Papierpost Warum der deutsche Weihnachtsmann offline ist

Offliner: Postler helfen in Himmelpfort dem Mann in Rot und werben für die Papierpost
Foto: Deutsche PostGabriele Rochau kommt in die Klasse. Es ist ein Vormittag in der Vorweihnachtszeit. Draußen herrscht nass-kaltes Münchner Winterwetter. Doch Rochau wird gleich andere Bilder in die Köpfe der Kinder zaubern: Schnee, Christbaumkugeln, Geschenke. Weihnachten. Vor der 56-Jährigen sitzt die 1. Klasse der St.-Anna-Grundschule. Heute steht Briefe schreiben auf dem Stundenplan. Oder Briefe malen, viele der Kinder können noch nicht schreiben.
Adressat ist das Christkind, das süddeutsche Pendant zum heidnischen Weihnachtsmann. Darin: die Wünsche der Kinder in Bildern, Katalogausschnitten und bunt gemalten Worten.
Seit den 1960er Jahren gibt es in Deutschland Postfilialen, die die Wunschbriefe der Kinder beantworten. Angefangen hat alles mit vereinzelten Briefen. Sie landeten in den Verteilstellen, konnten aber nicht zugeordnet werden. So haben Postbeamte die unzustellbaren Briefe vielerorts nach Feierabend geöffnet und kurzerhand selbst beantwortet.
Der Nikolaus hat zwei Anschriften, aber keine E-Mail-Adresse
Doch was für wenige Briefe noch möglich war, musste bald professionell bearbeitet werden. Die Anzahl der Briefe stieg von Jahr zu Jahr. 1965 öffnete Deutschlands erstes Weihnachtspostamt in Himmelsthür, einem Stadtteil von Hildesheim. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Filialen dazu - dort, wo Kinder mit dem Ortsnamen Weihnachten assoziierten: Engelskirchen, Himmelpfort, Himmelpforten oder Himmelstadt.
Der Nikolaus hat zwei Anschriften: Nikolausdorf oder St. Nikolaus. Sie alle werden hauptsächlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut. Und wenn die Kinder alles richtig machen - den Absender, die Adresse und die Briefmarke - bekommen sie von diesen Helfern auch einen Antwortbrief. Einen von rund 620.000, die jedes Jahr geschrieben werden.
Santa Claus empfängt vor allem E-Mails
Ziel der Briefe von der St.-Anna-Grundschule ist das Weihnachtspostamt von Himmelstadt bei Würzburg. Dieses Jahr feiert die Filiale Jubiläum: Schon seit 25 Jahren werden hier Briefe beantwortet - rund 65.000 kommen von Kindern aus aller Welt. Doch das ist nichts im Vergleich mit dem deutschen Weihnachtsmann-Hauptquartier. Im brandenburgischen Himmelpfort kamen im vergangenen Jahr 280.000 Briefe an - jeder zweite Brief an Christkind oder Weihnachtsmann landet hier. 20 Helfer schicken Antwortschreiben zurück, auf Deutsch, Polnisch, Chinesisch, oder einem guten Dutzend weiterer Sprachen.
Nur auf E-Mails antwortet hier niemand. Das ist zum Beispiel in den Vereinigten Staaten ganz anders: Der amerikanische Santa Claus erhält weit weniger Briefpost, 2009 kamen gerade mal insgesamt 11.000 Briefe an. Die meisten Wunschzettel verschicken Kindern in den Vereinigten Staaten inzwischen per E-Mail: Fast eine halbe Million davon landet pro Jahr im dienstältesten Weihnachtspostamt der Welt in Indiana, das seit 1856 Kinderwünsche entgegennimmt.
Auch in Frankreich geht, was in Deutschland unmöglich ist: Zwar kommen die meisten Wünsche immer noch per Post zum französischen Pére Noël, doch immer häufiger schreiben Kinder E-Mails. Gut 200.000 kamen im vergangenen Jahr an - im Vergleich zu 1,5 Millionen Briefen.
Postler: Kindern sollen lernen, wie man Briefe schreibt
Warum der deutsche Weihnachtsmann nur auf Papierpost antwortet? Seine Helfer antworten diplomatisch: Zu E-Mails könnten die Kinder ja nicht Bestechungsgeschenke wie das selbstgemalte Bild oder den eigens gebackenen Keks dazulegen. "Viele Kinder versuchen das", sagt Britta Töllner vom Weihnachtspostamt in Engelskirchen bei Köln. Als Dank legen sie in alle Antworten etwas hinein, einen Bastelbogen zum Beispiel. Das würde bei der Mail-Variante schwierig.
Deshalb wird es die in Deutschland nicht geben. "Auf gar keinen Fall. Kinder sollen auch in Zukunft Post vom Christkind bekommen, das ist etwas Besonderes", sagt Töllner. Und ihr Kollege Jens-Uwe Hogardt aus Hamburg ergänzt: "Wir als Post wollen natürlich, dass die Kinder Briefe schreiben. So lernen sie, wie es richtig geht."
Ein "bisschen Werbung" für die Papierpost
Und deshalb baut die Post ihre Weihnachtsmann-Unterstützung wohl auch aus. Zum Beispiel im thüringischen Himmelsberg. Dort werden seit mehr als 20 Jahren Briefe an den Weihnachtsmann beantwortet. Bisher kümmerte sich der Heimatverein um die Briefe, zahlte Umschläge und Porto für die Antworten der ehrenamtlichen Helfer. Niemand im Verein hatte daran gedacht, die Post zu informieren. Doch dann bekam das der gelbe Riese mit und beschloss, sich einzubringen: "Für so einen Verein ist das ja eine teure Angelegenheit", sagt der zuständige Post-Sprecher Alexander Böhm. Seitdem bezahlt er Briefpapier, Umschläge und Porto. "Und nebenbei ist das dann auch noch ein bisschen Werbung."
Im kommenden Jahr bekommt Himmelsberg einen eigenen Stempel als Weihnachtspost-Filiale. Dann ist Himmelsberg offiziell Deutschlands achte Adresse für Briefe an Christkind und Weihnachtsmann.