Premium Spam Yahoo und AOL wollen kostenpflichtige Mails einführen
Inhaber von kostenlosen E-Mail-Konten kennen das Problem: Eine Adresse, die etwa auf "yahoo.de" oder oder gar "hotmail.com" endet, kann es manchmal schwierig machen, seine Netz-Botschaften auch ins Ziel zu bringen. Denn gerade Freemail-Adressen werden bevorzugt von Spammern für ihre Zwecke missbraucht - und deshalb von Spamfiltern mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft. So manche von einem kostenlosen Konto aus versandte Nachricht erreicht ihren Empfänger deshalb nicht.
Yahoo und AOL, beide unter den weltgrößten E-Mail-Anbietern, wollen nun Abhilfe schaffen - kostenpflichtige Abhilfe. Einen Viertel-US-Cent bis einen Cent wird es schon bald kosten, E-Mails sicher an den Junkmail-Filtern der Großen vorbeizuschleusen. Die mit solchen elektronischen Briefmarken versehenen E-Mails sollen dann ohne Umwege in die Briefkästen der Empfänger gelangen und sich dort durch ein spezielles Siegel als vertrauenswürdig ausweisen.
Sowohl AOL als auch Yahoo filtern E-Mails schon seit längerem routinemäßig, um das Spam-Problem in den Griff zu bekommen. Gerade von Unternehmen verschickte Serienmails landen deshalb häufig im elektronischen Mülleimer - und eben die eine oder andere Privatmail.
"Anders als andere Post"
Ein AOL-Sprecher sagte Reuters: "Wir hörten nicht nur von Mitgliedern, sondern auch von E-Mail-Partnern, dass sie eine andere Methode wollten, E-Mails zu übermitteln, die im Posteingang auffallen und die Zustellung sicherstellen würde." Gegenüber der "New York Times" verglich der Sprecher den Dienst mit Einschreiben auf dem herkömmlichen Postweg. Auch dies sei eine Möglichkeit, wichtige Postsachen sicher "anders als andere Post" ans Ziel zu bringen.
Der neue Service werde deshalb in den kommenden zwei Monaten an den Start gehen. Bei Yahoo hieß es ebenfalls, in den nächsten Monaten werde der neue Premium-Dienst zur Verfügung stehen - jeweils nur für Firmen- und nicht für Privatkunden.
Dass es nun plötzlich kosten soll, E-Mails an den unternehmenseigenen Spamfiltern vorbeizubringen, stellt die bisherige Logik der elektronischen Post auf den Kopf. In Wahrheit wird hier kein Sonderbriefträger dafür bezahlt, Post auch ganz sicher abzuliefern, vielmehr wird quasi der Hausmeister dazu angehalten, beim routinemäßigen Wegwerfen der Werbeblättchen in den Briefkästen etwas mehr Vorsicht walten zu lassen. Denn der Service kann nicht die Zustellung durch die Datenleitungen des Internet sicherer machen - sondern nur sicherstellen, dass Nachrichten nicht fälschlicherweise als Spam aussortiert werden.
Zweiklassen-E-Mail
Profitieren wird von dem Angebot zunächst vor allem die Firma Goodmail Systems, die für die Umsetzung verantwortlich ist. "Hier geht es nur darum, die Verbraucher vor Spam, Phishing, Viren und Betrug zu schützen", sagte Goodmail-Chef Richard Gingras der "USA Today".
Tatsächlich bedeutet der neue Dienst aber, dass, zumindest für Unternehmen, plötzlich Porto für E-Mails fällig wird. Zunächst sollen vor allem Banken, Onlineshops und andere Versender von Massen-E-Mails zu den Kunden gehören - ein Geschäft mit Privatleuten sieht Goodmail vorerst nicht. De facto wird es somit - für die Kunden der teilnehmenden Anbieter - E-Mails erster und zweiter Klasse geben.
Die Frage ist, was dann mit den Nachrichten passiert, die keinen Goodmail-Stempel tragen. Privatversender und zahlungsunwillige Unternehmen könnten E-Mail "genauso wie in der Vergangenheit" verschicken, erklärten Sprecher von Yahoo und AOL - was wiederum die Frage aufwirft, warum dann irgendjemand Geld für den neuen Dienst bezahlen sollte.
Der Verdacht liegt nahe, dass Nachrichten, für die nicht eigens bezahlt wurde, dann mit geringerer Sorgfalt behandelt werden - sie also möglicherweise noch eher als früher versehentlich im Spamfilter verschwinden. Die Motivation, die Filter zugunsten der Mail-Versender zweiter Klasse ständig anzupassen, könnte bei den Unternehmen durchaus sinken. Denn an denen verdient man ja nichts.
Es könnte gut sein, dass für AOL- und Yahoo-Kunden deshalb zunächst vor allem eine Konsequenz entsteht: Dass sie ihren Spamfilter-Ordner in Zukunft wieder gründlicher nach versehentlich als Abfall Aussortiertem durchsuchen müssen. Viele Unternehmer, die unter anderem vom Marketing per E-Mail leben, fürchten, die gebührenpflichtigen Mails könnten ihre Kalkulationen und damit ihre Geschäftsmodelle ruinieren. Für die Nutzer wird das Ganze vor allem lästig.
Christian Stöcker