Zehn Jahre nach der Gründung steht Google synonym für die Suche im Internet. Gesucht und gefunden wurde dort aber schon lange vorher. SPIEGEL ONLINE beleuchtet die Netz-Welt vor Google: von Veronica über Gopher bis zu den ersten Web-Suchmaschinen.
Eigentlich war ja alles gar nicht so gemeint: Als Tim Berners-Lee ab 1989 daran ging, mit dem http-Protokoll und dem darauf aufsetzenden World Wide Web ein Hypertext-fähiges Netzwerk zu schaffen, hatte er nur die Bedürfnisse der Forscher am Schweizer Forschungszentrum Cern im Blick. Ihnen wollte er ein plattformübergreifendes Kommunikations- und Informationsnetzwerk zur Verfügung stellen, über das die ins Kraut schießende, per Rechner abrufbare Informationsfülle der Institute bequemer zugänglich werden sollte.
Die Sache sprach sich schnell herum in den damals informierten Kreisen, und schnell stieg die Zahl der Web-Server in aller Welt. Fast zwangsläufig wurde Berners-Lee so nicht nur zum Vater des WWW, sondern auch zum Schöpfer und Betreiber des ersten echten und wahrscheinlich letzten wirklich vollständigen Web-Katalogs. Berners-Lees 1991 veröffentliche "Virtual Library" der weltweiten Web-Server wurde so zum Ur-Yahoo.
Bereits Ende 1992 gab Berners-Lee den Versuch wieder auf, wirklich jeden einzelnen WWW-Server erfassen zu wollen.
Seine letzte Liste umfasste 29 Einträge, hinter jedem einzelnen verbargen sich zum Teil mehrere weitere WWW-Server: Klar, dass der vielbeschäftigte Wissenschaftler die Fleißarbeit am Katalog da aufgab und sie anderen überließ.
Die Vor- und Frühzeit der öffentlichen Computernetze generierte zahllose solche Geschichten, die in Rückschau als niedliche Anekdoten erscheinen. Es war eine Phase, die von Akademikern und Überzeugungstätern geprägt war - noch lag der Gedanke fern, mit Dienstleistungen wie Internet-Suche Geld verdienen zu können oder zu wollen. Das Internet, dessen Grundelemente ab Ende der sechziger Jahre zunächst als militärische und universitäre Netze entstanden waren, blieb bis Mitte der Neunziger eine höchst elitäre Veranstaltung.
Die Notwendigkeit, im Datenwust Orientierung zu schaffen, wurde jedoch schon erkannt, als man noch theoretisierend über die Möglichkeit solcher Netze nachdachte. Bereits früh schälten sich zwei grundsätzliche Ansätze heraus, der wachsenden Informationsfülle Herr zu werden: Auf der einen Seite stand der Grundgedanke des Katalogs, auf der anderen der des Indexierungsprogramms.
Mit der Indexierung von Inhalten hatten sich bereits zahllose Generationen von Bibliotheksfachleuten beschäftigt. An der Schwelle zum Computerzeitalter aber wurde klar, dass das Vorhalten von Informationen in Datenbanken etwas völlig anderes sein würde, als Bücher und andere Druckwerke zu lagern und deren Inhalte auffindbar zu machen.
Pioniere und Vordenker
In einem berühmten Artikel in der Zeitschrift "Atlantic Monthly" hatte Vannevar Bush bereits 1945 das Kommen der Netzwerke und des Hypertextes ("Memex") antizipiert. Fünfzehn Jahre später begann in den USA der deutschstämmige Informatiker Gerard Salton an intelligenten Netzwerk-Strukturen zu arbeiten ("SMART informational retrieval system"), deren Wert vor allem in der Indexierung der darin enthaltenen Informationen liegen sollte. Zugleich plante Ted Nelsons sein nie vollendetes "Xanadu"-Netzwerkprojekt, dessen Kernelement in der Verknüpfung der Inhalte miteinander lag ("Hypertext"). Nelson erträumte sich einen Informationsraum, in dem alles mit allem verbunden sein sollte.
