Ballon-Projekt Google testet fliegende Internetverbindung

Berlin - Google will ablegegene Regionen von Ballons aus, die in 20 Kilometern Flughöhe in der Stratosphäre schweben, mit einem Internetzugang versorgen. Auf der Südinsel Neuseelands hat das Team des Project Loon getauften Versuchs in dieser Woche 30 Ballons gestartet, um das Verfahren in der Praxis zu testen.
Die Ballons sollen indirekt gesteuert werden: Die Höhe wird so angepasst, dass der Ballon von Stratosphärenwinden mit passender Windrichtung und Geschwindigkeit angetrieben wird. Über Solarpanele werden die Ballons mit Strom versorgt, vom Boden aus hält das Projektteam Kontakt zu den Flugobjekten. Die können untereinander kommunizieren und bilden in der Luft ein Netzwerk.
"Wir hatten daran geglaubt, dass es funktionieren kann. Nun wissen wir es", sagte Projektleiter Mike Cassidy am Samstag in Christchurch. Eine Gruppe von 50 Testern in der Region habe spezielle Antennen in der Größe eines Fußballs erhalten und könne sich so mit dem ballongestützten Netzwerk verbinden.
Ring von tausend Ballons in der Stratosphäre
Project Loon ist ein Konzept von Googles Think-Tank Google X, der nach radikal neuen Technologielösungen suchen soll, "um die wirklich großen Probleme der Welt zu lösen". Diese Abteilung ist direkt Google-Gründer Sergey Brin unterstellt und hat auch die Datenbrille Google Glass entwickelt.
"Wir halten einen Ring von tausend Ballons und mehr für möglich, die, von stratosphärischen Winden vorwärts getrieben, den Erdball umrunden und den Menschen auf der Erde eine Verbindung zum Internet ermöglichen", sagte Projektleiter Cassidy. "Wir befinden uns aber noch in einer sehr frühen Phase."
Das Internet sei eine der Technologien, die das Leben der Menschen mit am stärksten verändert hätten. "Für zwei Drittel aller Menschen jedoch ist ein schneller, bezahlbarer Internetanschluss noch immer nicht verfügbar." Dschungel, Inselgruppen, Gebirge machten die Versorgung in vielen Gebieten der Welt kompliziert, der Zugang sei auch zu teuer.
"In den meisten Ländern der Südhalbkugel muss man für einen Internetanschluss im Moment mehr als ein Monatseinkommen bezahlen." Der ballongestützte Internetzugang könne diese Probleme lösen. "Nun benötigen wir vor allem Partner am Boden, um die Vision einer besseren Internetversorgung in diesen Regionen möglich zu machen."
Google ruft zum Mitmachen auf
Die Erfahrungen des Pilotversuchs in Neuseeland sollen genutzt werden, um die Technologie zu verfeinern und die nächste Phase für das Projekt voranzutreiben. Über das Project Loon erhalten die Anwender derzeit eine Internetverbindung mit der Bandbreite einer UMTS-Mobilfunkverbindung.
Das Google-Projekt erinnert vom Konzept her an das weltumspannende Satellitenkommunikationssystem Iridium aus 66 aktiven Satelliten auf sechs Umlaufbahnen, die allerdings viel weiter von der Erdoberfläche entfernt unterwegs sind. Sie umkreisen die Erde in einer Höhe von etwa 780 Kilometern innerhalb von rund 100 Minuten. Wegen der deutlich kürzeren Distanz sei der technische und finanzielle Aufwand der Ballon-Lösung deutlich geringer als bei einem Satellitennetzwerk, sagte Cassidy. Damit könne das Projekt auch schneller umgesetzt werden.
Die Google-Entwickler geben zu, das Projekt befinde sich noch in einem frühen Experimentierstadium. Für weitere Tests in anderen Ländern auf derselben geografischen Breite wie Neuseeland erhofft sich das Projektteam denn auch Unterstützung und Ideen von Leuten, "die schon viel länger als wir an dem großen Problem des Internetzugangs für ländliche und abgelegene Gebiete arbeiten".
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Ballon von Project Loon über Neuseeland: Die in der Stratosphäre, in 20 Kilometern Höhe, schwebenden Ballons werden rund um die Uhr vom Projektteam überwacht. Gesteuert werden die Ballons indirekt: Die Höhe wird so angepasst, dass der Ballon von Stratosphärenwinden mit der richtigen Windrichtung und Geschwindigkeit angetrieben wird.
Vor dem ersten Test mit insgesamt 30 Ballons werden die Ballons in der Region Canterbury in Neuseeland vorbereitet. Beteiligt waren 50 Freiwillige, die versuchten, sich mit dem Testnetzwerk zu verbinden.
In der Stratosphäre werden die Ballons über Solarpanele mit Strom versorgt. In 20 Kilometern Höhe gibt es keine Wolken, die das Sonnenlicht blockieren könnten. In vier Stunden ist während des Tages die Batterie aufgeladen und versorgt den Ballon dadurch auch in der Nacht.
Für das Projekt werden Ballons eingesetzt, die einen konstanten Druck in der Hülle halten können. Dadurch bleiben die heliumgefüllten Ballons länger in der Luft.
Solarpanele vor dem Start in der Nähe von Lake Tekapo in Neuseeland: Im Morgengrauen starteten die ersten der insgesamt 30 Ballons der Versuchsreihe. Bisherhige Projekte arbeiteten mit Plattformen in großer Höhe, die allerdings aufwendig zu installieren und teuer zu unterhalten sind.
Loon-Ballon in der Luft: Die Kontrolle der Flugbahn hat den Projekttechnikern lange Zeit Probleme bereitet. Schwierig wird allerdings die Koordination, wenn wie geplant Tausende Ballons in der Stratosphäre schweben und so koordiniert werden sollen, dass die gesamte Flotte die Erde umkreist und dabei sämtliche Regionen mit Internetzugang versorgt.
Die Google-Projektgruppe will als nächstes in weiteren Ländern auf der gleichen geografischen Breite wie Neuseeland die Umsetzbarkeit der Ballonidee testen. Eines Tages sollen Mobilfunkkunden sich mit der Sim-Karte ihres Anbieters in das Ballonnetz einwählen können und so auch in entlegenen Gegenden Internetzugang erhalten.
Flugzeugen können die Google-Ballons nicht in die Quere kommen: Mit 20 Kilometern Flughöhe fliegen die Stratosphärenballons in doppelter Flughöhe verglichen mit kommerziellen Flugzeugen. Die Bandbreite des Netzzugangs soll irgendwann mindestens dem von 3-G-Netzwerken entsprechen, hoffen die Google-Techniker.
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