Streit um Bildhoheit Sportveranstalter auf Fanvideo-Hatz
Fans des TSV Sasel haben in dieser Spielzeit eine Menge Freude an ihrem Team. Nach einigen ziemlich durchwachsenen Jahren steht die Mannschaft aktuell auf Platz vier ihrer Landesliga. Kein Wunder, dass der Verein den Helden vom Parkweg 14 inzwischen nicht nur eine eigene Webseite gönnt, sondern sogar eine mit Video-Sektion.
Wer die Begegnungen verpasst hat, kann sich dort noch einmal Highlights aus den denkwürdigen Spielen gegen Wilhelmsburg (2:0) und Concordia II (3:0) ansehen. Auch Szenen aus dem eher enttäuschenden Spiel gegen Bramfeld (0:0) sind im Angebot. Die norddeutschen Amateur-Kicks lassen sich natürlich auch anderenorts finden - unter anderem bei Hamburg1, TV Berlin Video und der Technik-Seite Toms Hardwareguide - YouTube braucht man gar nicht zu erwähnen.
Denn dort ist grundsätzlich alles Mögliche zumindest für kurze Zeit zu sehen. Immer häufiger aber schlägt bald der Zensor zu und killt die von Nutzern eingestellten Videos - vor allem, wenn es um Fußball geht.
Denn Deutschlands Ball-Mächtige wehren sich seit etwas über einem Jahr mit zunehmender Heftigkeit gegen die Kameramann-Ambitionen der Fans. Bereits im Oktober 2006 feuerte die Deutsche Fußball Liga (DFL) einen Warnschuss ab und forderte YouTube auf, mehrere Hundert Laien-Mitschnitte zu entfernen. YouTube löschte die Clips aus den Datenbanken, obwohl die Rechtslage alles andere als klar ist.
Die Kernfragen: Wem gehört ein öffentliches Ereignis? Gibt es neben der Pressefreiheit auch eine Freiheit des filmenden Fans oder Bürgers? Und wo ist die Schwelle, ab der eine unschuldig-laienhafte Internetveröffentlichung zum Rundfunk wird? Was ist heute Rundfunk?
So sehen solche Highlights aus:
Beispiel Elferschießen TuRa 06 gegen Jöllenbeck
Im Falle der Profi-Ligen scheinen die Antworten klar. Jahr für Jahr verhökern die Sportverbände die Sendelizenzen für ihre Groß-Events. Andere Kameraschwinger müssen sich da ganz hinten anstellen, einkaufen oder mit Häppchen zufriedengeben. Bisher galt das allerdings nicht für Fans, die ihre Wackelwerke gern auch beim Fußball-Stammtisch am Dienstag nach dem Spiel vorführten. Seit sie diese jedoch über das Web anbieten, reagieren die Clubs immer grantiger.
Immerhin: Wenn ein Ereignis den Charakter einer geschlossenen Veranstaltung hat, sieht das auch der gemeine Fan ein. Was aber, wenn Lobbygruppen wie Ligaverbände pauschal auch das Recht an Bildern beanspruchen, die ohne Fan-Mithilfe gar nicht entstehen würden? Muss auch Papa auf dem Bolzplatz befürchten, die Agenten der Sportvideo-Fahnder von NetResult im Nacken zu haben, wenn er Sohnemann im Tor der A-Mannschaft filmt? Gut möglich.
Die Londoner Agentur hat sich darauf spezialisiert, für Sportveranstalter auf die Fanvideo-Hatz zu gehen. Auf der Kundenliste steht neben Golf- und Tennisverbänden, der UEFA, NBA, Fifa, Premier League und dem IOC seit Ende vergangenen Jahres als deutscher Trendsetter auch die DFL.
Zugriff im öffentlichen Raum
Jetzt kommt offenbar auch der Deutsche Fußballbund DFB auf den Geschmack. Eine aktuelle Klage des Württembergischen Fußballverbandes gegen das Videoportal Hartplatzhelden zeigt, die die Zukunft aussehen könnte: Die Verbände und Ligen greifen nach der absoluten Bildhoheit im öffentlichen Raum. Die Begehrlichkeiten des kommerziellen Profi-Sports (die DFL ist eine GmbH) sind auch dem, was einmal Breitensport hieß, ein Vorbild.
Denn das Internet hat nicht nur den filmenden Fans neue Möglichkeiten eröffnet, sondern auch den Vereinen und Verbänden. Internet-TV verspricht, irgendwann auch Spiele des FC Fischbach filmisch vermarkten zu können. Leidlich prominent ist der Club aus der Kreisliga Pirmasens Ost im Moment, weil Dominik Erdmann beim 4:0 gegen den TUS Leimen einen wunderhübschen Distanzschuss so gekonnt ins Netz hämmerte , dass er immerhin auf Platz drei beim aktuellen "Amator des Monats" landete.
