Schräge Computerviren "Sie wurden infiziert. Schönen Tag"

Identitätsklau, Spionage, Sabotage - und dann noch Spott und Häme. Computerviren sind die Plage des Kommunikationszeitalters, doch noch schlimmer ist bisweilen der Humor ihrer Programmierer: Sie bringen ihre binäre Brut auch noch zum Singen und Witzeerzählen.

Was ist schlimmer als schadhafte Software? Schadhafte Software, die einem Electronic Body Music und Gamelan-Loops vorspielt, während sie einem die Festplatte schreddert zum Beispiel. Oder Binär-Erreger, die einen beim Neustart des Betriebssystems Pulp-Fiction-esk mit Bibelzitaten belehren, bevor sie den Rechner in die Verdammnis stürzen.

Die kuriosesten Schadprogramme des Jahres 2007 haben die Panda-Software-Virenlabore gerade aufgelistet. Heraus kam ein veritables Parasiten-Panoptikum, bei dessen Insassen in den meisten Fällen unklar ist, ob die abstrusen Nebeneffekte kühl berechnender Hackerzynismus sind. Oder doch eher Fehler in der Matrix.

Die schrägsten Viren im Überblick - sehen Sie selbst:

Humor-Tiefflug auf Indonesisch

Bei bei dem Programmierer des Trojaners "Ketawa.A" zumindest ist offenbar alles nach Plan gelaufen. Der Cybersaboteur outet sich als polyglotter Spaßvogel. Sein Zögling Ketawa.A ist an sich ein typischer Ottonormal-Trojaner: Er erstellt Dateien, die nicht da sein sollten, verändert Registrierungseinträge und übermittelt ungefragt Informationen an dritte. Auf dem Bildschirm des Nutzers leuchtet indes folgender Witz auf Indonesisch auf:

"Ein Mann hat gerade in einem Restaurant in Surabaya Reis gegessen. Während er aß, kam ein anderer Mann, der aus Madura Island stammt, an seinen Tisch und pinkelte. 'Warum pinkeln Sie hier?', echauffiert sich der Essende. 'Können Sie das nicht weiter weg tun?' Antwortet der Mann: 'Ich bin gerade von Madura nach Surabaya gereist. Wie weit weg soll ich denn noch pinkeln? Soll ich vielleicht nach Jakarta gehen?'"

Geisterstimmen aus der Monitorbox

Nicht weniger geschwätzig ist der Trojaner "BotVoice.A". Der entführt seine Opfer allerdings nicht in humoristische Niveautäler, sondern textet sie einfach zu. Das dafür gleich per Sprachausgabe. Sobald BotVoice.A den Computer infiziert hat, dröhnt eine computergenerierte Stimme in gebrochenem Englisch aus den Boxen des Nutzers: "Sie wurden infiziert. Ich wiederhole: Sie wurden infiziert, und Ihre Systemdaten wurden gelöscht. Schönen Tag. Bye bye."

Hackermarkt der Eitelkeit

Ein eitler Pfau ist offenbar der Programmierer des Trojaners "Rinbot.B", eines Retro-Viruses, der die auf dem Rechner installierte Anti-Virus-Software außer Kraft setzt. Wer sich den Schädling einfängt, wird nicht nur umgehend von der Software selbst darauf hingewiesen, sondern bekommt obendrein ein fingiertes CNN-Interview angezeigt, in dem der Hacker seine Beweggründe für die Entwicklung des Wurms ausführlich erörtert:

CNN: Wie heißen Sie?

Hacker: Hacker(s).

CNN: Sie sind sich darüber bewusst, dass Ihr Virus Netzwerke lahmlegt?

Hacker: Das ist möglich, ja. Aber dafür entfernt mein Trojaner alle anderen Viren von den Rechnern, in denen er sich einnistet. Er ist gleichzeitig Virus und Anti-Viren-Programm.

CNN: Was wollen Sie mit den infizierten Rechnern anfangen?

Hacker: Nichts wirklich Böses. Keine Betrügereien oder so.

CNN: Wie heißt ihr Virus, "Rinbot.B", eigentlich wirklich?

Hacker: IrnBru - in Anlehnung an einen populären Softdrink.

Gottes Zorn und Hackers Beitrag

Ein scheinheiliger Geselle ist der Wurm "USBToy.A", der sich, wie der Name schon verrät, hauptsächlich auf USB-Sticks herumtreibt. Wird er an einen Rechner angeschlossen, trifft dessen Besitzer der heilige Zorn seines Schöpfers. Bei jedem Windows-Start leuchtet ein blauer Bildschirm auf. Darauf ist zu lesen:

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer. Und es war finster auf der Tiefe. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Diese Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten."

Immerhin: Dem infizierten Rechner passiert nicht viel, außer dass er bis nach seiner Anti-Viren-Therapie bibelfest ist.

Binärer Terror zum Mitmoshen

Eine musikalische Ader hat anscheinend der Programmierer des Internet-Wurms "Vergon". Sobald dieser einen Rechner infiziert hat, öffnet sich wie von Geisterhand der Windows Media Player und spielt einen Song namens "Lagu" ab. Stilistisch lässt sich dieser dem Subgenre der Electronic Body Music zuordnen; inhaltlich klingt "Lagu" wie eine durch Hacker und Komprimierungs-Software vermurkste Raubkopie von Marilyn Manson "Resident Evil Main Theme".

Der Schädling öffnet außerdem ein DOS-Fenster, das seinen Namen als Buchstabencollage anzeigt, und meldet sich selbst als zusätzlichen Benutzer auf dem PC an. Der Nutzer wird zum Fremden im eigenen Haus und hört in einer Endlosschleife die Gamelan-Soli seines ungebetenen Gasts. Natürlich lassen sich diese nicht händisch abschalten.

Virales Marketing

Auf andere, wesentlich gefährlichere Psycho-Methoden setzt der Wurm "VideoCatch": Der gibt vor, das Gegenteil von dem zu sein, was er wirklich ist. In penetrierender Häufigkeit meldet VideoCatch fingierte Viren-Warnungen, die den Nutzer zum Kauf eines vermeintlichen Desinfizierungs-Programms verleiten sollen. Dieses ist natürlich kostenpflichtig, was vielen Nutzern bei der massiven Drohkulisse aber egal sein dürfte. Ziemlich heimtückisch.

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