China Elite-Uni arbeitet mit Militärhackern zusammen

Über Jahre haben Computerexperten einer Universität bei Shanghai mit einer Cyberwar-Einheit der chinesischen Armee zusammengearbeitet. Das sollen Dokumente beweisen, die jetzt im Web aufgetaucht sind. Bisher hatte die Uni entsprechende Vorwürfe zurückgewiesen.
Campus der Jiaotong-Universität: Ausgangspunkt für Cyberattacken?

Campus der Jiaotong-Universität: Ausgangspunkt für Cyberattacken?

Foto: CARLOS BARRIA/ REUTERS

Forscher der Jiaotong-Universität  in Shanghai haben jahrelang mit der Einheit 61398 der chinesischen Volksbefreiungsarmee zusammengearbeitet. Das sollen Berichten der Nachrichtenagenturen AFP  und Reuters  zufolge Dokumente beweisen, die jetzt im Netz aufgetaucht sind. Demnach haben die Wissenschaftler gemeinsam mit Mitglieder jener Armeeabteilung verschiedene Forschungsartikel zu Themen der Computersicherheit verfasst.

Der Einheit 61398 gehört zur dritten Abteilung des chinesischen Generalstabs und ist China-Experten zufolge das Gegenstück zur NSA, dem US-Geheimdienst für elektronische Überwachung. Sie sei verantwortlich für die technische Aufklärung, also unter anderem das Belauschen von Telefongesprächen und Internetverkehr, heißt es. Eben dieser Einheit wurde von westlichen Computerexperten schon mehrfach vorgeworfen, für Spähangriffe und Cyberattacken gegen Computereinrichtungen in den USA und Kanada verantwortlich zu sein.

Im Februar hatte das US-Sicherheitsunternehmen Mandiant einen detaillierten Bericht über Hackerangriffe aus China vorgelegt in dem es hieß, fast alle von China ausgehenden Attacken der letzten sechs Jahre könnten nach Shanghai zurückverfolgt werden. Für die Cyber-Angriffe auf die "New York Times" und andere US-Medien Anfang des Jahres sei die Einheit 61398 jedoch nicht verantwortlich.

Defensive Forschungsprojekte

Die Jiaotong-Universität gilt als Elite-Lehranstalt, an der die künftige politische und wirtschaftliche Führung des Landes ausgebildet wird. Unter anderem absolvierte der ehemalige chinesische Staatspräsident Jiang Zemin dort sein Ingenieurstudium.

Die nun aufgetauchten Papiere belegen, dass Mitarbeiter der Jiaotong School of Information Security Engineering (SISE) mit Mitgliedern der Einheit 61398 an einem "System zur Überwachung von Einbruchsversuchen in Computersystemen" zusammengearbeitet haben. Auch die übrigen gemeinsamen Forschungsprojekte drehten sich um Netzwerksicherheit und das Aufspüren von Cyberangriffen. Auf den ersten Blick eher defensive Themen.

Forscher wussten nichts von Verbindungen zur Armee

An einem der Papiere hat Forscher Chen Yi-qun von der Volksbefreiungsarmee mit Xue Zhi von der Jiaotong-Universität zusammengearbeitet. Nach Angaben auf der Website der Universität hat Xue Zhi auch Chinas führende "Plattform für Cyberattacken und Netzwerkinfiltration" entwickelt. Professor Fan Lei, der ebenfalls mit Chen zusammenarbeitete, sagte Reuters, er habe mit Chen geforscht, weil dieser seinerzeit als Jungakademiker an der Uni tätig war. Dass Chen gleichzeitig Mitglied der Volksbefreiungsarmee war, habe er nicht gewusst.

Bislang hatte die Universitätsleitung stets Vorwürfe bestritten, die Lehranstalt sei an Netzspionage oder Cyberangriffen beteiligt. Nach der Veröffentlichung des Mandiant-Berichts im Februar hatte ein Sprecher der Universität erklärt, die Universitätsleitung sei "schockiert und betroffen von den grundlosen Beschuldigungen". Zu den neuen Vorwürfen, die Uni arbeite mit der Einheit 61398 der Volksbefreiungsarmee zusammen, hat sich die Universität bisher nicht geäußert.

mak
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