Google-Kameraauto: Ein Street-View-Wagen fährt durch Berlin
Foto: DPAGoogle, schreibt Reuters, habe den Mann im November 2010 dabei fotografiert, wie er sich in seinem eigenen Vorgarten in einem kleinen Dorf im Nordwesten Frankreichs erleichterte. Die Bilder erschienen bei Street View, Googles Straßenfoto-Dienst.
Der Mann wähnte sich nach eigenen Angaben vor fremden Augen und Kameras sicher, weil sein Hoftor verschlossen war. Die hoch auf dem Wagendach aufgebauten Google-Kameras aber fotografierten einfach über den Sichtschutz hinweg.
Das Bild machte die Runde im Internet, bis es auch die Nachbarn entdeckten. Google verfremdete zwar das Gesicht des Mannes - Nachbarn und Bekannte aber erkannten ihn trotzdem. Der Spott war dem unfreiwilligen Pinkel- und Fotostar sicher. Aber rechtfertigt das eine Schadensersatzklage? Gehört der Garten zur geschützten Privatsphäre?
Das Gericht soll am 15. März entscheiden. Der Google-Anwalt argumentiert im Gespräch mit der Zeitung "Ouest France", der Gartenbesitzer habe das falsche Unternehmen verklagt, nicht Google Frankreich sei für die Straßenpanoramen zuständig, sondern die US-Mutterfirma. Folgt das Gericht dieser Argumentation, wird es die grundlegenden Fragen wohl gar nicht erörtern.
Um diese Tragweite wird das mit dem Fall des pinkelnden Franzosen befasste Gericht wohl wissen. Sollte es der Argumentation des Mannes folgen, dürften bald Dutzende, vielleicht hunderte Klagen folgen.
Denn wer sucht, findet in Google Street View auch Bilder peinlicher, merkwürdiger, enthüllender Situationen.
Die Kameraautos fangen für Google Street View Szenen der Gewalt, der Erotik, der Langeweile ein und schaffen manchmal sogar spektakuläre, autorenlose Fotokunst. Der Fotokünstler Aaron Hobson verwandelt zum Beispiel Street-View-Aufnahmen aus entlegenen Gegenden der Welt zu atemraubenden Panoramabildern.
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Google-Kamerawagen: Ein Street-View-Auto fotografiert ein anderes bei München.
Street View: Irgendwo in Deutschland hat ein Google-Kamerawagen diese merkwürdige Situation fotografiert. Wir haben die Adresse anonymisiert, Google nicht.
Drogennotdienst: In einer deutschen Stadt hat der Google-Kamerawagen diese Szene fotografiert - zwei Menschen stehen vor der Tür, auf der "Drogennotdienst" steht. Wer die Menschen kennt, erkennt sie trotz Gesichter-Verpixelung. Die Relief-Verzerrung haben wir über das Motiv gelegt.
Münchner Google-Niederlassung: Hier ist niemand zu sehen - jemand hat das komplette Gebäude verpixeln lassen. So sollte das eigentlich überall funktionieren, aber bei manchen ...
... Häusern schlampt Googles Verpixelungsroutine. Dieses Wohngebäude in München sollte offenbar unkenntlich gemacht werden. Auf den ersten Blick hat das auch geklappt. Wechselt man aber ...
... mit dem Street-View-Männchen die virtuelle Straßenseite, erscheint die Gebäudefassade in all ihrer Pracht. SPIEGEL ONLINE hat das Bild an dieser Stelle selbst grob verpixelt.
Bordell in Westdeutschland: In der Ansicht bei Street View war das Kennzeichen des gerade vom Hinterhof fahrenden Autos klar zu erkennen, wir haben es nachträglich geschwärzt - eigentlich sollte Google Kennzeichen unkenntlich machen. Inzwischen ist der Wagen komplett verpixelt.
Pixelproblem: Dieses Hochhaus ist in dieser Street-View-Ansicht verpixelt, entfernt man sich ...
... von dem Standort, ist das Haus auf einmal klar zu erkennen (wir haben es hier verpixelt, weil das von einigen Bewohnern oder den Eigentümern wohl gewünscht ist). Google erklärt diese Probleme mit dem hohen Aufwand bei der manuellen Verpixelung von Gebäuden - wer eine unzureichende Verpixelung oder andere Fehler entdeckt, soll diese Google über die Funktion "Ein Problem melden" in den betreffenden Ansichten mitteilen.