Das frühe Internet unterschied sich deutlich von dieser Vision. FTP, der anfänglich weitestverbreitete Dienst des Netzes, leistete wenig mehr, als Datei-Downloads unter festen Adressen anzubieten. Um Inhalte zu finden, brauchte man entweder konkrete Hinweise, wo genau man etwas finden konnte oder systematisch strukturierte Dateiverzeichnisse in Listenform, die man dann nach Inhalten durchsuchen musste. Einziger Hinweis auf die Inhalte solcher Downloads waren die Datei- und Verzeichnisnamen, und genau die erschloss dann auch die erste eigentliche Suchmaschine für das Internet: Archie ging 1990 online und stellte einen enormen Fortschritt dar.
Schon 1991 folgte Veronica, die nicht nur Dateinamen erfasste, sondern zumindest versuchte, auch in Dokumenten (natürlich nur Texten) nach den vom Nutzer verlangten Stichwörtern zu suchen. Das versuchten im gleichen Jahr auch die Entwickler des Gopher-Protokolls, das kurzzeitig große Popularität erlangte - es machte FTP-Verzeichnisse leichter durchsuchbar.
Gopher stützte sich auf eine eigene Browser-Software, die im Verbund mit einer Gopher-Schnittstelle auf Serverseite Ordnung in den FTP-Dateiwust bringen sollte: Gopher war in der Lage, auf Anfrage FTP-Downloadlisten zu erstellen und darzustellen. Damit war Gopher der Eingang in eine NetzwWelt, in der zumindest der Überblick über Inhalte auf Seiten frei generiert wurde - auf so etwas hatten viele gewartet. Für ein kurzes Jahr flossen großzügige Mittel in Gopher-Projekte: Das ambitionierteste davon war wohl LC MARVEL, die "Library of Congress Machine-Assisted Realization of the Virtual Electronic Library".
Die interne Mitteilung vom 7. Oktober 1993 findet sich noch immer in einer Gopher-Version im Netz.
Parallel dazu gab die Kongressbibliothek eine
stolze Pressemitteilung zu dem Thema heraus. Interessant daran ist heute vor allem die Umständlichkeit, mit der dieses exotische, neue und weltweite Informationsmedium eingeführt wird: "Das neue System kann über das weltweite Computernetzwerk, das als Internet bekannt ist, erreicht werden." Und zwar ganz einfach: Per Telnet-Direktverbindung, wonach man sich mit einem öffentlich zugänglichen Passwort einloggen konnte und vollen Zugriff auf die kärglichen Informationen bekam - soweit man das Glück hatte, eine der zehn zur Verfügung stehenden Telnet-Schnittstellen offen zu erwischen. Denn mehr als zehn Personen zur gleichen Zeit konnten dieses weltweite Angebot des US-Kongresses nicht nutzen.
Die erste echte WWW-Suchmaschine
Gopher ist das letzte Stück dieser Web-Vorläuferwelt, das noch immer aktiv ist: Der Browser Firefox bietet den Dienst noch immer an (Internet Explorer nicht). Mit ihm lässt sich darum auch noch immer die Veronica-Suche unter Gopher nutzen. Ein witziger Blick in die Web-Vergangenheit: Schon lustig, was man damit
alles nicht findet . Endgültig deaktiviert wird Gopher voraussichtlich mit der Firefox-Version 4.
Doch die Zeit solcher umständlicher Lösungen ging rapide ihrem Ende entgegen. Der umgehende Erfolg des WWW-Modells sorgte für eine regelrechte Explosion der Zahl der online verfügbaren Inhalte - selbst vor dem Zeitpunkt der Öffnung des WWW für die Öffentlichkeit.
Bereits 1993 lieferte der World Wide Web Wanderer eine erste Lösung für das Problem: Der Wanderer war die erste echte Crawler-Suchmaschine für das WWW - auch, wenn sie zunächst nur Adressen von Dokumenten sammelte.