Amator, das ist kein Schreibfehler: Seit 2003 veröffentlichen auf der Seite www.amator-des-monats.de - ursprünglich als regionales Angebot in Hessen begründet - Fans ihre schönsten, sonst garantiert nirgendwo zu sehenden Treffer.
Bisher blickte die Profi-Fußballwelt fast ausschließlich auf die beiden höchsten Ligen. Das könnte sich bald ändern. Die Klage des Württemberger DFB-Verbandes definiert Web-Angebote mit Laienvideos wie denen bei Hartplatzhelden kurzerhand zum Rundfunk um. Klagewürdig erscheint den Verbandsfürsten das Web-Angebot deshalb, weil man für "Fernseh- und Hörfunkübertragungen" doch vergütungspflichtige Verträge abzuschließen habe. Über die verfügen die Hartplatzhelden aber nicht.
So ist das wohl - aber sind die Hartplatzhelden ein Rundfunksender?
Der Rundfunkbegriff geht Schwimmen
Der Gesetzgeber sah das bisher anders. In vordigitaler Zeit war der Begriff an die Verbreitungsform der Rundfunkwelle gebunden. Im aktuellen Rundfunkstaatsvertrag klingt das so:
"Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters."
(RStV § 2)
Inzwischen hat diese Definition an Trennschärfe verloren. Spätestens seit dem sogenannten fünften Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist der Begriff dynamisch definiert: Nicht mehr die Übertragungstechnologie ist maßgeblich, sondern der Charakter der Ausstrahlung.
Definierendes Element ist hier die Gleichzeitigkeit, wie sie beim Fernsehen, beim Kabelfernsehen und Nischenformen wie dem Pay-TV gegeben ist. Ein Anbieter versorgt zeitgleich ein disperses, das heißt räumlich getrenntes Publikum. Für den Konsum medialer Inhalte durch ein auch zeitlich getrenntes Publikum, das also ganz individuell und "on demand" mediale Inhalte zum Konsum auswählt, hat man hierzulande den Begriff der Teledienste gewählt.
Inzwischen aber ist alles im Fluss. Zum einen, weil das Erreichen eines größeren Publikums mit audiovisuellen Inhalten heute jedermann möglich ist. Zum anderen, weil der Rundfunk selbst zum Teledienst mutiert.
Kann Web Rundfunk sein?
Denn streng definitorisch sind die Web-Aktivitäten beispielsweise der öffentlich-rechtlichen Sender kein Rundfunk. Sie dienten ihnen aber erfolgreich als Argument, um den Anspruch auf eine Rundfunkgebühr für Computer und Handys durchzusetzen. Spätestens, seit dies gelang, kann von einem stabilen Rundfunkbegriff keine Rede mehr sein.
Wohin das führt, bekommen die Hartplatzhelden gerade zu spüren. Rundfunk war seit Erfindung des Radios ein Privileg, das per Lizenz an bestimmte Anbieter vergeben und von diesen kräftig zu Geld gemacht wurde. Diese Pfründe sind durch das Internet direkt gefährdet. Und die Player dieser über Jahrzehnte etablierten Verwertungskette wollen sich ihre Privilegien für die Zukunft sichern und ausweiten. Wenn das Web - anders als der begrenzte Frequenzraum - schon die Übertragung von allem ermöglicht, dann will man dabei mitkassieren.
Wichtiger: Sollte das Web Rundfunk sein?
Der bisher genutzte Rundfunkbegriff reicht nicht mehr, solche Begehrlichkeiten genügend einzugrenzen. Es braucht andere Definitionen. Auch eine bloße numerische Größe würde hier nicht reichen: Der Verweis auf die Größe des kumulierten Publikums ist zu schwammig.
Und der Aspekt der Kommerzialität? In der Welt von IPTV und on-demand-Videos wird es kommerzielle Anbieter geben, die kleinste Zielgruppen bedienen. Auf der anderen Seite hat jeder Wohnzimmersänger die Chance, via YouTube ein Millionenpublikum zu erreichen.
Vielleicht ist die Zeit des Rundfunks einfach vorbei. Es gibt keinen limitierten Frequenzraum mehr, den man regulieren und aufteilen müsste. Natürlich muss es Grenzen geben in Bezug auf das, was man zeigen kann und was nicht, doch die sind durch das Recht ja auch gezogen. Dass ansonsten der Organisator einer geschlossenen Veranstaltung Regeln setzen kann, die zum Beispiel ein Kameraverbot beinhalten, ist ebenfalls legitim.
Dass aber Lobbygruppen Anspruch auf die Bildhoheit im öffentlichen Raum erheben, kann nicht angehen. Denn die durch das Internet erst ermöglichte Publikationsfreiheit ist vor allem eines: eine enorme Chance.