Presse Laßt die HiHats kaskadieren!
Die Gestaltung läßt alles mögliche vermuten, nur eines nicht: eine Zeitschrift, die sich vorwiegend mit aktueller Tanzmusik, Internet und Jugendkultur beschäftigt. "De:Bug" heißt das Blatt im Zeitungsformat, das wie eine Mischung aus "Die Woche" und der "Financial Times" aussieht und seit fast zwei Jahren in Berlin gemacht wird. Erst erschien das Blatt unter dem Namen "Buzz", nach einem Streit um die Namensrechte dann als "Re:Buzz" und schließlich als "De:Bug" - ein Name, der bei Kioskbesitzern bisher vor allem hochgezogene Augenbrauen auslöst.
Die ersten 21 Ausgaben des monatlichen Magazins waren umsonst über Plattenläden, Clubs und Kneipen in den deutschen Groß- und Mittelstädten vertreiben, jetzt ist "De:Bug" für 4,80 Mark im Zeitschriftenhandel und per Abo in der ganzen Bundesrepublik zu bekommen. 42.000 Exemplare der Aprilausgabe von "De:Bug" sind in den letzten Tagen an den Zeitschriftenhandel ausgeliefert worden. Die schon bisher stiefmütterlich behandelte Internetpräsenz wurde nicht aktualisiert.
Der mehrfache Namenswechsel deutete bereits auf einen Aspekt von "De:Bug" hin, den das Magazin mit der "elektronischen Lebenskultur", um die es sich kümmert, gemeinsam hat: ewig ist nur der Wandel. "De:Bug" ist nicht nur die erste Musikzeitschrift, die auch Internetkultur, Games und digitalen Medien einen breiten Raum überläßt, was Jugend- und Musikmagazine wie die "Spex" oder der "Musikexpress" bisher weitgehend verschlafen haben. Vor allem erkundet "De:Bug" die Produktionsmethoden, die Computer und Desktop Publishing Programme den Zeitschriftenmachern eröffnet haben, wie keine anderes deutsches Blatt.
Während sich Technomagazine wie früher "Frontpage" oder heute der "Partysan" vor allem für die grafisch-formalen Möglichkeiten interessiert, die Computer beim Heftlayout bieten, sind bei "De:Bug" die digitalen Gestaltungsmethoden zum redaktionellen Prinzip geworden. Nicht genug damit, daß Artikel per E-Mail eintreffen und Recherchen im World Wide Web stattfinden - im Grunde ist "De:Bug" ein gedrucktes Ezine, in dem mit mininaler redaktioneller Filterung fast jeder alles schreiben kann, was unter die thematische Vorgabe paßt. Nicht umsonst praktiziert das Blatt daher auch eine Kooperation mit dem echten Ezine "Telepolis" unter dem bezeichnenden Titel "Filesharing".
In das gleichzeitig ungewöhnlich und seriös wirkende Layout, das an Webdesign erinnert, fließen mitunter Artikel, die so wohl in keiner anderen Zeitschrift die redaktionelle und journalistische Überprüfung überleben würden. In der März-Ausgabe von "De-Bug" fand sich zum Beispiel ein Artikel über den SPD-Internetbeauftragten Siegmar Mosdorf, der dem juristischen Tatbestand der Beleidigung nahe kam.
Auch sonst rutschen oft unverständliche Texte in schlechtem Deutsch und mit oft beeindruckenden Rechtschreibfehlern ins Heft, aber fast genauso häufig journalistische Perlen und Ausnahme-Texte, die von anderen Zeitschriften wahrscheinlich nicht veröffentlicht worden wären. Im aktuellen Heft kann man schon auf der Titelseite "De:Bug"-typisches Krautdeutsch nachlesen: "George Evelyn von den Nightmnares On Wax packt aus, daß es ohne Ska eigentlich nicht dazu gekommen wäre, wozu wir heute alle so gerne schubbern, diese beiden Töne", heißt es dort mysteriös. Zwei Spalten weiter wird man aufgefordert: "Schmeißt Eure DSPs aus dem Fenster, und kaskadiert die HitHats." Hmmm...
An redaktionellen Profis wären diese Formulierungen wohl kaum unbegradigt vorbei gekommen. Bei "De:Bug" ist erlaubt, was den Autoren und der Zielgruppe gefällt. So reflektiert das Blatt eine Entwicklung der Publizistik, die durch Computer und Internet eingeleitet worden ist, ohne bisher große Spuren bei den Massenmedien zu hinterlassen: Im Netz kann theoretisch jeder User Autor und Publizist sein. Wer seine Texte als Privatperson gedruckt jenseits des Internets erscheinen lassen wollte, mußte sich bisher allerdings mit der Produktion von "Fanzines" in schlechtem Druck, unprofessionellem Layout und ohne Vertrieb begnügen. Das ist bei "De:Bug" anders: die Texte und der redaktionelle Stil sind zwar die eines Fanzines, aber Gestaltung und Vertriebsstruktur machten das Blatt zur "richtigen Zeitschrift". Das ist keine Kritik an der Arbeit der ehrenamtlich arbeitenden Redaktion. Eher bietet "De:Bug" einen ersten Eindruck davon, wie sich Presse und Journalismus durch die digitalen Medien verändern könnten.