Streaming-Plattform Hulu könnte zum Ladenhüter werden

Amazon, Google, Yahoo: Die Großen der Web-Welt sollen ihre Gebote für Hulu abgeben, Amerikas legale TV-Streaming-Plattform. Zwei Milliarden Dollar wollen deren Eigner sehen, doch die Zweifel an Hulus Wert wachsen: Was ist deren Ware schon wert, wenn man sie überall kostenfrei bekommt? 
Hulu: Zwei Milliarden Dollar für eine TV-Plattform?

Hulu: Zwei Milliarden Dollar für eine TV-Plattform?

Foto: Anonymous/ AP

Hulu soll verkauft werden. Zwischen einer und zwei Milliarden Dollar könnte die Streaming-Plattform bringen, mutmaßten Analysten im Vorfeld. Hulu selbst orientiert sich eher an der Oberkante dieses Preises. Inzwischen wachsen Zweifel daran, dass die Plattform so viel Geld wirklich wert wäre.

Seit vergangenem Mittwoch nimmt das von den Medienfirmen NBC Universal, Fox Entertainment, Disney-ABC Television und den Risikoinvestoren Providence Equity Partners gemeinsam betriebene Videoportal Gebote entgegen.

Nachdem potentielle Bieter Einblick in die finanziellen Details von Hulu bekamen, gab es offenbar noch Fragen: Am Donnerstag verlängerte Hulu die Abgabefrist für Gebote bis zum Ende der Woche. Grund war wohl, dass entgegen anderslautender Legenden Hulu durchaus noch nicht profitabel sein soll . In US- Medien ist zu lesen , dass die (von Deutschland aus nicht zugänglichen) Hulu-Streams kaum noch von Werbung unterbrochen würden - womöglich funktioniert das werbefinanzierte Modell der Plattform nicht so gut, wie das bislang den Anschein hatte. Prompt begannen Spekulationen zu kursieren, dass es Gebote geben könne, die nicht über 500 Millionen Dollar hinausgehen würden.

Zu dem Preis würde Hulu wohl kaum verkauft. Aber die Bieter haben es ja auch: Yahoo soll stark interessiert sein, so wie Amazon, dass seit einiger Zeit ein Konkurrenzangebot zum in den USA erfolgreichsten internetbasierten Videoangebot Netflix aufbaut. Als aussichtsreichster Kandidat gilt das finanzmächtige Google, als Außenseiter sind daneben weitere in- und ausländische Unternehmen im Rennen. Sie alle bieten um eine Ware, von der nur sehr schwer zu sagen ist, was sie wirklich wert ist.

Was für Hulu und Co. spricht

Satte 80 Prozent aller US-Internetnutzer, sagt die Marktforschungsabteilung der Omnicom-Gruppe, nutzten inzwischen das Internet für Teile ihres TV-Konsums. Omnicom ist mit rund 70.000 Mitarbeitern und einer Milliarde Dollar Jahresprofit eines der größten Werbeagentur-Netzwerke weltweit. Die Internet-Verbindung ist diesen Zahlen zufolge für mehr als 50 Prozent aller Amerikaner ganz selbstverständlich ein Vertriebsweg für Film- und TV-Inhalte.

Dabei konkurrieren - natürlich neben den illegalen Möglichkeiten - vor allem zwei Modelle:

  • das Modell Hulu: Web-basierte Angebote, die vor allem über den Rechner oder andere Web-fähige technische Geräte genutzt werden. Das meiste ist für den Nutzer kostenfrei und durch Werbung finanziert. Teile des Angebots werden als Premium-Dienst vermarktet (z.B. Archivzugänge oder Zugriff auf Inhalte vor deren TV-Erstausstrahlung). Anbieter: Neben Hulu einzelne TV-Sender und Produktionsfirmen, die ausgewähltes Material freigeben.
  • das Modell Netflix: Web-basierte Angebote mit Videotheken-Charakter. Man kauft oder leiht ein Video, dazu gibt es zunehmend auch Live-Angebote, die wie Pay-TV gehandhabt werden. Der Konsum der Videos läuft meist über den Fernseher (Set-Top-Boxen). Anbieter: Netflix, Apple, Amazon, Kabelnetzbetreiber u.v.m.

