Rätselhafte Website Al-Qaida oder was?
66.197.181.234 - auch das ist eine Web-Adresse: Hinter jedem "Klarnamen" verbirgt sich ein numerischer Code. Diese Website jedoch hat keinen Klarnamen, ist nur über die kryptische Nummernfolge erreichbar - und die, berichteten am Donnerstag zahlreiche Medien, wechselt zudem alle paar Tage.
Denn hinter der Zahlenfolge verbirgt sich eine Website, deren Betreiber wohl kein Provider derzeit gern als Kunden hätte: al-Qaida.
Angeblich, zumindest. Wie echt und "offiziell" die Seite wirklich ist, ist nach wie vor ungeklärt. Israelische Experten, die die Seite seit geraumer Zeit beobachten, halten sie für authentisch. Doch es gibt Indizien dagegen.
Es sind vor allem zwei Dinge, die dagegen sprechen:
- Islamische Extremisten nutzen in aller Regel keine PHP-Skripte, die angebliche al-Qaida-Seite beruht aber auf ihnen. PHP wurde in Israel entwickelt und gilt fanatischen Islamisten darum als Boykott-würdig. Das macht es unwahrscheinlicher, dass die 66.197.181.234-Seite echt ist, aber nicht unmöglich: Es gibt zahlreiche Seiten aus dem arabischen Raum, die PHP nutzen. Oft ist der Rückgriff auf die Skripte ein bequemer Weg, auf Websites relativ komplizierte Funktionen einzubinden, ohne diese selbst programmieren zu müssen. PHP-Programme werden häufig unter anderem im Pack mit dem Apache-Webserver ausgeliefert, und der ist immerhin der weltweit verbreitetste.
- Das zweite Argument wiegt schwerer: 66.197.181.234 ist die Adresse eines amerikanischen Servers, der an das Sprintnet angebunden ist und wahrscheinlich in New Jersey steht.
Das wäre unwahrscheinlich: Die amerikanischen Behörden reagieren äußerst dünnhäutig auf islamistische Publikationen. Dass jemand eine al-Qaida-Website mehr als ein paar Tage betreiben könnte, ohne Besuch zu bekommen, darf man wohl ausschließen. "Al-Bawaba", eine englischsprachige News-Seite, die sich "The Middle East Gateway" nennt, nimmt die Website trotzdem ernst: Sie läuft dort unter der Bezeichnung "Jihad online".
Die Frage bleibt also ungeklärt: Es wäre sogar möglich, dass die Seite "huckepack" reitet. Auch dafür gibt es Hinweise: Die Adresse ist auf den Namen eines Grafik-Designers registriert, der - neben seiner geschäftlichen Website - auch eine Hobbyseite für Rollenspiel-Fans betreibt. Diesen gibt er - wenn auch eingeschränkte - Publikationsmöglichkeiten auf seinem Webserver. Die vermeintliche al-Qaida-Website könnte also echt - und ein "Kuckucksei" sein.
Profan sind all diese Indizien nicht, immerhin steht mit der Frage nach der Authentizität der Seite auch die Nachricht vom Tod Bin Ladens in Frage - ganz davon abgesehen, dass auch das natürlich nichts als Propaganda sein könnte.
Auf Kontaktversuche seitens SPIEGEL ONLINE hat der Grafik-Designer bisher nicht reagiert.