Q33NY, Teil 3 Die Fratze im Rauch
Auch die Mär von den Mitwissern von CNN ist eine "Urban Legend", die nur dann funktioniert, wenn man den fraglichen Film nicht kennt. Was lässt sich dagegen sagen?
Wahrer Kern, aber Tatsachenverdrehung
Die Gegenargumente:
- Das Kamerateam war nicht "nah dran", sondern einige Kilometer entfernt. Eines der in dem Terroranschlag benutzten Flugzeuge überflog den Ort der Dreharbeiten in geringer Höhe: Man sieht im Film, wie der Kameramann sich davon irritieren lässt und kurz versucht, hinterherzuschwenken. Das schafft er jedoch nicht und fokussiert die Kamera erst, als der Einschlag erfolgte.
- Es wäre tatsächlich seltsam, wenn CNN Feuerwehrleute bei einer Übung filmte. Doch CNN kaufte die Bilder nur. Gedreht wurden sie von der New Yorker Agentur Gamma Press.
- Die dritte Behauptung ist eine platte Lüge. Eine gekürzte Version des Films ist bei CNN zu sehen: Einfach den ersten Link am oberen Seitenrand anklicken : "First Plane hits World Trade Center".
Ein Kameramann eines lokalen Teams filmte also die Sekunden nach dem Anschlag. Das in einer Millionenstadt, in der zu jedem gegebenen Zeitpunkt irgendwo irgendwas gedreht wird. Bemerkenswert, sicherlich: Aber genug, daraus eine Verschwörungstheorie abzuleiten?
Es geht noch platter
Am Abend des 11. September zeigte CNN Aufnahmen des brennenden World Trade Center. Viele entdeckten im Rauch
a) das Gesicht Osama Bin Ladens;
b) die Fratze Satans persönlich.
Später sollte noch das Foto eines freien Fotografen auftauchen, der dasselbe Bild aus leicht anderer Perspektive aufgenommen hatte.
Diese Legende ist tatsächlich problematisch. In dem Rauch lässt sich wirklich eine Teufelsfratze sehen, wenn man will. Nüchterne Zeitgenossen merken nun an, dass so etwas nun einmal vorkomme: in Rauch, in Wolken.
Im Kontext des Sterbens Tausender Menschen bleiben die Bilder unheimlich und entziehen sich letztlich rationaler Erklärung. CNN und der Fotograf Mark Phillips versichern, dass an den Bildern keine Manipulationen vorgenommen wurden.
Das lässt sich von den meisten Bildern, die davon im Web kursieren, nicht sagen. Mal wird der betreffende Teil des Rauches farblich "betont" und die "Fratze" so hervorgehoben. Mal zeigt ein unbekannter Manipulator sein Können in digitaler Bildbearbeitung, bis das Bild vom "Satanischen" zum offen Satirischen abkippt.
Ob man sich von solchen Dingen nun eine Gänsehaut über den Rücken jagen lässt oder nicht, ist eine Frage des eigenen Naturells. Die Mär von der Teufelsfratze funktioniert nur im Kontext ihrer tatsächlich erschütternden Entstehungsgeschichte. Gibt es irgendjemanden, der nicht lachen würde, wenn man im Staub eines ganz normalen gerade abgerissenen Hauses eine solche Fratze entdeckte? Wovor erschaudern wir also: Vor dem "Gesicht", das wir im Staub zu sehen meinen - oder vor dem Horror, den dieser einhüllt?
Alle Beispiele zeigen, dass es sich grundsätzlich lohnt, alles erst einmal ein paar Minuten sacken zu lassen und dann in Frage zu stellen.
Das Internet selbst, das Medium also, das für die Verbreitung solcher Legenden sorgt, bietet uns auch die Chance, den Wahrheitsgehalt solcher Gerüchte zu prüfen. Vielleicht wäre es ganz gut, in solchen Augenblicken nicht dem Gerücht hinterherzusurfen, sondern seiner potenziellen Entkräftung. So wie im Web jeder Verleger und Nachrichtenverbreiter sein kann, sollte der "Web-Leser" ein Stück Journalist sein. Und der fragt nicht "Ehrlich, ist das wahr?" - sondern er will Belege sehen. Wenn es sie gibt, dann sind sie irgendwo da draußen.
Frank Patalong