Die Suche löste sich von den Beschränkungen der Verzeichnisse. Man musste nicht mehr wissen, wo man etwas suchen sollte - das erledigte der Bot.
Besser als der Wanderer schaffte dies die Suchmaschine Aliweb. Sie indexierte auch die Inhalte der Seiten - allerdings nur, wenn man ihr vorher mitteilte, wo diese zu finden waren und wie diese Inhalte aussahen: Man lieferte quasi den Index in Form von Stichworten (Metatags) selbst. Aliweb fand eine Menge Beifall - und kaum Nutzer oder Webmaster, die die Maschine mit Seiten fütterten. Der World Wide Web Worm versuchte die Indexierung bald darauf im Alleingang: Der Bot erfasste immerhin Adressen und Seitentitel.
Diese und andere frühe Bots zeigten allerdings auch schnell, dass das neue Web ganz neue Probleme mit sich bringen würde: Anders als FTP, Gopher und Co entwickelte das WWW quasi aus sich heraus einen unersättlichen Hunger nach Bandbreite. Weil die Crawler-Bots ihre Ziel-Web-Seiten teils mehrere hundertmal am Tag ansteuerten und indexierten, entstand eine ganz neue Form des Auto-Verkehrs: Die Server begannen, ohne Unterlass miteinander zu kommunizieren.
Die erste Reaktion von Seiten vieler Server-Betreiber mutet heute völlig aberwitzig an: Sie blockierten ihre Server für Crawler und Bots, entsprechende "Diese Seite bitte meiden!"-Tags standen bald schon in den für Web-Leser nicht sichtbaren Header-Informationen zahlreicher Web-Seiten. Es war 1993, Tim Berners-Lee gab das WWW-Protokoll unpatentiert zur allgemeinen Verwendung frei - und noch immer hatte niemand eine Vorstellung davon, was nun innerhalb von nur zwei Jahren beginnen sollte: Die größte Revolution der Medienwelt seit Einführung des Fernsehens.
Möglich wurde die vor allem durch immer bessere Suchmaschinen. Schon standen die ersten Entwickler und Unternehmen mit Weitblick in den Startlöchern, und alle einte ein Plan: Das zu schaffen, was Google erst Jahre später gelingen sollte - mit dem Stochern im Web sehr viel Geld zu verdienen.
Googles Geschichte
Angeblich konnten Larry Page und Sergey Brin einander erst einmal nicht besonders gut leiden, als sie sich im Jahr 1995 zum ersten Mal trafen. Der 24-jährige Brin war übers Wochenende in Stanford zu Besuch, der 23-jährige Page gehörte angeblich zu einer Gruppe von Studenten, die Besucher herumführen mussten. Der Legende nach stritten Brin und Page ununterbrochen miteinander.
Die erste Suchmaschine, die Page und Brin gemeinsam entwickelten, hatte den Arbeitstitel "BackRub" (Rückenmassage), weil sie im Gegensatz zu anderen zu dieser Zeit eingesetzten Suchtechniken auch "Backlinks" berücksichtigte, also Links, die auf die entsprechende Web-Seite verwiesen.
Nachdem die Versuche gescheitert waren, die eigene Entwicklung an ein Unternehmen wie Yahoo zu verkaufen, entschlossen sich Brin und Page entgegen ihren ursprünglichen Plänen, selbst ein Unternehmen zu gründen. Der Legende nach bekamen sie von Andy Bechtolsheim, einem der Gründer von Sun Microsystems, einen Scheck über 100.000 Dollar - ausgestellt auf Google Inc., obwohl ein Unternehmen dieses Namens zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte. Insgesamt brachten die beiden eine Anfangsfinanzierung von knapp einer Million Dollar zusammen - was reichte, um in der Garage eines Freundes in Menlo Park, Kalifornien, ein Büro einzurichten und einen Angestellten zu engagieren. Im September wurde das mit einer Waschmaschine und einem Trockner ausgestattete Büro eröffnet - was heute als offizielle Geburtsstunde von Google betrachtet wird.
