Sigint-Konferenz Hacker suchen neue Regeln

Sie streiten um Politik, basteln an Hardware und feiern schräge Netzkultur: Auf der Sigint-Konferenz des Chaos Computer Club in Köln treffen Hacker und Netzaktivisten aller Strömungen aufeinander. Sie streiten auch, ob die alte Hacker-Ethik stinkt.
Chaos Computer Club: Die Regeln der Hacker stammen aus den achtziger Jahren

Chaos Computer Club: Die Regeln der Hacker stammen aus den achtziger Jahren

Foto: Tim Brakemeier/ dpa

Einen Apfel haben viele auf dem Laptop oder Smartphone - oder ein anderes, austauschbares Markenlogo. Damit aus den unpersönlichen Kisten Unikate werden, flitzt ein roter Laserpunkt über die Gehäuse, der Bilder, E-Mail-Adressen oder Ponybilder einbrennt. Die Maschine, ein Laser-Curver namens FaZzZ0r, ist eigentlich im Hackerspace RaumZeitLabor  in Mannheim beheimatet. Für ein Wochenende wurde der große Kasten in den Kölner Mediapark verfrachtet - auf die Sigint , eine jährliche Konferenz des Chaos Computer Clubs.

Rund 700 Hacker und Netzaktivisten sind hier. Nach dem viermal größeren Jahreskongress, der im Dezember in Berlin stattfindet, soll auf dieser Zwischenkonferenz im Frühjahr besprochen und diskutiert werden, was sich alles angesammelt hat. Einiges ist von den Berliner Netzkonferenzen von CCC bis re:publica schon bekannt: CCC-Sprecherin Constanze Kurz referiert über den Staatstrojaner, der Grünen-Politiker Malte Spitz über die Vorratsdatenspeicherung und Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl erklärt die Vehemenz der Acta-Proteste.

Und es wird auch gestritten: "Der Club hat eine allgemein akzeptierte Hacker-Ethik - und die stinkt", sagt Jürgen Geuter, im Club "tante" genannt. Die Regeln der Hacker  sind aus den achtziger Jahren, sie basieren auf dem Buch "Hackers" des US-Autors Steven Levy. Sie sollen die Club-Mitglieder vor allem zum Nachdenken darüber anregen, was sie da mit ihren Geräten tun und was für Folgen das haben kann. Unkonkret, veraltet, sagt Geuter. Er stellt neue Regeln  zur Diskussion.

Geuter will keine "Ethik auf die grüne Wiese husten". Aber die Hacker beschäftigten sich mittlerweile mit mehr als nur Codezeilen - mit Biohacking, 3-D-Druckern und der Gesellschaft. "Schaffe mehr Möglichkeiten in der Welt, bauen statt zerstören", lautet eine seiner Regeln. "Lass dich nicht als Werkzeug missbrauchen", eine andere. Sie richtet sich gegen Anhänger von Anonymous und LulzSec, die mit Tools blind im Netz fuhrwerken. Wir sind die Guten - das soll die Botschaft sein.

Brauchen die Hacker neue Regeln? Frank Rieger, Sprecher des Clubs, findet die Vorschläge noch "unausgegoren und unvollständig". Der alten Hacker-Ethik merke man die Zeit, aus der sie stamme, aber an, über eine Renovierung könne man diskutieren. Ein festes Verfahren dafür hat der Club nicht. Rieger: "Das müssen wir lange diskutieren, vorschreiben können wir ohnehin nichts, eine Ethik muss jeder für sich selbst akzeptieren."

Hacken und hacken lassen

Es geht auch weniger philosophisch: Auf der Sigint berichten Hacker, womit sie sich gerade beschäftigen, sei es nun Android-Sicherheit oder Feminismus im Netz. Vieles davon scheint gar nicht zueinander zu passen: Neben Vertretern der Spackeria sprechen hier auch deren Gegner, neben ernsten Themen finden auch Betrachtungen zur Pony-Meme im Internet statt. Das ist durchaus Absicht: Hier koexistieren viele Strömungen, es ist etwas verspielter als manche Hauptstadtkonferenz, gemütlich und entspannt. Der rheinische Grundsatz "Leben und leben lassen" hat sich offenbar auch hier durchgesetzt: Hacken und hacken lassen.

Der Vorteil der verhältnismäßig kleinen Runde liegt darin, dass die Akteure endlich einmal Zeit füreinander haben. "Sigint ist toll. Fast alle wichtigen Menschen sind da und man hat endlich mal Zeit miteinander zu reden", twittert zum Beispiel der Foebud. Und auch Markus Beckedahl findet es in Köln ziemlich entspannt: "Für lange Gespräche wie hier hat man auf anderen Konferenzen selten Zeit."

Deshalb nutzen die CCCler und ihre Gäste die drei Tage auch, um sich noch einmal ihrer Rolle klarzuwerden. "Die Hackergemeinde steht meiner Meinung nach im Auge des Tsunamis der digitalen Revolution", sagte Florian Walther alias "Scusi"  zum Auftakt in seiner Keynote. "Unsere Waffen sind die Kommunikation und das Netz", sagte er. Die digitale Revolution biete den Hackern Chancen der Gestaltung, wenn sie denn ihr technisches Können verantwortungsvoll einzusetzen wüssten: Man sollte das Verständnis für komplexe Systeme "nutzen, um unsere Freiheit und die der anderen zu erhalten um auch morgen noch ein weitgehend ungefiltertes, neutrales weltweites Datennetz zu halten, oder einfach Herr über die eigenen Geräte zu sein".

Die Verantwortung der Hacker im digitalen Zeitalter müsse auch zu mehr Achtsamkeit führen innerhalb der Hacker-Gemeinschaft selbst. So rufen Jens Ohlig und Stephan Urbach in einem Kamingespräch dazu auf, sich in der Szene gegenseitig zu helfen, wenn so mancher auch psychisch mit dem Druck nicht mehr klarkomme, den diese gefühlte Verantwortung mit sich bringe. Es schade nicht, im Netz einen netteren Umgang miteinander zu pflegen - statt des oft kriegerischen Tonfalls in Foren und Chats.

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