KI produziert Endlos-Sitcom Diese Show über Nichts läuft 24 Stunden am Tag

Auf Twitch ist eine Nonstop-Adaption der 1990er-Sitcom »Seinfeld« zu sehen: Eine künstliche Intelligenz schreibt das Drehbuch live, führt Regie und lacht über ihre eigenen Witze. Trotzdem schauen viele zu.

»Habt ihr von dem Restaurant auf dem Mond gehört? Tolles Essen, aber keine Atmosphäre«. Ba-dumm-bumm. Mit diesem Witz eröffnet der Stand-up-Comedian Jerry Seinfeld – nein – Larry Feinberg eine neue Szene seiner Endlosshow. Schnitt. Nun sehen wir Larry in seinem New Yorker Apartment, wo ein paar Freunde abhängen und sich den Comedy-Ball in mal banalen, mal absurden Dialogen zuspielen.

Wer sich an das US-Fernsehen der 1990er-Jahre erinnert, erkennt schnell: Man hat es mit einer Parodie der damaligen Kult- und Erfolgsserie »Seinfeld« zu tun. Davon gab es in der Vergangenheit viele. Das Neue an der Serie »Nothing, Forever«, die derzeit auf der Streamingplattform Twitch läuft: Das Drehbuch wurde nicht von einem Menschen geschrieben, die Gags stammen von einer künstlichen Intelligenz – alle.

Damit nicht genug: Auch die Kameraeinstellungen und die Figuren werden von »generativen Algorithmen« gesteuert, erklären es die Macher von Mismatch Media, nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von Forschern, Unternehmern, Technikern und anderen. Das Alleinstellungsmerkmal der Onlineshow: Die Sendung läuft 24 Stunden am Tag – in einem unendlichen Strom aus Gags und TV-Nostalgie.

Klötzchengrafik und Diätgespräche

Nicht nur der Stoff, auch die grellen Farben der Klötzchengrafik erinnern an die frühen Neunziger, etwa an »Zak McKracken« und »Maniac Mansion«. Nur bei der Animation der Figuren wird klar, dass man es nicht mit einem der geliebten DOS-Spiele zu tun hat, sondern mit etwas ganz anderem. Immer wieder sprechen die Figuren gegen die Wand, zuweilen laufen sie auch durcheinander oder Verschmelzen miteinander auf der Couch.

Schon in der Originallaufzeit war die Serie berühmt dafür, dass es eigentlich um Nichts geht. Ein paar Mannkinder – dazu zählt merkwürdigerweise auch Jerrys Freundin Elaine – führen zwischen Jerrys Apartment, dem immer gleichen Diner und den Partys, zu denen sie eingeladen werden, mehr oder weniger belanglose Gespräche.

Diese Nichtigkeit ist in der KI-Neuauflage geblieben: So drehen sich die Gespräche um Diäten, zufällige Straßenbegegnungen und Snacks. Wer auf eine Pointe hofft, wird oftmals enttäuscht. Manchmal bricht das Gespräch einfach ab oder wird von künstlichen Lachern erstickt.

Es gibt noch viel zu lernen

Wie die Macher dem US-Magazin »Vice« berichten , lernen die Algorithmen dazu, indem sie den Zuschauer-Chat auswerten. Solches Feedback ist elementar. Der Erfolg des Chatbots ChatGPT kam nur zustande, weil er jahrelang von Menschen trainiert wurde. Sie mussten Unsinn von sinnvollen Antworten trennen, verletzende Inhalte sowie Rassismus aussortieren.

Beim synthetischen Seinfeld scheint die Lernkurve noch sehr ausbaufähig zu sein. Er gibt nur Witze wieder, die er im Internet aufgelesen hat, oder stückelt aus Dialogzeilen Pointen zusammen. Zuweilen verrutschen die Charaktere auch in der Zeile und sprechen anscheinend Regieanweisungen mit, etwa »geht ab zum Gelächter des Publikums«. Das Lachen aus der Retorte folgt erst nach einer langen Pause.

Trotz solcher offensichtlichen Defekte, hat die Sendung in den vergangenen zwei Monaten eine kleine, aber treue Followerschaft für sich gewonnen. Tag und Nacht schalten um die 10.000 Nutzer ein und kommentieren teils begeistert die Gags, zählen mit, wie oft die Singles an die Mikrowelle gehen oder rätseln, wo im Internet die Cyber-Elaine eine Dialogzeile aufgeschnappt haben mag. Spongebob? Immerhin hundert Zuschauer finden das Projekt so erhaltenswert, dass sie es über den Dienst Patreon unterstützen: Knapp 500 Euro kommen so pro Monat zusammen.

Das ist zwar nichts gegen die Million Dollar, die Jerry Seinfeld einst für eine 22-Minuten-Folge bekommen haben soll. Die Macher träumen aber schon, dass ihr Projekt die erste Stufe zu einem völlig neuen Genre sein könnte: Endlos-Serien in Netflix-Qualität. Man kann nur hoffen, dass die Humor-Algorithmen bis dahin noch viel dazulernen.

tmk
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