Schon im Februar 1999 zog das rasant wachsende Unternehmen in ein richtiges Bürogebäude um. Inzwischen hatte es acht Mitarbeiter. Erste Firmenkunden bezahlten Geld für Googles Dienste. Am 7. Juni wurde eine zweite Finanzierungsrunde verkündet: Die Wagniskapitalgeber Sequoia Capital und Kleiner Perkins Caufield & Byers schossen insgesamt 25 Millionen Dollar zu. Noch im gleichen Jahr bezog das Unternehmen den "Googleplex", den Kern des heutigen Hauptquartiers in Mountain View, Kalifornien.
Das Jahr 2000 muss als jenes gelten, in dem Google tatsächlich zu dem gemacht wurde, was es heute ist: dem mächtigsten Werbe-Vermarkter im Internet. Der Start eines "Schlüsselwort-gesteuerten Werbe-Programms" schuf die Basis für den gewaltigen kommerziellen Erfolg von Google. Man benutze "ein proprietäres Anzeigen-Verteilungssystem, um eine der Suchanfrage eines Nutzers sorgfältig angepasste Werbeanzeige beizugeben", erklärt die Pressemitteilung von damals das Prinzip. Die Anzeigen konnten online auf sehr einfache Weise eingekauft werden - AdWords war geboren und brachte sofort Geld ein. Noch heute ist die Vermarktung der Textanzeigen auf der Suchseite die zentrale Säule des Google-Imperiums, die den Löwenanteil aller Umsätze ausmacht. Parallel wurden im Jahr 2000 neue Kunden gewonnen, die Google-Suche in ihre Angebote integrierten, darunter Web-Seiten aus China und Japan. Im gleichen Jahr wurde auch die Google Toolbar veröffentlicht, die es erlaubte, mit Google das Netz zu durchsuchen, ohne auf die Google-Web-Seite zu gehen.
Schon im Jahr 2001 machte Google Profit - was man von den meisten anderen Start-ups, die zu dieser Zeit noch die Phantasien der Börsenmakler beflügelten, nicht behaupten konnte. Um den Anforderungen eines rasant wachsenden Unternehmens gerecht zu werden, wurde Eric Schmidt, der zuvor schon führende Positionen in Firmen wie Novell und Sun Microsystems innegehabt hatte, im August 2001 zum Chief Executive Officer Googles ernannt.
Seit 2002 verkauft Google auch Hardware - Such-Lösungen für die Intranets von Unternehmen. Im September des Jahres wurde die Beta-Version von Google News livegeschaltet, dem Nachrichten-Aggregator, der bis heute für zuweilen böses Blut zwischen Zeitungen, Nachrichtenagenturen und den Suchmaschinisten sorgt. Ein Algorithmus sammelt Schlagzeilen und Bilder und komponiert daraus nach bestimmten Kriterien eine Übersichtsseite. Im Dezember startete zudem Froogle, eine mäßig erfolgreiche Produkt-Suchmaschine. Heute heißt Froogle schlicht Google Product Search.
AdSense ist die zweite wichtige Säule im Google-Anzeigenimperium. Im Jahr 2003 wurde der Dienst vorgestellt, der den Text auf Web-Seiten analysiert und daneben passende Werbeanzeigen platzieren soll. Das System bietet auch Betreibern kleiner Web-Seiten die Möglichkeit, ihre Angebote zu monetarisieren - die Einkünfte werden zwischen Seiteninhaber und Google aufgeteilt. Im gleichen Jahr kaufte Google Blogger, einen großen Blog-Hoster.
Der Start des E-Mail-Dienstes Googlemail (in den USA Gmail) wurde am 1. April verkündet, mitsamt der Nachricht, dass die Nutzer ein Gigabyte Speicherplatz zur Verfügung haben würden. Es wurde schnell klar, dass es sich nicht um einen Scherz handelte - und dass Google daran selbstverständlich verdienen will. AdSense wurde von Anfang an eingesetzt, um E-Mails nach Schlüsselwörtern zu durchsuchen und mehr oder minder passende Reklame daneben einzublenden. Im Juli kaufte Google Picasa, ein Unternehmen, das sich auf die digitale Fotoverwaltung spezialisiert hatte. Heute ist Picasa ein On- und Offline-Angebot - Googles Antwort auf Flickr.
