
Steve Jobs: Sie nannten ihn iGod
Steve Jobs' Vermächtnis Seine beste Idee
Es ist erstaunlich: Wenn man bei Google einen Manager fragt, der fürs Geschäft mit dem mobilen Netz zuständig ist, ob er Apple eigentlich dankbar sei, kann man eine für einen direkten Konkurrenten ungewöhnliche Reaktion erleben: ein breites Grinsen - und ein fröhliches "Ja, klar!".
Googles Handy-Betriebssystem Android steht in direktem Wettbewerb zu Apples iOS, die beiden Konzerne kämpfen an diversen Fronten gegeneinander, auf beiden Seiten sind ziemlich böse Worte über den Konkurrenten gefallen. Bei Google ist man außerdem enorm stolz darauf, dass es mittlerweile mehr Android-Handys auf der Erde gibt als iPhones. Doch trotzdem weiß man in Mountain View, was man Steve Jobs zu verdanken hat: Er hat das mobile Internet in seiner heutigen Form erst möglich, sprich: alltagstauglich, gemacht.
Man muss sich vor Augen halten, dass es das iPhone erst seit 2007 gibt. Innerhalb der vergangenen vier Jahre hat das Apple-Handy, gleichzeitig Jobs' vorletzte große Innovation, im Alleingang das geschafft, woran viele Telekommunikationsunternehmen zuvor jämmerlich scheiterten. Der Emporkömmling hat Menschen davon überzeugt, dass es nützlich und womöglich unverzichtbar sein könnte, unterwegs und jederzeit auf das Internet zugreifen zu können.

Steve Jobs: Sie nannten ihn iGod
Vor dem iPhone waren Internethandys in der Regel Blackberrys der Firma Research in Motion , es waren reine Arbeitsgeräte. Nicht sehr hübsch, ausgestattet mit einer ordentlichen, wenn auch winzigen Tastatur, ideal dafür geeignet, unterwegs E-Mails zu lesen und im Notfall auch mal eine zu verschicken. Das Blackberry war für die erste Dekade des dritten Jahrtausends das, was der zahnsteinfarbene Desktop-PC in den neunziger Jahren war: ein Werkzeug, im Job unverzichtbar, aber mit mäßigem Sexappeal.
Für Privatanwender gab es damals auch schon mobile Websites und das glücklose, in Wahrheit unsägliche WAP-Protokoll: kleingemachtes Internet für die kleinen, abgespeckten Computer, die frühe Smartphones nun einmal waren. WAP-Seiten auf einem Nokia- oder Siemens-Handy zu betrachten, war etwa so sexy, wie sich auf einem Grünmonitor Hollywood-Filme anzusehen. Blackberrys und andere frühe Smartphones konnten zwar immerhin Websites anzeigen, aber die Bildschirme waren stets zu klein, die Auflösung zu schlecht. Das Ganze war einfach kein Vergnügen.
Touchscreen - und sonst nichts
Die größte und nachhaltigste Vision von Steve Jobs war deshalb die Erkenntnis, dass sich all das ändern ließ. Die Innovation bestand darin, die gesamte Oberfläche des Handys zum Bildschirm zu machen, die Menschen direkt und mit ihren Fingerspitzen mit der Software und dem Netz in Kontakt treten zu lassen.
Es ist kein Zufall, dass heute praktisch jedes relevante Smartphone auf dem Markt, sei es von HTC, Samsung oder einem beliebigen anderen Hersteller, dem Grundprinzip des ersten iPhone folgt: Touchscreen - und sonst nichts. Nur mit diesem radikalen Schnitt war es Jobs möglich, das Internet und alles, was darin ist, endlich in einem Format darzustellen, mit dem man tatsächlich umgehen möchte.
Das hatte nicht nur Folgen für die Anwender, sondern auch für die Anbieter. Vor dem iPhone waren mobile Datentarife eine Sache für Business-Kunden und Exoten, Deutschlands Telekom-Unternehmen saßen auf ihren für Milliarden ersteigerten UMTS-Frequenzen, bangten und hofften. Als das iPhone dann kam, war das für die Konzerne wie eine Erlösung. Anfänglich entfiel weltweit der Löwenanteil aller mobilen Datennutzung auf Apple-Handys. Auch das hat sich geändert - Jobs sei Dank.

Apple: Vom Apple I bis zum iPhone 3G
Rückblickend gibt es, was unseren Umgang mit der digitalen Welt angeht, nur drei Innovationen, die dem Touchscreen-Handy annähernd gleichkommen: die Erfindung der Maus, die der grafischen Benutzeroberfläche und die des grafischen Web-Browsers. Letzterer ermöglichte das World Wide Web, wie wir es heute kennen. Das Touchscreen-Interface des iPhone befreite das WWW dann von seinen Fesseln, entließ es hinaus in die Welt, auf die Straße, in U-Bahnen, auf Schulhöfe. Macs waren nie viel mehr als hübschere PC - auch wenn die Fans des Unternehmens das selbstverständlich vehement bestreiten. Das iPhone aber war ein Paradigmenwechsel.
Diese Idee, dieses Vermächtnis von Steve Jobs wird unsere Welt noch auf Jahre hinaus radikal verändern. In Verbindung mit GPS-Sensoren, Kameras und immer leistungsfähigerer Software werden die kleinen Mobilcomputer unser Leben immer stärker beeinflussen. Die Web-Konzerne, allen voran Google, werden den Globus mit einem unsichtbaren Netz aus Information überziehen. Wir werden nur durch unsere Smartphones blicken müssen, um es zu sehen und zu erkunden. In wenigen Jahren wird all das aus unser aller Alltag nicht mehr wegzudenken sein.
Der Weg dorthin ist vorgezeichnet: Im Moment besitzen mehreren Studien zufolge etwa 15 bis 20 Prozent der Deutschen ein Smartphone. Bald werden es 50 Prozent sein, dann irgendwann 100. Unsere Welt wird dann eine andere sein. In Gang gesetzt hat diese fundamentale Veränderung Steve Jobs mit der ihm eigenen Mischung aus Rücksichtslosigkeit gegenüber Konvention, Hartnäckigkeit, Perfektionismus und Kompromisslosigkeit.
Die Zukunft hat vor vier Jahren begonnen. Es ist traurig, dass ihr Geburtshelfer nicht mehr miterleben wird, wie sie weiter heranwächst.