Spamlyrik Die schönsten Maschinengedichte

Die Dichtkunst von Spam-schreibenden Robotern pries SPIEGEL ONLINE kürzlich - und zahlreiche Leser durchwühlten ihre Mail-Mülleimer, um lyrische Perlen zutage zu fördern. Wir präsentieren eine Auswahl der schönsten Spam-Gedichte - die auch an den Ursprungsort des Dada zurückkehren werden.

Gila von Meissner hat das vielleicht größte Opfer gebracht - schreibt sie jedenfalls. "Sie sind daran Schuld, dass ich vor lauter Begeisterung für Ihren Lyrik-Wettbewerb einen Jahresvorrat Viagra gekauft habe..." - Das mag geflunkert sein, in jedem Fall spiegelt es die Resonanz wieder, die unsere Ode an die Lyrik aus Dichtmaschinen hervorrief. Manche waren schlicht begeistert und dankbar für den Hinweis, was da an Lesenswertem in den unbesehen weggeworfenen E-Mails von Online-Apothekern und Aktienflüsterern schlummerte, andere vermuten "es kann sich eigentlich nur um Vogonenlyrik handeln."

In jedem Fall sandten Viele längere und kürzere, kryptischere und (beinah) verständliche, jedenfalls faszinierende Spam-Gedichte ein - so viele, dass wir hier nur eine ganz kleine Auswahl von zehn Perlen wiedergeben und unsere Leser für mehr Lesestoff an den eigenen Junkmail-Ordner verweisen (unter Einhaltung der üblichen Sicherheitsmaßnahmen, versteht sich).

Allen Lesern, deren Einsendungen hier nicht Verwendung finden konnten, allen Mailstöberern und Spam-Exegeten danken wir herzlich für ihre Mühe - viel Schönes war dabei, aber eben viel zu viel. Einige fielen auch durchs Raster, weil viel von dem, was so in unverlangt gesandten E-Mails steht, gewissermaßen eine eigene literarische Kategorie bildet.

Babelfish-Dichtung, Datenbank-Prosa, PC-Pseudonyme

Zum Beispiel Babelfish-Dichtung (die durch maschinelle Übersetzungen beispielsweise von Phishing-Mails zustande kommt). Hier ein schönes Beispiel, angeblich von der Kundenbetreuungsstelle eines Online-Auktionshauses, eingesandt von Leserin Miriam Böger:

"I`m eine unzulässige Person, die nach einem Radstuhl sucht. Informieren Sie mich bitte die Verschiffenkosten dieser Reißverschluscode. Meine Frau schickte Ihnen die Zahlung, ließ mich wissen, wenn Sie sie empfangen haben! Auch, wenn ich kann, erwarten das Produkt? Schauen Sie, gibt es jetzt 2 Monate, da ich fr das Einzelteil paied und didn`t I noch it. This ist meine letzte Warnung empfangen: es sei denn Sie das Problem die erste Sache lsen ... Wenn Sie glauben, daß diese Tätigkeit kann sind in der Störung oder genommen worden, wenn Sie glauben, daß Ihr Konto haben kann abgegeben mit, treten Sie bitte mit unserer Phasenhilfe Mannschaft in Verbindung, ...
Danke für Ihre Mitarbeit.
Respekt,
Kundenbetreuung (Vertrauen und Sicherheit Abteilung) eBay Inc."

Eine ganz eigene Kunstform stellen auch die Rechner-generierten Absendernamen vieler Spammails dar. Jürgen Deinhard beispielsweise schickte uns diese schöne Liste von Dichtmaschinen-Pseudonymen (die wir hiermit aufstrebenden Künstlern mit Namensbedarf zur freien Verfügung übereignen):

Debited I. Wildflower
Reconvening V. Zionists
Sobered J. Squeaked
Desensitized L. Composite
Drumstick P. Followed
Biopsies H. Coexistence

Passend zu den im Ausgangstext erwähnten typographischen Kunstwerken, die zur Umgehung von Spamfiltern entwickelt werden, hat ein fleißiger Blogger eine mathematische Annäherung an das Problem entwickelt. Leser Gunnar Krempin wies uns darauf hin: " Hier  hat sich ein Blogger tatsaechlich die Mühe gemacht herauszufinden, dass es 1.300.925.111.156.286.160.896 Möglichkeiten gibt, das Wort Viagra zu schreiben! Komplett mit Herleitung und zum selbst nachrechnen." Wir wünschen dabei viel Vergnügen.

Suck my book

Eine eigene Gattung innerhalb der Maschinendichtung bilden Prosatexte, die offenbar aus online verfügbarem Material zusammengeklaut werden. Lyrik im engeren Sinne ist das nicht, aber oft auf ähnliche Weise verwirrend und verstörend, wie dieser kurze Text, den uns Christiane Birr schickte (der Text trug die Überschift "Suck my book. Had those sounds existed in the darkness?"):

"The sheet was turning red. There's really no one else. 'Learned it from the fuzzy-wuzzies in Capetown,' he said. 'Well. There were only eight or nine pictures in the whole book and they were terrible. I was driving to the West Coast to celebrate my liberation from a state of whoredom.'"

Wer sich mit dem Englischen schwertut, kann beispielsweise hier  ein Stück Software das Übersetzen erledigen lassen - und aus der Literaturcollage wieder ein Stück Babelfish-Dichtung machen.

Die Gewinner landen im Cabaret Voltaire!

Aus einer Datenbank geklaut ist übrigens auch die in unserem ersten Spamlyrik-Text enthaltene Zeile "Hearing often-times the still, sad music of humanity, nor harsh nor grating, though of ample power to chasten and subdue." Mehrere Leser, darunter Florian Kirsten, erkannten darin einen Schnipsel aus dem Gedicht "Tintern Abbey" von dem britischen Romantiker William Wordsworth (1770-1850) - das komplette Werk finden Sie zum Beispiel hier .

Sehr gefreut hat uns auch eine Zuschrift von Philipp Meier. Er leitet heute das berühmte Cabaret Voltaire in Zürich , in dem sich einst die Begründer des Dadaismus trafen, gemeinsam dichteten und tranken. Meier schrieb: "Wenn Sie uns die von Ihnen auserwählten Einsendungen mailen, dann drucken wir diese aus und pinnen sie an die Wand des Cabaret Voltaire Saal, da wo vor ziemlich genau 90 jahren Hans Arp, Hugo Ball und Konsorten erstmals ihre dadaistischen Gedichte vortrugen." - Eine Aufforderung, der wir selbstverständlich und voller Begeisterung nachkommen werden.

Die Spamdichter seien den Dadaisten durchaus nah, so Meier weiter, denn "Richard Huelsenbeck schrieb ins erste deutschsprachige Dada-Manifest: 'Dadaist sein kann unter Umständen heißen, mehr Kaufmann, ... als Künstler sein - nur zufällig Künstler sein.'"

In diesem Sinne - hier unsere zehn liebsten Spam-Gedichte, subjektiv ausgewählt, teilweise von den Einsendern interpretiert. Feinste Erektionsmittelverkaufslyrik von all den einsamen Dichtmaschinen da draußen.

Money miss and Force

Cheerlead Prophecy

But.

Hospitality Pervades

Ancient cowbell Guthrie

The Janitor

Pop into this world

The books are worthless

Remember me?

Getchildmax

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