Streit um Online-Engagements Springer-Chef heizt Debatte über Werbeverzicht bei ARD und ZDF an

Springer-Chef Mathias Döpfner setzt sich im Streit um den Rundfunkstaatsvertrag zwischen alle Stühle: Anders als die meisten anderen Verlage will Springer ARD und ZDF im Web gewähren lassen - wenn sie dafür auf TV-Werbung verzichten. ARD-Chef Fritz Raff hält das für unannehmbar.

Hamburg - Im Streit um die Expansion von ARD und ZDF im Internet schert Springer-Chef Mathias Döpfner aus der bisherigen Position der Verlage aus. Der Entwurf für einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag, auf den sich die Ministerpräsidenten vergangenen Donnerstag verständigt hatten, sei auf Dauer nicht handhabbar, sagt Döpfner im SPIEGEL. Der Kompromiss, der nach bisheriger Lesart den Öffentlich-Rechtlichen eine "elektronische Presse" untersagen würde, beschränke ARD und ZDF inhaltlich im Internet

Döpfner: "Neue Medien aber brauchen mehr Kreativität und Freiheit, nicht Beschränkung. Das entspräche nicht meinem Verständnis von Pressefreiheit." Es sei "lebensfremd, wenn man eine neu entstehende multimediale Welt durch Überwachungsgremien und Abmahnungen regulieren will."

Stattdessen plädiert der Springer-Chef nun für einen völlig neuen Ansatz: "Ich glaube, es gibt nur einen ordnungspolitisch sauberen und vor der EU-Kommission vertretbaren Weg: ARD und ZDF dürfen im Internet inhaltlich tun und lassen, was sie wollen - und verzichten dafür im Netz, aber auch im TV und allen anderen Kanälen auf Werbung, Sponsoring oder E-Commerce und finanzieren sich nur aus Gebühren."

Der eigentliche Gegner im Netz seien nicht die öffentlich-rechtlichen Sender: "Mit einer klaren, freiheitlichen Lösung könnten wir uns um die echten Herausforderungen kümmern. Das sind nicht ARD und ZDF, sondern Google und Yahoo."

Alte Debatte, erprobte Argumente

Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff weist Döpfners Vorschlag im SPIEGEL zurück: "Einen Werbeverzicht halte ich für ungeeignet. Das würde eine Gebührenerhöhung von 1,42 Euro im Monat nötig machen. Das will im Moment niemand aufbringen." Der Preis des Werbeverzichts sei zu hoch - vor allem in Zeiten, in denen die Zahl der Gebührenzahler zurückgehe.

Die Zahlen für seine Argumentation muss Raff kaum nachschlagen: Er hat sie präsent, denn die Debatte über einen Werbeverzicht von ARD und ZDF ist nicht neu. Die letzten Meilensteine dieser bisher fruchtlosen Dauer-Diskussion: Im Juli 2004 legte die FDP ein Positionspapier vor, in dem für einen "mittelfristiger" Ausstieg aus Werbung und Sponsoring argumentiert wurde. Der Schleichwerbeskandal um Product-Placements in öffentlich-rechtlichen Produktionen heizte die Diskussion weiter an. 2005 befürworteten aber nur FDP und Teile der CDU einen Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen aus dem Werbemarkt. ARD und ZDF hielten mit dem Argument drohender Gebührenerhöhungen dagegen.

Im September 2007 brachte die Medienkommission der SPD das Thema erneut ins Spiel. Die Partei hatte ihre Position gewechselt, fand Unterstützung unter anderem beim Privatsender-Verband VPRT. ZDF-Intendant Markus Schächter beantwortete Forderungen nach einem Werbeausstieg im Februar 2008 damit, dass dies zu einer Erhöhung der Rundfunkgebühren "um 1,42 Euro" führen werde - die gleiche Zahl nannte nun Raff im Gespräch mit dem SPIEGEL.

ARD-Chef Raff sieht in dem gegenwärtigen Rundfunkstaatsvertrags-Entwurf der Politik die Gefahr, dass sich Verlage und Öffentlich-Rechtliche am Ende über die Auslegung schwammiger Formulierungen wie "elektronische Presse" vor Gericht auseinandersetzen: "Es steht zu befürchten, dass es permanent zu Rechtsstreiten kommt. Ich warte darauf, dass ein Gericht anordnet, dass wir die erste Information aus dem Netz nehmen. Dann wissen wir, wo Karlsruhe liegt", so Raff. "Ich kann die Politik nur davor warnen. Rechtsstreitigkeiten in Fragen der Pressefreiheit halte ich für gefährlich."

Die Gegner einer Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Online-Engagements sehen das anders: Die Neufassung der Definition des Begriffes "elektronische Presse", den die Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche vorlegten, sei erheblich präziser als bisher. Der Vertragsentwurf definiert nun, dass "ein presseähnliches Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien" seien, sondern "alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen und Zeitschriften entsprechen".

Ganz klar wird der Entwurf, wenn es um das Ziehen von Grenzen geht: Presseähnliche Angebote "sind unzulässig", wenn sie "nicht sendungsbezogen" seien. Was das bedeutet, hatte Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Koordinator der Medienpolitik der Unionsländer, am Tag vor der Ministerpräsidentenrunde am 12. Juni in einfachen Worten auf den Punkt gebracht.

Oettinger: "Wenn zum Beispiel in einer Tagesschau-Sendung über zehn Themen berichtet wird, dann dürfen auch nur diese online abgebildet werden. Aber nicht die 30 anderen Themen, die es nicht ins Fernsehen geschafft haben."

Springers TV-Interessen

Die Axel Springer AG ist längst kein reines Verlagshaus mehr: Neben dem Verlagsgeschäft hat sie in den letzten Jahren versucht, mit einem ausgebauten Digitalgeschäft und Beteiligungen an TV-Sendern zusätzliche Standbeine auszubauen. Eine geplante Übernahme der Sendergruppe ProSiebenSat.1 scheiterte jedoch am Einspruch der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK).

Springer hält rund zwölf Prozent der Aktien der Sendergruppe, daneben jeweils 27-prozentige Anteile an den Ballungsraum-Sendern Hamburg1 und TV.Berlin sowie 25 Prozent an der türkischen TV-Gesellschaft Dogan TV. Die Entscheidung der KEK gegen eine Übernahme von ProSiebenSat1 will Springer gerichtlich prüfen lassen, um Rechtssicherheit für die Möglichkeit künftiger Engagements zu gewinnen.

Während Springer Expansionsmöglichkeiten für sein Printgeschäft vor allem im Ausland sieht, forciert der Verlag sein elektronisches Geschäft mit Online-Portalen, Web-Marketingfirmen und technischen Dienstleistern, beispielsweise im IPTV-Bereich. Eine Ausweitung der Engagements im TV-Bereich liegt derzeit auf Eis, entsprechende Pläne existieren aber wohl noch.

pat

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