Forscherprojekt Millionen Netz-Fotos erlauben Blick durch die Zeit

Schloss Neuschwanstein: Baumaßnahme im Zeitraffer

Schloss Neuschwanstein: Baumaßnahme im Zeitraffer

Foto: Ricardo Martin Brualla/YouTube

Jeden Tag werden unzählige Fotos gemacht und ins Internet gestellt. US-Forscher haben nun einen Weg gefunden, aus Millionen solcher Bilder Zeitraffervideos zu machen - mit Hilfe von Algorithmen. Nun kann man der Zeit beim Verstreichen zusehen.

Niemand weiß, wie viele Fotos heute pro Tag aufgenommen werden, aber es werden ständig mehr. Schon 2011 wurden beispielsweise 250 Millionen Fotos am Tag auf Facebook hochgeladen, inzwischen dürfte diese Zahl noch weitaus höher liegen. Damals, 2011, hatte Flickr, die Fotoplattform für Traditionalisten, gerade die Sechs-Milliarden-Bilder-Grenze überschritten. Flickr ist im Vergleich zu Facebook längst ein Zwerg, was die schiere Masse an Bildern angeht.

Trotzdem enthält die Plattform noch genügend Fotos, um damit erstaunliche Kunststücke anzustellen, wie ein Forscherteam aus den USA nun zeigen konnte. Ricardo Martin-Brualla von der University of Washington und seine Kollegen nahmen öffentliche Flickr-Fotos von häufig fotografierten Orten - Las Vegas, ein Gletscher in Norwegen, die Skyline von New York - und verwandelten sie in Zeitrafferfilme. Die Ergebnisse ihrer Bemühungen haben sie als wissenschaftliche Fachpublikation (PDF-Link)  aufgeschrieben - und parallel ein Video  mit einigen Beispielen aus ihrem Zeitraffer-Fundus veröffentlicht.

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Die Ergebnisse sind eindrucksvoll, wenn man bedenkt, dass jeder der kurzen Clips aus teils Tausenden einzelner Bilder besteht. Insgesamt sortierten die Werkzeuge der Forscher 86 Millionen Fotos, ordneten sie markanten Landschaften oder Gebäuden zu und bestimmten die jeweiligen Blickwinkel. Anschließend wurden die Bilder chronologisch sortiert und so bearbeitet, dass sie einen gemeinsamen Blickwinkel aufwiesen.

Fast 11.000 Zeitraffer-Möglichkeiten entdeckt

Die Abfolge dieser harmonisierten Bilder wurde dann noch einmal bearbeitet, um die Effekte von Wetter und Beleuchtung abzuschwächen und das Flackern zu reduzieren, das bei solchen Clips aus Einzelbildern zwangsläufig entsteht. All das wird selbstverständlich nicht von Hand erledigt, sondern mit Hilfe von Algorithmen.

Die Ergebnisse zeigen nun "schrumpfende Gletscher, Wolkenkratzer im Bau und Wasserfälle, die ihren Verlauf ändern", so die Forscher. Insgesamt entdeckte das System des Teams in den Abermillionen Fotos fast 11.000 Zeitraffer-Möglichkeiten, die "zeigen, wie sich die beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Welt im Lauf der Zeit verändern". Neuschwanstein ist auch dabei, weil "Baumaßnahmen oft interessant anzuschauen sind", wie es im Video  heißt.

Aus den Blicken der Vielen, die über einen Zeitraum von Jahren einen Gletscher oder die Skyline von New York fotografiert haben, wird so ein Blick durch die Zeit - besonders eindrucksvoll ist das am Beispiel des Briksdalsbreen-Gletschers in Norwegen zu sehen. Binnen weniger Jahre schrumpfte der Eisfluss in einem steilen Felstal auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammen.

In einer Welt, in der die Anzahl der digital verfügbar gemachten Fotos und Videos täglich weiter wächst, sind Ansätze wie die von Martin-Brualla und seiner Kollegen aber auch ein Blick in eine womöglich nicht allzu weit entfernte Zukunft. Bald schon wird der Planet zumindest an seinen dichter besiedelten oder populäreren Punkten einer Art kollektiver Echtzeit-Überwachung unterliegen. Und die Methoden zur Verknüpfung all der einzelnen Aufnahmen werden sich zweifellos noch weiter entwickeln.

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