Am 19. April konnte man Google-Aktien an der Technologiebörse Nasdaq erstmals kaufen. Eine Aktie kostete 85 Dollar. Heute ist sie knapp fünfmal so viel wert. Mit dem vielen neuen Geld stieß Google noch im gleichen Jahr verschiedene Projekte an - unter anderem Google Print: Mit den Universitäten Harvard, Stanford, University of Michigan, University of Oxford und der New York Public Library kam man überein, Bücher zu scannen, zu digitalisieren und online durchsuchbar zu machen. Im darauffolgenden Jahr wurde Google Print in "Book Search" umbenannt. Inzwischen sind zahlreiche andere Bibliotheken mit im Boot - auch deutsche.
Im Jahr 2005 kam die Google-Maschinerie richtig in Schwung. In rasantem Tempo veröffentlichte das Unternehmen, das bis zum dritten Quartal auf fast 5000 Mitarbeiter angewachsen war, eine Anwendung nach der anderen. Die im Rückblick wohl wichtigste: Google Maps, der Kartendienst, der die Welt geografisch durchsuchbar machen sollte, und sogleich mit der bis dahin nur mäßig erfolgreichen lokalen Suche Google Local verschmolz. Die im Jahr zuvor angekaufte Satellitenkapazität kam nun zum Einsatz: Sie bot die heute beinahe selbstverständliche Möglichkeit, Satellitenfotos statt abstrakter Karten anzusehen. Später im Jahr kam auch noch die Desktop-Software Google Earth, Googles Digitalglobus. Außerdem starteten: die "personalisierte Homepage", die heute iGoogle heißt, Googles Video- und Fotosuche, die Voice-over-IP und Instant-Messaging-Lösung Google Talk, der bis heute ziemlich glücklose Kleinanzeigendienst Google Base, ein eigener RSS-Reader. Und: Google kaufte das Unternehem Urchin und verwandelte dessen Webtraffic-Analysemethoden in sein Angebot Google Analytics. Damit bot das Unternehmen nun erstmals die vollständige Dienst-Palette einer Netz-Mediaagentur, eines Online-Werbevermarkters.
Die Geschäfte liefen auch 2005 hervorragend für Google - so gut, dass man eine Partnerschaft mit dem strauchelnden Online-Dinosaurier AOL verkünden und eine Millarde Dollar in das Unternehmen investieren konnte.
Anfang des Jahres stellte Larry Page bei einem Vortrag bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas Google Video vor - und Google Pack, einen ersten, offenkundigen Angriff auf Microsoft, denn das Software-Paket enthielt diverse Anwendungen, die als Konkurrenzprodukte zu Microsofts Angebot gelten können. Gegründet wurde die Wohltätigkeitsorganisation Google.org, an den Start gingen außerdem der Finanzinformationsdienst Google Finance und die Paypal-Konkurrenz Google Checkout. Vor allem aber ist 2006 das Jahr, in dem man bei Google ernsthaft damit begann, Office-Anwendungen ins Web zu verlegen. Neben dem Google-Kalender wurde am Jahresende auch Google Docs & Spreadsheets livegeschaltet. Zuvor hatte Google Upstartle gekauft, ein Unternehmen, das bis dahin das Online-Textverarbeitungsprogramm Writely hergestellt hatte - nur eine von mehreren Akquisitionen. Auch SketchUp (3-D-Gebilde für Google Earth) und die Wiki-Plattform JotSpot wurden 2006 ins Google-Reich integriert.
