Workshop auf der re:publica Sound als Waffe

Do-it-Yourself-"Mosquito" von Pedro Oliveira
Foto: Pedro OliveiraWerbeplakate an der Wand, die Passanten gezielt ansprechen. Geräuschwaffen im Elektromarkt. No-go-Areas, die mit Mauern aus Geräuschen abgeschirmt werden. Solche Zukunftsvisionen klingen nicht nur in der Theorie schrecklich, im Wortsinn.
Der Brasilianer Pedro Oliveira beschäftigt sich mit solchen Szenarien, in denen Töne und Geräusche, die für das menschliche Ohr unerträglich sind, eingesetzt werden. Auf der Netzkonferenz re:publica will er am Mittwochnachmittag "verrückte dystopische Ideen" erarbeiten, zusammen mit dem Publikum seines Workshops "Destructive Interferences: A Conversation on Sound as Violence". Er verspricht ein experimentelles Session-Format, einen Mix aus Performance und Workshop, will eine "unsichtbare Gefahr" sichtbar machen.
Oliveiras Thema - Sound als Waffe - wabert seit langem abseits der deutschen Öffentlichkeit vor sich hin, er beklagt die fehlende Aufmerksamkeit. "Gerade, weil wir in Deutschland noch das Privileg haben, nicht mit solchen Waffen konfrontiert zu sein, sollten wir jetzt darüber reden", sagt der Designforscher, der in Berlin lebt. Man wisse ja nie, was die Zukunft bringe, etwa im Hinblick auf politische Großdemonstrationen.
Piepton-Quälerei mit dem "Mosquito"
Eine Hochphase hatte die Aufregung um Soundwaffen Mitte der 2000er-Jahre. Schallwellengewehre und Infraschallwaffen etwa, die, so berichtete SPIEGEL ONLINE, "die Gemüter von Militärfreaks erhitzen und Verschwörungstheoretiker fesseln", sorgten vor gut elf Jahren für Aufregung. Und auch die Diskussion um den "Pieptonterror" des sogenannten "Mosquito" hat man vielleicht noch im Gedächtnis, wenngleich sie längst abgeebbt ist.
Der "Mosquito" ist ein Soundgerät, das ein Signal im Ultraschallbereich erzeugt, das nur junge Menschen hören können. Mit ihm könnten zum Beispiel Unternehmer gezielt Jugendliche vertreiben, wenn sie den Eingang eines Geschäfts blockieren.
Im deutschen Alltag spielen solche Geräte aktuell keine nennenswerte Rolle - wobei es an ein Wunder grenzt, dass noch kein deutscher Rechtspopulist öffentlichkeitswirksam Soundwaffen zur Abwehr junger Flüchtlinge vorgeschlagen hat.
LRAD-Einsätze in Pittsburgh und Ferguson
In anderen Ländern sind Soundwaffen durchaus verbreitet. Tatsächlich zum Einsatz kommen vor allem Long Range Acoustic Devices (LRAD). Das sind Akustikgeräte mit großer Reichweite, mit denen laute, unangenehme Töne abgesetzt werden können. In den USA wurden die Geräte erstmals 2009 beim G20-Gipfel in Pittsburgh gegen Protestierende eingesetzt , seitdem kamen sie auch in anderen Städten zum Einsatz, etwa 2014 in Ferguson .

LRAD-Einsatz in Barcelona 2014
Foto: CorbisBerichte über den Einsatz oder die Anschaffung ähnlicher Geräte gibt es zum Beispiel auch aus Honduras , Israel und Spanien. Auch in Großbritannien besorgten sich die Sicherheitskräfte anlässlich der Olympischen Spiele 2012 in London ein LRAD.
Abseits von Massenveranstaltungen und Kriegen wurden LRAD von japanischen Walfängern eingesetzt, um Meeresschutz-Aktivisten loszuwerden . Mit LRAD haben sich Schiffscrews auch schon gegen Piraten gewehrt.
Die LRAD Corporation, der bekannteste Gerätehersteller, wirbt in einem Prospekt damit , diverse Kunden zu beliefern, von der Air Force bis hin zu Sicherheitsdiensten.
Infraschall führt nicht zu Erbrechen
Über Soundwaffen gibt es viele Mythen, etwa, dass Infraschall zu Erbrechen führen können - das stimmt Forschern zufolge aber nicht. Harmlos sind die Geräte trotzdem nicht: "Wenn man mit 120 Dezibel direkt auf eine Person zielt, führt das nicht nur zu Schmerzen, sondern kann dir gefühlt die Ohren auseinanderreißen", sagt Oliveira.
Geräusche könnten außerdem psychologische Probleme auslösen, wie zum Beispiel die systematische Folter mit Liedern von Künstlern wie Britney Spears, Metallica und AC/DC in Gefängnissen wie Guantanamo gezeigt hat. "Hier war weniger die Musik selbst, als die Lautstärke und die ständige Wiederholung das Problem", sagt Oliveira.
Dass LRAD bald auch in Deutschland eingesetzt werden, hält Oliveira für unwahrscheinlich. Das Thema macht ihm aber trotzdem Sorgen. "In den meisten Ländern braucht man keine Genehmigung, um so ein Gerät zu kaufen", sagt er. Soundwaffen würden sich derzeit mehr und mehr verbreiten, auch weil sie immer günstiger herzustellen seien.
Haarreif gegen soziale Grenzen
Oliveira hat sich schon in seiner Ausbildung zum Designer mit dem Thema Sound beschäftigt. Er konstruierte zum Beispiel einen Haarreif, der Gesagtes aufnimmt und laut abspielt - so können zum Beispiel Frauen sicherstellen, dass sie nicht von Männern überhört oder ignoriert werden. Durch Akustik können eben auch soziale und kulturelle Grenzen entstehen, glaubt Oliveira.

Haarreifentwicklung von Oliveira
Foto: Pedro OliveiraMan darf gespannt sein, wie sein Waffenthema auf der re:publica ankommt, seine Session findet am Mittwoch um 15 Uhr auf der Bühne J statt. Noch könne man über Soundwaffen diskutieren, ohne sie selbst hören zu müssen, sagt Oliveira.