RTL und ProSiebenSat.1 TV-Sender planen deutschen Hulu-Klon

US-Portal Hulu: Mehrfach für Europa angestrebt, bislang stets gescheitert
Hamburg - Kommt endlich das lang ersehnte deutsche Hulu? ProSieben Sat 1 und die Mediengruppe RTL tüfteln gemeinsam an einer offenen TV-Plattform im Internet. Das berichtet am Donnerstagabend zuerst die "Financial Times Deutschland" ("FTD"). Am Freitagmorgen folgte die offizielle Bestätigung in Form einer Pressemeldung, in der die Unternehmen ihr Vorhaben ankündigten. Auf dem Portal sollen demnach Nutzer kostenlos Nachrichtensendungen, Serienfolgen, Filme und Shows abrufen können - bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung im Fernsehen.
Entsprechende Pläne legen die beiden Privatsender am Freitag zur wettbewerbsrechtlichen Prüfung der zuständigen EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, vor.
Das neue Angebot soll dem beliebten US-Videoportal Hulu ähneln. Mit dem gemeinsamen Projekt reagieren die führenden Privatsehenmacher auf die zunehmende Verschmelzung von Internet und TV. Immer mehr Nutzer wollen ihre Lieblingssendungen im Netz anschauen, ohne sich an feste Sendezeiten halten zu müssen.
Die neue werbefinanzierte Onlineplattform soll allen interessierten Sendern in Deutschland und Österreich offenstehen, ausdrücklich auch den öffentlich-rechtlichen Anstalten. und die -Digitaltochter RTL Interactive wollen dafür eine Gemeinschaftsfirma gründen, die als technischer Dienstleister fungieren soll.
Neu ist Web-TV für die Sender freilich nicht, mit dem Aufbau einer Zentralmediathek jedoch betreten sie neues Terrain. Bislang haben deutsche Privatsender wie Öffentlich-Rechtliche alle ihr eigenes Süppchen gekocht. Einige Angebote wie RTL now oder das ProSiebenSat.1-Pendant Maxdome setzen dabei vor allem auf Bezahlangebote, andere auf gratis abrufbare TV-Sendungen. Die diversen Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Anstalten bündeln gebührenfinanzierte Programme.
Die geplante Plattform soll diesen Wirrwarr mildern. Es entstehe erstmalig die Möglichkeit, "TV-Inhalte zeitversetzt über eine zentrale und übersichtliche Internetplattform abzurufen", sagte ein Beteiligter der "FTD". Eine Hulu-Kopie solle das deutsche Onlineportal aber nicht werden. Anders als das US-Portal, das seit kurzem mit Hulu Plus auch Bezahlinhalte anbietet, wollen RTL und ProSieben komplett auf Bezahlangebote verzichten, heißt es aus dem Umfeld des Projektes.
Alle wichtigen Sender, keine Gebühren
Tatsächlich jedoch klingt das geplante Portal auch trotz dieser vermeintlichen Differenzierung ganz schön nach Hulu. Die 2007 in Amerika gegründete Seite bündelt Angebote verschiedener Sender und Produktionsfirmen und bietet sie in hoher Videoqualität an. Bislang sind etwa Top-Serien von NBC, ABC und Fox zu sehen; jüngsten Berichten zufolge liebäugelt nun auch das letzte der vier großen US-Networks, CBS, mit einer Kooperation. Selbst wenn sich kein anderer Sender den Plänen der Mediengruppe anschließt, wären auf dem deutschen Portal ebenfalls die wesentlichen Programme von vornherein abgedeckt: Zu RTL gehört neben RTL2 und SuperRTL auch Vox, hinzu kommen von Seiten des Partners Sat.1, ProSieben, kabel eins sowie der neue Spartensender sixx.
Kostenlos zu sehen sind auf Hulu jeweils die aktuellen Sendungen, zum Beispiel von beliebten US-Serien wie "Grey's Anatomy" oder "Dr. House", auch in diesem Punkt ähneln die deutschen Pläne mit ihrer bereits gängigen Sieben-Tage-Regelung dem amerikanischen Vorbild. Am Gratis-Argument von Hulu hat im Übrigen auch die Einführung von Hulu Plus nichts geändert. Die Bezahlvariante öffnet lediglich das Archiv und erleichtert eine mobile Nutzung, beispielsweise auf dem iPad; die wöchentlich neuen Programminhalte jedoch bleiben kostenlos.
Wird das Projekt tatsächlich so wie geplant ins Leben gerufen werden, könnten sich ProSiebenSat.1/RTL und Hulu auf kurz oder lang in die Quere kommen. Das US-Original versucht bekanntermaßen schon seit geraumer Zeit, international zu expandieren, unter anderem auf den europäischen Markt.
Zuletzt waren Verhandlungen mit britischen TV-Sendern erfolglos abgebrochen worden, aktuell soll Hulu jedoch wieder mit ITV am Tisch sitzen. Eine Einigung in Großbritannien gilt als Schlüssel, um peu à peu im Rest von Europa das begehrte US-Portal zu etablieren. Dafür müssen jedoch in jedem Land die komplizierten Ausstrahlungs- und Lizenzrechte neu verhandelt werden. Da die jeweiligen nationalen Sender das letzte Wort haben, würde Hulu angesichts des Vorstoßes der deutschen Privatsender hierzulande wohl in die Röhre gucken.