Der prominenteste Ankauf des Jahres war jedoch YouTube: Google zahlte 1,65 Milliarden Dollar für die Videoplattform und holte sich so Konkurrenz zum eigenen, eben erst gestarteten Videoangebot ins Haus. Zudem wurde eine Werbe- und Suchpartnerschaft mit dem eben von Rupert Murdoch aufgekauften MySpace verkündet: Google stieg endlich ernsthaft ins Geschäft mit dem Web 2.0 ein.
Parallel verlor Google in den Augen vieler Nutzer seine Unschuld: mit dem Start einer eigenen Suchmaschine für China, die sich den Zensurwünschen der dortigen Regierung beugt. Eine Tibet-Unterstützergruppe rief eine Initiative namens "No love 4 Google" ins Leben - und fasste damit einen globalen Meinungsumschwung zusammen. Der Engelsglanz des vermeintlich anderen, besseren Unternehmens, den Google lange hatte aufrechterhalten können, schwand nach und nach.
Ende 2006 hat Google mehr als 10.600 Angestellte.
Im Februar wird Googles E-Mail-Dienst für alle geöffnet - bis dahin brauchte man eine Einladung, um seine E-Mails von AdSense nach Schlüsselwörtern durchsuchen zu lassen.
Vor allem aber ging Google 2007 auf Einkaufstour - in seinem Kerngeschäftsbereich, der Online-Werbung. Zunächst wurde Adscape, ein Spezialist für Werbung in Computerspielen, aufgekauft, dann DoubleClick. Über drei Milliarden Dollar ließ man sich den Online-Anzeigenvermarkter kosten - und eine Menge Ärger. Erst im März 2008 segnete die EU-Kommission den Kauf ab. Datenschützer sehen Google seit der DoubleClick-Akquisition noch kritischer, denn das Unternehmen ist nicht zuletzt darauf spezialisiert, möglichst gründlich Nutzerdaten zu sammeln, um personalisierte Werbung servieren zu können.
Außerdem schickte Google 2007 seine Foto-Autos los: Für die Maps-Erweiterung Streetview fuhren die Kamera-Mobile zunächst durch US-Großstädte - im Jahr 2008 sind sie auch in Deutschland unterwegs.
Außerdem beginnt Google verstärkt, Fühler in Richtung der alten Medienwelt auszustrecken - es gibt Testläufe für Werbevermarktung im Radio, in Print-Publikationen und im traditionellen Fernsehen.
Schon seit Jahren hatte Google verschiedene seiner Dienste in speziellen Handy-kompatiblen Versionen angeboten - Ende 2007 kam dann der ganz große Schritt in die mobile Welt: Das Handy-Betriebssystem Android wurde angekündigt, ein Open-Source-Projekt in Zusammenarbeit mit vielen Telekommunikationsanbietern und Handy-Herstellern.
Ein weiteres Open-Source-Projekt soll Google den Zugriff auf das Vermarktungspotential der Social Networks erleichtern: Die Plattform OpenSocial soll Netzwerkapplikationen transportabel machen, so dass sie bei MySpace genauso laufen können wie bei Xing. Die meisten der großen Communitys sind OpenSocial beigetreten - bis auf Facebook.
Im laut offizieller Zeitrechnung zehnten Jahr seiner Existenz lässt die Suchmaschine im Tempo nicht nach. 2008 wurden eine kollaborative Wissensplattform (Knol), eine 3-D-Chatanwendung (Lively), Straßenansichten für noch mehr Großstädte - und ein eigener Google-Browser gestartet.
Gleichzeitig wächst die Kritik am Suchmaschinengiganten. Die immer neuen Projekte scheinen vielen Nutzern und Datenschützern inzwischen Ausdruck eines gewaltigen Datenhungers - sowohl auf persönliche Informationen über die Nutzer als auch auf nahezu jede beliebige Art von Information, die dem gewaltigen Weltarchiv Google einverleibt werden könnte. Der Google Leitspruch "Don't be evil" hat für manche inzwischen einen hohlen Klang, und die Missionserklärung, man wolle "alle Information der Welt organisieren", klingt zuweilen eher wie eine Drohung.