Den Mitgliedern der Oscar-Jury geht es gut: Alljährlich werden ihnen preisverdächtige Filme zugeschickt - als Video oder DVD. Um das Kino-Erlebnis zu simulieren, gibt es die Leinwand gleich dazu. Bald gehören die wichtigen Herrschaften jedoch wieder zum normalen Fußvolk, denn die Hollywood-Studios stellen ihren Versand ein.
Die großen Studios waren geschockt. Da tauchten die für den Oscar 2003 nominierten Filme doch tatsächlich als Raubkopie auf dem asiatischen Schwarzmarkt oder als download im Internet auf. Die Konsequenz hat die "Motion Picture Association of America" (MPAA), das Sammelbecken der großen Studios wie Paramount und Universal, jetzt gezogen: Ab sofort werden keine Videobänder und DVDs mehr an die Mitglieder der Jury verschickt.
"Sollte ich einen Platz finden, der auch nur ein halbes Prozent Piraterie erlaubt, werde ich dieses Loch umgehend stopfen", kündigte der langjährige Chef der "MPAA", Jack Valenti, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an. Vor der eigenen Haustür hat er bereits angefangen und geht gegen die undichte Stelle in der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" vor, der Dachgesellschaft der Oscar-Jury. Denn dort müssen die Filme irgendwo durchgesickert und in Umlauf gekommen sein. Der Kampf gegen digitale Raubkopien habe höchste Priorität, betont Valenti.
Unter den Hollywood-Studios geht schon seit längerem die Angst um: Sie wollen unbedingt eine ähnliche Entwicklung wie in der Musikbranche vermeiden. Viele Jobs und wirtschaftliches Wachstum stehen auf dem Spiel. Deshalb hat die "MPAA" bereits Kampagnen im Fernsehen und in Schulen gestartet, in denen die wirtschaftliche Gefahr von Raubkopien erläutert wird.
Für die Mitglieder der Jury hat die Unternehmenspolitik eine ganz praktische Auswirkung: Sie müssen nun wieder häufiger ins Kino gehen. Damit können die Studios auch den schlecht laufenden Kartenverkauf ein wenig sanieren.
Die kleinen unabhängigen Studios, die nicht zur "MPAA" gehören, sind alles andere als begeistert. Da ihre Filme in nur wenigen Kinos laufen, fürchten sie um ihre Chancen bei der Oscarverleihung. Jack Valenti ist sich dieser Kritik bewusst, will aber trotzdem nichts ändern: "Da werden auf jeden Fall Beschwerden kommen und ich werde der Gauner sein." Anstelle der eklusiven Vorführungen wollen die großen Studios ihre Streifen nun in noch mehr Kinos laufen lassen - auch das wird die Außenseiter-Filme nicht gerade auf das Siegerpodest heben.
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