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Online-Zeitreise: So sehen die VZ-Netzwerke heute aus

Foto: meinvz.net

Soziale Netzwerke Was wurde eigentlich aus StudiVZ?

Die VZ-Netzwerke waren in Deutschland mal die Nummer eins unter den sozialen Netzwerken. Millionen Nutzer ließen sich bei StudiVZ "gruscheln" und chatteten im "Plauderkasten". Und heute?

"Es ist wie eine Stadt voller Zombies", schreibt uns ein Nutzer, der sich noch immer regelmäßig bei StudiVZ einloggt. Einst waren bei StudiVZ, SchülerVZ und MeinVZ etwa 16 Millionen Leute aktiv . Kein soziales Netzwerk in Deutschland hatte mehr Mitglieder als die VZ-Gruppe, selbst Facebook kam zu dieser Zeit nur auf etwa 11 Millionen deutsche Nutzer . Das war vor mehr als fünf Jahren - seitdem hat Netzwerk rasant an Bedeutung verloren.

Als Zombie-Stadt würden die Betreiber ihr Angebot wohl trotzdem nicht bezeichnen: Sie nennen es die "größte WG Deutschlands". So steht es jedenfalls in der Begrüßungsnachricht, die jeder Nutzer nach einer neuen Registrierung im Posteingang findet - anmelden kann man sich bei StudiVZ und MeinVZ noch immer. Scheintote gibt es auf den Netzwerken trotzdem: Viele Profile wurden seit Jahren nicht mehr aktualisiert.

Eigentlich ist StudiVZ nur für Studierende gedacht, MeinVZ für alle anderen. Trotz dieser Trennung sind die Netzwerke verknüpft, sodass sich Nutzer plattformübergreifend austauschen können. Das dritte Netzwerk - SchülerVZ - gibt es dagegen nicht mehr: "Es ist vorbei", heißt es auf der Website schuelervz.net . "SchülerVZ wurde am 30. April 2013 geschlossen. Für immer."

Aus den Top 20 gerutscht

Die verbliebenen VZs haben heute nach eigenen Angaben noch neun Millionen registrierte Nutzer, davon sei eine Million aktiv - vor allem Menschen zwischen 25 und 45 Jahren. Zum Vergleich: Bei Facebook ist in Deutschland mit etwa 28 Millionen aktiven Nutzern  zu rechnen.

In der Statistik der beliebtesten sozialen Netzwerke in Deutschland sind StudiVZ und MeinVZ nicht einmal mehr unter den Top 20 . Von den einst 300 Mitarbeitern  sind nach aktuellen Angaben nur noch etwa 15 übrig, einige seien als Freiberufler beschäftigt. Man arbeite auf Start-up-Basis, sagt Chefin Agneta Binninger.

Auf ihrem Blog gibt sich die Betreiberfirma Poolworks kämpferisch. "Auch wenn es anders lautende Gerüchte geben mag: Wir sind da! Bleiben! Und gehen wieder in eine neue Runde!", heißt es in einem Blogeintrag vom März 2014  - das Blog wurde damals neu eingerichtet. Im selben Blogeintrag versprechen die Betreiber der damals schon stark geschrumpften Nutzerschaft: "Hier möchten wir euch mit auf eine Reise in die Zukunft nehmen!"

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Online-Zeitreise: So sehen die VZ-Netzwerke heute aus

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Wer sich bei den VZ-Netzwerken einloggt, erlebt aber eher eine Reise in die Vergangenheit. StudiVZ  ist noch genauso pink, MeinVZ  genauso orange wie früher. Zwar hat es mittlerweile ein Design-Update gegeben - Nutzer müssen es aber erst per Button aktivieren.

Auch die sogenannte "Gruschel"-Funktion gibt es noch. "Gruscheln" ist ein Kunstwort, es bezeichnet einen digitalen Gruß, der sich per Mausklick an andere Nutzer schicken lässt. Einen Inhalt hat der Gruß aber nicht: Der "gegruschelte" Nutzer erhält lediglich die Nachricht "Du wurdest gegruschelt" und kann seinerseits mit einem Mausklick "zurückgruscheln".

Flirten und Cybersex

Wer nicht gerade mit Gruscheln beschäftigt ist, tauscht sich in Gruppen aus - einige sind seit Jahren aktiv. Besonders beliebt sind beispielsweise die Gruppen "Warum ich grinse? Kopfkino!" und "Du darfst mich ansprechen! Der VZ-Single-Treff".

Flirten und Kennenlernen gehörten zu den Dingen, die vielen Nutzern von StudiVZ und MeinVZ heute offenbar besonders wichtig sind. Auf den Profilseiten einiger aktiver Nutzer sind zahlreiche erotische Gruppen verzeichnet. Einige wie "Einschlafen ohne Kuscheln ist scheiße" klingen eher harmlos. Bei anderen wie "Brüste zeigen", "Ich mag Poposex" oder "Das klingt versaut, ich bin dabei!" geht es schon mehr zur Sache.

"Es haben sich hier schon einige Paare gefunden, es gab schon Hochzeiten und ich weiß von mindestens einem Kind", schreibt uns eine Nutzerin aus einer eher gemäßigten Flirt-Gruppe. Was ihr besonders gefällt: Die Zahl der aktiven Nutzer sei überschaubar. Man treffe täglich dieselben Leute und wisse, wer zu welchen Zeiten online ist.

"Wie ein Zweisitzer aus den Neunzigern"

Der geschützte Raum lockt aber - wie wahrscheinlich jedes größere soziale Netzwerk - auch weniger freundliche Nutzer an. Einige Gruppen seien schon durch Beleidigungen kaputtgegangen, berichtet eine Nutzerin. Ein anderer schreibt: "Wenn ich Langeweile habe, lese ich mir durch, wie sich die Fake-Nutzer und Trolle gegenseitig das Leben schwer machen."

Zu Facebook wechseln wollen die VZ-Nutzer, die wir interviewt haben, allerdings nicht. Das alte Netzwerk sei persönlicher - einige empfinden es sogar als familiär. "Das VZ fühlt sich an wie ein gebrauchter Zweisitzer aus den Neunzigerjahren", fasst ein Nutzer zusammen. "Auch wenn er schlechter ist als ein fabrikneuer Kombi, macht es mehr Spaß, ihn zu fahren."

Auf Dauer soll es bei dem "gebrauchten Zweisitzer" aber nicht bleiben. Derzeit arbeiten die Betreiber an neuen Projekten, wie die seit 2014 amtierende Chefin Agneta Binninger verrät: "Die Nutzer können sich auf etwas Neues freuen, wir werden sie rechtzeitig informieren." Was genau mit den Netzwerken passieren soll, will die VZ-Chefin noch nicht verraten.

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