon Schiele und ägyptische Figurinen mit Riesenpenissen auf OnlyFans. Aktiv betrieben werden soll der Account allerdings nur noch im Oktober. Ob die PR-Aktion Nachahmung findet, ist fraglich, dafür scheinen der Ruf und die generelle Ausrichtung der Seite einfach zu klar definiert. Laut der Suchmaschine Ranking Fans  gehören die 100 OnlyFans-Accounts mit den höchsten öffentlich einsehbaren Abozahlen ausschließlich Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern.

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