"Street View" in Großbritannien Google erzürnt die Blairs

Polizisten vor dem Buckingham Palace (November 2003): Diskussion über "unangemessener Inhalte" bei "Street View"
Foto: Carl de Souza/ AFPWo sie auftauchen, gibt es Verdruss. Für den Dienst "Street View" fotografieren die Spähautos des Suchmaschinenriesen Google längst nicht mehr nur Ortschaften in den USA. Auch für Japan, Australien, Neuseeland, Frankreich, Spanien, Italien und die Niederlande gibt es den Dienst, der 360 Grad-Panoramaaufnahmen von ganzen Straßenzügen zeigt. Seit dieser Woche sind auch 25 Städte in Großbritannien dabei - und prompt kommt es zu Protesten.
Gleich nach dem Start musste Google der BBC zufolge mehrere Dutzend Aufnahmen aus dem Street-Repertoire löschen. Ein Sexshop-Kunde im Londoner Stadtteil Soho fand sich ebenso ungern auf den Fotos wieder wie ein erbrechender Zecher nahe einem Pub in Shoreditch - von einem möglichen Delinquenten in Camden ganz zu schweigen, der gerade mit der Polizei zu tun hat. Der "Independent on Sunday" berichtet sogar von nackten spielenden Kindern, die bei einem Sommerpicknick in der Nähe einer Ministerwohnung fotografiert worden seien.
Nun ist an Stelle der inkriminierten Aufnahmen einstweilen nur ein schwarzer Bildschirm zu sehen - mit einem Hinweis darauf, dass das gewünschte Bild nicht mehr zugänglich ist. Eigentlich hilft ein Algorithmus dabei, dass für "Street View" fotografierte Menschen auf den Ansichten unkenntlich gemacht werden - aber er funktioniert nicht immer. Ein winziger Bruchteil der Bilder habe deshalb auf Wunsch der Nutzer zurückgezogen werden müssen, sagte eine Konzernsprecherin.
Meldung "unangemessener Inhalte" möglich
"Street View" bietet eine einfache Möglichkeit, Fotos zu melden. Unter den möglichen Begründungen finden sich Bedenken wegen der Privatsphäre, aber auch die Meldung "unangemessener Inhalte". Beschwerdeführer in Großbritannien ist auch Ex-Premier Tony Blair. Er und seine als resolut bekannte Ehefrau Cherie beklagten sich, dass ihr Heim am Connaught Square in Londons Stadtteil Westminster klar zu erkennen sei. Auf den Bildern sind sogar zwei Polizisten zu sehen (siehe Fotostrecke).
Im Gegensatz dazu ist die Gegend um den Amtssitz von Blairs Nachfolger Brown, die Downing Street, mittlerweile geschwärzt. Auch beim Blick auf das Hauptquartier des Geheimdienstes MI6 tun sich Lücken auf.
Und längst nicht alle Probleme dürften bereits behoben sein. Auf Webseiten britischer Zeitungen sind zum Beispiel ungepixelte Google-Bilder von Schulkindern zu sehen. Auch mehrere Bilder von klar lesbaren Nummernschildern gibt es.
Eine Sprecherin der britischen Datenschützer vom Information Commissioner's Office (ICO) sagte, man werde mögliche Probleme mit "Street View" genau untersuchen. Briten, die sich bei Google über die Verwendung ihres Bildes beschweren und nicht ihren Wünschen entsprechend behandelt werden, könnten sich an das ICO wenden. Es sei Googles Verantwortung, dass alle Gesichter in angemessener Weise unkenntlich gemacht werden.
Es ist keineswegs das erste Mal, dass "Street View" Proteste provoziert. Schon in den USA gab es gleich nach dem Start Kritik, Nutzer stellten Fundstücke aus (siehe Fotostrecke).
In den USA entschied dann ein Gericht vor einigen Wochen, dass Googles Mega-Fotoaktion nicht in die Privatsphäre von Hausbesitzern eingreift. Ein Bundesrichter wies eine Klage ab, die unter anderem auf Hausfriedensbruch und Verletzung der Privatsphäre lautete. Auch den Vorwurf, Google bereichere sich auf Kosten anderer, fand vor Gericht keine Zustimmung. Die Kläger hätten nicht glaubhaft machen können, dass ihnen durch das Google-Foto ein Schaden entstanden sei, erklärte der Richter.
In Deutschland ist "Street View" noch nicht an den Start gegangen. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Kamerawagen haben genau wie in den anderen Ländern, in denen der Dienst bereits angeboten wird, auch hierzulande bereits Millionen von Fotos gemacht, unter anderem in München, Berlin, Hamburg, Bremen und Essen. Dagegen hat sich Widerstand geregt, der in der schleswig-holsteinischen Gemeinde Molfsee bei Kiel besonders stark ausfiel.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar nannte das Google-Projekt im vergangenen Jahr "bedenklich". Er kritisierte, dadurch würden persönliche Lebensumstände noch intensiver ausgeleuchtet - und musste doch eingestehen: "Wenn jedoch wirklich keine Menschen mehr identifizierbar sind und Kfz-Kennzeichen nicht erkannt werden können, habe ich keine datenschutzrechtlichen Bedenken dagegen, dass Bilder, die von einer öffentlichen Straße aus gemacht wurden, im Internet veröffentlicht werden."
Ein Teil der britischen Internetszene amüsiert sich derweilen köstlich über die neuen "Street View"-Bilder. Unter den absoluten Favoriten auf der Insel ist ein Bild aus Coventry. Hier hat ein Google-Kameraauto ein anderes fotografiert. Wegen eines technischen Defekts musste es gerade repariert werden.