Netzwelt-Abrechnung zum Jahreswechsel PR aus der Hölle

Es war ein anstrengendes Jahr, die SPIEGEL-Netzwelt muss mal Dampf ablassen: In Teil eins unserer Serie von Rants geht es um E-Mails, mit denen sich PR-Agenturen auf ewig für den Spam-Ordner qualifizieren.
Eine Entladung von Patrick Beuth
Foto: clintspencer / Getty Images

Grundsätzlich bin ich leicht von neuer Technik und dem Internet zu begeistern. Aber die Erfindung der E-Mail halte ich im Nachhinein für einen Fehler.

Denn sie beschert mir jeden Tag Themenvorschläge von PR-Firmen, wie »die weltweit erste Hundekamera, die Leckerlis wirft«, »portable Kopfhörer« oder »eine neue Beautymarke aus Berlin, die Vorreiter auf dem Gebiet der personalisierten Hautpflege basierend auf künstlicher Intelligenz« sein soll.

Liebe PR-Profis, ich frage einfach mal ganz direkt: Ist das euer fucking Ernst?

Haltet ihr es wirklich für vorstellbar, dass ich über »Nasse Tiere – der Trend aus dem Internet als niedliches Fotobuch« berichte? Oder, weil euch ja offenbar alles egal ist, über den ersten Spatenstich für eine neue Holsten-Brauerei, ein Kinder-Laufrad-Event mit der Sportkita Wirbelwind, die Werbefilmpremiere der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH oder die »Top 20 Länder der Frauen mit den besten Brüsten«?

»Sehr geehrte/er Frau/Herr PUBLIZIST«

Nichts davon ist ausgedacht, ich bekomme so etwas wirklich dutzendfach zugeschickt. Zu meinen Achtsamkeitsübungen gehört es daher, jeden Tag mindestens drei Absender als Spam zu markieren. Besonders peinliche PR veröffentliche ich auf Twitter unter dem Hashtag #PRfromhell, seit acht Jahren schon. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen in verschiedenen Medienhäusern tun das auch.

Es sind auch nicht nur die absurden Themen, die mir so unfassbar auf den Zeiger gehen. Es ist auch diese sinnbefreite Argumentationsweise: »Der Welttag der Ozeane wird von den Vereinten Nationen seit 2009 am 08. Juni ausgerichtet. In diesem Zusammenhang hat das Bestattungshaus mymoria einige Mythen gesammelt, die es rund um die Seebestattung gibt.«

Ebenso nervig: Die Annahme, mein Name sei Beute, Frau Stockrahm oder »Sehr geehrte/er Frau/Herr PUBLIZIST«. Oder die Selbstverständlichkeit, mit der davon ausgegangen wird, dass ich in Hamburg lebe und nicht in Berlin.

Manchmal sind es auch bestimmte Formulierungen, die mich zweifeln lassen, ob gewisse PR-Menschen wirklich was mit Sprache machen sollten und nicht eher was mit Äxten: Was bitteschön sind »Quanten-Hacker«? Oder was soll »OLIVER KAHN BRUDER AXEL MIT BUCH – BUCHMESSE LEIPZIG« bedeuten? Sind Verben jetzt Lava? Und ist in der Überschrift »Durchbruch bei Türschutzsystemen« vor dem Versenden wirklich niemandem etwas aufgefallen?

Mein Wunsch für 2022: Meldet euch wieder, wenn ihr mir einen Bullshit-Detektor vorstellen wollt. Wenn’s sein muss, auch »portabel«, mit künstlicher Intelligenz oder sogar Blockchain. Hauptsache, er kann meine E-Mails beantworten.

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