
Shopping-Frust in der City Liebe Leserin, lieber Leser,
am Wochenende war ich in der Hamburger Innenstadt einkaufen. Ich wollte nichts Ausgefallenes: schwarze Winterstiefel, ein Kinderbuch und Plätzchenausstecher. Also drängte ich mich durch Menschentrauben, stand in langen Schlangen, schwitzte in Jacke und Schal im Geschäft und fror, als ich wieder herauskam.
Normalerweise erspare ich mir solche Shoppingtrips, spätestens seit Ende Januar. Damals scheiterte ich daran, neue Kinderhandschuhe zu kaufen. Die gab es mitten im tiefsten Winter in mehreren Kaufhäusern nicht - "Was da nicht hängt, haben wir auch nicht" und "Kriegen wir auch nicht mehr rein".
Zum Glück gibt es das Internet, wo ich auch im Januar problemlos Handschuhe in gewünschter Farbe und Größe bekomme. Ebenso die "Saisonware" Badehose im Herbst und Laternenstäbe, die ich Anfang November im Laden nicht mehr bekam, weil sie schon von der Weihnachtsware verdrängt waren.
Für all das gibt es Gründe. Aber es passt nicht zu meinem Einkaufsverhalten. Ich habe einen Vollzeitjob und ein Kind, ich habe kaum Zeit. Natürlich weiß ich, dass Onlineshopping problematisch ist: für die Umwelt, für die Paketboten, für die Innenstädte, die Läden und ihre Mitarbeiter. Allerdings macht es mir der Einzelhandel auch wirklich nicht leicht.
Am Samstag gab es bei einem Schuh-Riesen die gewünschten Stiefel nicht in meiner Größe, mir wurde auch keine Nachbestellung angeboten. Deshalb hab ich sie auf dem Heimweg online bestellt.
Die Plätzchenförmchen gab es zwar, doch ich musste sie umständlich an einer Extrakasse bezahlen, durch das doppelte Anstehen dauerte der Einkauf ewig. Das Kinderbuch habe ich erst in der dritten Buchhandlung bekommen.
Es muss nicht immer Amazon sein
Bücher kann ich allerdings auch bequem bei meiner Buchhandlung im Netz bestellen und am nächsten Tag abholen: Von diesem Service mache ich öfter Gebrauch. Es gibt ihn inzwischen für viele andere Waren - vielleicht ein Schritt hin zur Lösung des Shoppingproblems. Denn das werden wir gemeinsam lösen müssen.
Natürlich können Läden nicht alles vorrätig haben. Aber es wäre schon eine Hilfe, wenn die Ladenmitarbeiter dabei behilflich wären, das Gewünschte zu bekommen - statt mit den Achseln zu zucken. Die persönliche Beratung, mit der sich der Einzelhandel rühmt, habe ich oft vermisst. Manchmal war ich schon froh, wenn ich wegen meines Anliegens nicht verspottet ("Ostereierfarben? Da kommen Sie aber ein bisschen spät!") oder gar beleidigt ("Sie haben aber auch komische Füße!") wurde. Da ist abendliches Onlineshopping auf dem Sofa einfach netter - und stets erfolgreich.
Mit schlechtem Gewissen versuche ich zumindest, im Netz nicht hauptsächlich bei den Riesen zu bestellen, sondern möglichst bei kleineren Läden. Ein Geschäft aus der Umgebung bekommt immer den Vorzug, und wenn ich etwas in der Filiale abholen kann, mache ich das. Retouren versuche ich zu vermeiden, Paketboten bekommen von mir in der Regel ein Trinkgeld. Wer im Geschäft einigermaßen beleidigungsfrei berät, wird wieder aufgesucht. Auch dann, wenn das gewünschte Produkt gar nicht vorrätig war. Manchmal kaufe ich nämlich doch einfach etwas anderes als das, was auf der Liste steht. Aus purer Kauflust. Wenn ich denn Lust bekomme.
Seltsame Digitalwelt: Kevin allein in Analogistan
Bei mir zu Hause hat der Netflix-Advent begonnen: Als einer der ersten Weihnachtsfilme wurde "Kevin allein in New York" geguckt, ein Klassiker aus meiner Jugendzeit. Beim Ansehen wurde mir klar, wie sehr sich die Welt in den 27 Jahren seit Erscheinen des Films verändert hat. Das World Trade Center steht nicht mehr, und die Sicherheitschecks am Flughafen sind seitdem so streng, dass die ohnehin irre Geschichte des Kindes im falschen Flugzeug heute noch viel merkwürdiger wirkt.
Vor allem aber spielt das Internet noch gar keine Rolle: Kevin findet die Adresse seines New Yorker Onkels im Adressbuch seines Vaters. Heute wäre sie eher im elterlichen Handy gespeichert und damit für das verlorene Kind nicht auffindbar. Und überhaupt hätte Kevin im Jahr 2019 wahrscheinlich selbst ein Handy und könnte jederzeit von seinen Eltern angerufen werden. Es steht also fest: Während der Film 1992 natürlich waaahnsinnig realistisch war, ist er inzwischen nur noch ein Relikt aus einer anderen Zeit. Und ich werde langsam alt.
App der Woche: "The Mosaic"
getestet von Tobias Kirchner
"The Mosaic" ist mehr eine interaktive Geschichte als ein Spiel. Dabei geht es vor allem um Fragen des modernen Lebens. Den Entwicklern gelingt es dabei, die Isolation in einer Großstadt und die Tristesse des Alltags des Protagonisten zu vermitteln. Jedoch ändert sich sein auf den ersten Blick gewöhnliches Leben und es passieren merkwürdige Dinge, die an dieser Stelle nicht verraten werden.
"The Mosaic" schafft es, eine erwachsene Geschichte mit einem tollen Stil und bedrückendem Soundtrack rüberzubringen.
"The Mosaic" von Raw Fury, erhältlich in der Apple Arcade, monatlich 4,99 Euro: iOS
Fremdlink: Drei Tipps aus anderen Medien
- "Facebook Empowers Racism Against Its Employees of Color" (Englisch, vier Leseminuten)
Facebook hat ein "black people problem", werfen Mitarbeiter dem Tech-Unternehmen vor. Ein Dutzend derzeitiger sowie ehemaliger Angestellter hat nun diskriminierende Erfahrungen öffentlich geteilt - und will den Konzern so zwingen, das Thema Rassismus im Unternehmen anzugehen.
- "Um Klassen smarter" (zehn Leseminuten)
Während deutsche Schulen im internationalen Vergleich in Bezug auf Digitales schlecht abschneiden, gilt Dänemark als Spitzenreiter. Die Kollegen von der "Zeit" sind der Frage nachgegangen, was das Land bei der digitalen Bildung besser macht.
- "Palantir, the secretive data behemoth linked to the Trump administration, expands into Europe" (Englisch, vier Leseminuten)
Datenanalysen für Polizei, Geheimdienste und Privatunternehmen: Der US-Softwareentwickler Palantir ist umstritten, dennoch expandiert er auch nach Europa. Die Bürgerrechtsorganisation AlgorithmWatch hat recherchiert, welche Organisationen in Europa bereits mit Palantir zusammenarbeiten.
Als Rheinländerin verabschiede ich mich an diesem 11.11. mit einem fröhlichen Alaaf!
Judith Horchert
Verlagsangebot
SPIEGEL AKADEMIE
Hochschulkurs mit Zertifikat - Cyber Security
Sichern Sie das Internet der Dinge vor Cyberattacken! Erfahren Sie hier mehr.