Softwarefehler: Die Gesichter auf dem Werbeplakat sind verpixelt - das des wartenden Herrn davor nicht.
Zeitsprung: In dieser Ansicht sind die Häuser noch im Bau, klickt man sich ein paar Meter vorwärts in der Street-View-Ansicht, ist ...
... das Gebäude fertig und bewohnt.
Das Ende: An einigen Stellen der Street-View-Welt sind die Arbeiten offenbar noch nicht abgeschlossen. Wer einen solchen Bereich ansteuert, wird mit dieser Fehlermeldung um Geduld gebeten.
Ast vor Auto: Hier streift der Kameraufbau auf dem Street-View-Fahrzeug einen tiefhängenden Ast und ...
... nimmt die Blätter ein paar Meter mit.
Mitunter ist es schwer zu glauben, wohin sich Googles Street-View-Wagen verirren: Im französischen Saint-Nicolas-de-la-Grave fand Aaron Hobson einen herbstlichen Waldweg im Nebel. "Virtuelle Reisen" nennt er das, und sie...
...führen ihn an Orte (im Bild: Dearagon, Spanien), die eines gemeinsam haben: Sie wirken einsam, still. Oft ist es wie der Blick in eine Welt, die...
...von den Menschen verlassen scheint (im Bild: São Paulo, Brasilien - mit fast 20 Millionen Einwohnern eine der dichtbesiedelsten Regionen der Welt). Ist das eine künstlerische Leistung? Oder einfach nur Street View?
Hobson zeige, so hieß es im populären Gizmodo-Block, dass der Google-Street-View-Wagen in Wahrheit ein "unterdrückter Künstler" sei (im Bild: Kapstadt, Südafrika). So kann man das sehen.
Man muss aber auch erst einmal entdecken, was Hobson entdeckt (im Bild: Ponsworthy, England): Es verlangt einen besonderen Blick, den Hobson selbst als eine Art Suche nach Dingen und Orten beschreibt, die mit seinem eigenen Leben resonieren. Hobson, dessen Jugend offenbar nicht frei von Traumata verlief,...
...hat die Großstädte hinter sich gelassen und in den letzten zwölf Jahren die Einsamkeit einer abgelegenen Bergregion gesucht, in der er heute lebt. Einsamkeit, ein langsames, auch schweres Leben, Armut und desolate Landschaften (im Bild: Crotone, Italien)...
...sind wiederkehrende Motive bei ihm - so auch in den Street-View-Bilderserien (im Bild: Route 17, Südafrika). Im SPIEGEL-ONLINE-Interview erklärt er, er habe dort nach Orten und Menschen gesucht,...
...die an ähnlich einsamen Orten lebten wie er. Er findet solche Orte überall, in den Wüsten Südafrikas wie in den Jahrhunderte alten Dörfern Italiens (im Bild: Morrone Del Sannio). Die Bearbeitung...
...der Bilder ist minimal: Belichtung, Farbe und Schärfentiefe beeinflusse er, sagt Hobson, er montiere zudem immer zwei bis drei Streetview-Shots zu einem Panorama - das sei alles (im Bild: Buena Vista, Mexiko). Trotzdem...
...haben fast alle Bilder einen klar cineastischen Touch: Sie wirken wie Ausschnitte aus europäischen Kunstfilmen, nicht wie US-Actionfilme. Vielleicht darum, vermutet Hobson, kämen seine Arbeiten in Europa besser an als in den Vereinigten Staaten (im Bild: Wintzenbach, Frankreich).
Vielleicht ist das so. Vielleicht liegt es auch daran, dass Hobson offensichtlich ein Grübler ist, der vehement nach Tiefe sucht (im Bild: Viviens, France). Wir mögen ja Melancholiker,...
...weil sie die Schönheit in dem entdecken, was auf den ersten Blick nicht gleich als Schön zu erkennen ist (im Bild: Inverallochy, Schottland). Für die Nutzung von Google Streetview hat Hobson wohl schon jetzt ein neues Feld erschlossen. Die Welt entdecken, nennt er das, aber...
...das trifft es dann doch nicht: Was Hobson entdeckt, ist der Blick hinter die Kulissen der Welt. Und manchmal, wie hier in Saska, Tschechien, blickt sogar jemand zurück: Wer beobachtet da eigentlich wen?
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