Rovi schluckt Sonic DivX fällt an Kopierschutzentwickler

Rovi-Website: Schlüsselposition im digitalen Filmvertrieb
Gemessen an den Maßstäben der IT-Welt, in der oft und gern mit Milliardensummen jongliert wird, ist der Deal klein, dafür aber fein: Das US-Unternehmen Rovi kauft die kalifornische Entertainment-Technik-Firma Sonic Solutions für 720 Millionen Dollar. Damit verschmelzen zwei Marken, mit denen Hunderte von Millionen Elektroniknutzern ständig umgehen, ohne dass ihnen dies bewusst wäre.
Rovi, einst als Macrovision gegründet, ist seit zweieinhalb Jahrzehnten einer der führenden Entwickler von Kopierschutztechnologien für die Filmindustrie. In den letzten Jahren baute das Unternehmen darüber hinaus ein breites Spektrum an Technologien und Dienstleistungen für die digitale Videodistribution aus - sowohl per Web als auch via Satellit. Bisher trat das Unternehmen dabei vor allem als Dienstleister für die produzierende Branche auf.
Verbraucher bekamen Rovi-Technik bisher in Form von Informations- und Werbezulieferungen zu Videoinhalten (beispielsweise in elektronischen Programmzeitschriften (EPGs), aber auch auf Shopping-Plattformen wie iTunes und in Form implementierter Rovi-Technik zum Filmabspielen im Großteil digitaler Unterhaltungselektronik-Geräte zu sehen. Vor allem aber bekamen sie Rovi-Technik dann zu spüren, wenn sie etwas Verbotenes taten: Es ist oft Rovi-Kopierschutztechnik, die zum Beispiel dafür sorgt, dass Raubkopien von DVDs auf digitalen Videorekordern nicht nutzbar sind.
Doch es gibt ja auch andere Wege, Kopien von Filmen zu schaffen, außer DVDs zu kopieren. Vor allem auf dem Markt der qualitativ hochwertigen Komprimierung von Videos spielt seit Jahren die Firma DivX eine Schlüsselrolle. Sie bietet ihren Nutzern nicht nur einen Player, sondern auch Software an, um speichersparende und doch hochwertige Kopien von Filmen anzufertigen. Der gleichnamige Codec der Firma ist der de-facto-Standard für komprimiertes Filmmaterial in Internet-Tauschbörsen (P2P), auf Streaming-Portalen und bei Filehostern.
Abgesehen davon gilt DivX als eines der besten Vehikel für den Filmvertrieb via Web. Multimedia-Player und digitale Videorecorder sind kaum noch verkäuflich, wenn sie den DivX-Standard nicht beherrschen. Derzeit sollen allein rund 350 Millionen verkaufte Geräte in Umlauf sein, die per DivX komprimierte Filme abspielen können. Wer Videos online vertreiben will, hat mit DivX einen Trumpf im Ärmel.
Hier entsteht ein "One-Stop-Shop" für digitalen Filmvertrieb
Erst im Oktober schluckte Sonic Solutions, ebenfalls ein Key-Player im digitalen Vertrieb und wieder an einem anderen Ende, DivX für stolze 326 Millionen Dollar. Sonic ist eine weitere dieser Marken, die Millionen nutzen, ohne dass auch nur zu registrieren: Das Unternehmen produziert DVD-Brenn-Software für Endverbraucher sowie Filmabspiel-Software für PC, mit der sich DVDs am Computer nutzen lassen.
Oft landen Sonic-Produkte - meist unter dem Namen "Roxio" - vorinstalliert auf frisch gekauften PC und Laptops. Nebenbei betreibt Sonic ein eigenes Videoverleih- und Verkaufsportal im Web - vor allem wohl als Showcase für seine als Dienstleistung vermarktete Distributionstechnik. Dazu kommt nun noch RoxioNow, eine technische Plattform für den Videovertrieb an internetfähige Fernseher, Blu-ray-Player etc. Nach Auskunft des Unternehmens soll RoxioNow bis Mitte 2011 auf 30 Millionen Geräten landen.
Erst aus dem Dreiklang der Produktportfolios der involvierten Firmen erwächst aus der kleinen Meldung "Firma schluckt Firma" die Relevanz: Als erstes Unternehmen auf dem Markt gelingt es Rovio mit dem Aufkauf von Sonic, ein lückenloses Dienstleistungs- und Produktportfolio von der Encodierung und dem Schutz digitaler Filme, über deren Verteilung über verschiedene Vertriebswege, über ihre Decodierung auf verschiedenen Unterhaltungselektronik-Geräteplattformen, ihre Unterfütterung mit Informationen und Werbung bis hin zu ihrer Vervielfältigung im Rahmen des Download-Verkaufes einzunehmen.
Gemeinsame Kundschaft
Nicht unmöglich scheint auch, dass es - etwa über digitale Marker im Ausgangsmaterial - künftig schwieriger wird, DivX-kodierte Raubkopien zu schaffen. Ein solches Versprechen gibt es bisher allerdings nicht: Aus den Chefetagen der noch nicht fusionierten, aber handelseinigen Firmen heißt es nur, dass die kombinierten Dienstleistungsportfolios geeignet seien, Klienten aus dem Kreis der Hollywood-Studios einen effektiveren Verkauf ihrer Produkte zu ermöglichen - und möglicherweise sogar höhere Preise dafür zu erzielen.
Erhöhte Umsätze erhoffen sich die Firmen nicht zuletzt durch die Verbindung ihrer Distributions- und Informationsangebote im digitalen Direktvertrieb von Video, TV und Film auf Endgeräte. Sowohl Sonic als auch Rovi boten solche Dienste bisher anderen Firmen an: Ein gemeinsamer Kunde ist zum Beispiel die amerikanische Blockbuster-Kette, die sich im Digitalvertrieb auf Sonics Distributionsplattform stützt, bei der Informations-Software aber auf Rovis TotalGuide. Blockbuster hat kürzlich Insolvenz angemeldet, andere Kunden der Rovi-Plattform sind nicht bekannt: Vielleicht ein guter Zeitpunkt, es selbst zu versuchen.