Zwar ist die Abgrenzung weniger scharf als früher, im Grunde aber geht es hier also weiterhin um die alte Konstellation Pay-TV gegen Free-TV. Netflix hatte in den letzten zwei Jahren einen unerwarteten Boom erlebt - auch wegen des Einzugs von Internetverbindungen in die Unterhaltungselektronik, vor allem bei Flachbild-Fernsehern. Auch Amazon zeigt dort starke Ambitionen, Apple hat sie seit langem - machte aber gerade erst einen Schritt publik, der an der Gangbarkeit mancher Pay-Streaming-Modelle zweifeln lässt: Bei iTunes kann man ab sofort keine TV-Serienfolgen mehr für 99 Cent "leihen", also im Stream ansehen. Weiterhin im Angebot sind dagegen Folgen zum Kauf für 2 oder 3 Dollar - letzterer Preis gilt für die HD-Versionen. Die Leih-Versionen seien nicht populär genug gewesen, teilte Apple mit. Lag das auch an kostenlosen Angeboten wie Hulu?

In den USA ist die Plattform zurzeit auf Platz 50 der populärsten Seiten (Alexa-Ranking). Netflix liegt auf Platz 21, der Rest der legalen Videoangebote allerdings auch schon unter ferner liefen. Beide aber haben zuletzt an Popularität eingebüßt, und das auf eine Weise, die Rückschlüsse darauf zulässt, wie viele Freiheiten der Markt in Bezug auf Preis- und Angebotsgestaltung wirklich bietet.

Was gegen die Streamer spricht: das Verhalten der Nutzer

Bei Hulu gab es einen Einbruch, nachdem Fox die kostenfreie Veröffentlichung seiner Serieninhalte um acht Tage nach hinten verschob. Serien-Fans müssen jetzt eine Woche warten, bevor sie bei Hulu zu sehen bekommen, was sie im TV verpasst haben. Profiteur dieser veränderten Bedingungen sind offenbar P2P-Angebote, die in den letzten Jahren vor allem in den USA massiv an Bedeutung verloren hatten: In einer Medienwelt, in der man Inhalte per Stream "geschenkt" bekommt, erübrigt sich das Klauen.

Doch wehe dem, der Geschenke an Bedingungen knüpft, und sei es nur eine Wartezeit. Die auf Filesharing-Themen spezialisierte Torrentfreak erlaubte sich den Scherz , die Downloadzahlen zweier ausgewählter Fox-Serien vor und nach der Acht-Tage-Verschiebung zu beobachten. Das Ergebnis: Die Downloads der beiden Serien stiegen um 114 und 189 Prozent. Was Internetnutzer nicht sofort geschenkt bekommen, holen sie sich offenbar lieber wieder illegal, statt zu warten.

Auch Netflix erlebte Mitte Juli ein kleines Waterloo, als es den Preis für sein Kombi-Angebot aus DVD-Versand und Internet-Download von 9,99 auf 15,98 Dollar erhöhte . Prompt fiel der Aktienkurs des Unternehmens um gut 30 Prozent, offenbar weil mit dem Abwandern der Kundschaft fest gerechnet wird.

Steigende Nutzerzahlen hin oder her - es bleibt schwierig, mit Film und TV im Web Geld zu verdienen. Jeder Nutzer will seine Ware möglichst nicht nur sofort und in bester Qualität, sondern auch möglichst billig. Jede Form preislicher, qualitativer oder zeitlicher Frustration wird unter Umständen damit geahndet, dass die Nutzer sich ihren Stoff wieder da holen, wo sie ihn wie gewünscht bekommen - bei den Illegalen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren