
Planking: Blödsinn als Massenbewegung
Tod beim "Planking" Er starb für ein doofes Foto
"Es ist krank, wie viel Aufmerksamkeit Ihr bekommt, nur weil ein Mensch gestorben ist", kommentiert Julia Gillard auf der Facebook-Seite der Gruppe "Planking Australia" . Wenig später setzt sie nach: "Ich appelliere dringend an australische Bürger, die auf Bahnschienen planken, sofort damit aufzuhören!"
Zwei Fragen drängen sich da auf: Was in aller Welt ist "Planking"? Und was ist daran so wichtig, dass sich Australiens amtierende Ministerpräsidentin derzeit alle paar Minuten dazu äußert?
Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten als die erste: Es ist wohl kaum Julia Gillard selbst, die da posted. Die empört-verantwortungsvolle Pose ist wohl eher Teil des reichlich schrägen Humors, der so typisch für die Planking-Szene zu sein scheint. Die besteht aus Menschen, die Spaß daran finden, sich in einer normierten, immer gleichen Pose in möglichst absurden Situationen fotografieren zu lassen und das Bild im Internet zu veröffentlichen. Eine "Planke" ist es, wenn man sich mit dem Kopf nach unten, Gesicht nicht zu sehen, die Arme eng an den Körper gelegt, stocksteif irgendwo hin-, rein- oder drauflegt.
Seinen Ursprung nahm das Internet-Mem, dessen Fans die Sache längst und wohl bewusst ironisch als "Bewegung" verstehen, wahrscheinlich in Großbritannien. Über Japan schwappte es nach Australien, wo es erst seinen so plakativen Namen bekam. Seitdem liegen jeden Tag Tausende von Planking-Fans irgendwo herum, um sich fotografieren zu lassen.
Begriffsdefinition: Was ist ein Mem?
Klingt doof, ist gerade in Masse aber wirklich witzig. Planking-Fans, von denen es vor allem in Australien und Amerika etliche tausend gibt, verstehen das als eine Art Schwarm-Kreativität, für manche ist es "ein Lebensstil": "Plank on, Plankers!"
Zu viel des Guten
Und natürlich hat es einen inhärenten Zug zum Extrem: Wer aus der Masse herausstechen will, glaubt immer öfter, ein immer ungewöhnlicheres Planking bieten zu müssen. Das reizt vor allem das Klientel der vornehmlich Testosteron-gesteuerten, pubertär bedingt Teil-enthirnten Kids, die sich auch von "Jackass" oder "New Kids" gern einmal zu Höchstleistungen der Selbstgefährdung und Selbstverletzung inspirieren lassen.
Bei Facebook kann man sich ansehen, wie weit das geht. Da liegen Menschen unter Wasser oder hoch oben auf Reklameschildern. Sie posieren nackt auf dem Golfplatz liegend, die Fahne zwischen den Hinterbacken eingeklemmt. Sie liegen "geplankt" in Stapeln oder auf Polizeihubschraubern herum. In der letzten Woche kassierte ein Planker in Australien eine Anzeige, weil er sich auf das Dach eines Streifenwagens im Einsatz gelegt hatte.
Nie zu sehen sein wird dagegen Acton B.'s Planking, denn das ging auf fatale Weise daneben: Er versuchte den Stunt am Samstagabend auf dem Geländer eines Balkons im siebten Stockwerk liegend. Es misslang, der Junge starb, nachdem Nothelfer 20 Minuten lang vergeblich versuchten, ihn am Leben zu erhalten.
Seitdem kocht auch in den Planking-Gruppen die Diskussion darüber, ob das Planking-Mem vielleicht nicht schon zu weit getrieben worden ist. Immer extremer werden die Posen, immer öfter auch gefährlich. Die einen rufen da zur Mäßigung auf, für die anderen ist der Fall Acton B. nichts anderes als ein Unfall, der irgendwann wohl zwangsläufig kommen musste: "Egal, worum es geht", schrieb ein Planker am Sonntagmorgen, "es gibt immer einen Idioten, der es besoffen versucht."
Appelle zu Kreativität statt Wagemut
Denn das kommt hinzu. Acton B. war betrunken, als er fiel. Die große öffentliche Aufmerksamkeit für das Phänomen in Australien macht Planking offenbar zu einer naheliegenden Idee in allen möglichen Situationen. Für den "Sydney Morning Herald", Australiens einflussreichste Zeitung und Website, war Actons Tod am 15. Mai die wichtigste Schlagzeile überhaupt.
Denn in Australien ist der Punkt erreicht, wo eine allgemein als lustig gesehene Marotte droht, in etwas Tragisches, Gefährliches abzukippen. Für Ross Barnett, den stellvertretenden Polizeichef von Brisbane, wo Acton B. in den Tod stürzte, haben sich damit Befürchtungen bewahrheitet, die er seit längerem hegte. Allein die "Brisbane Planking Association" zählt nach eigenen Angaben derzeit mehr als 2500 aktive Mitglieder. Ihre erste Reaktion auf Acton B.'s Tod: Eine "Save Planking"-Kampagne, die auch durch den verkauf von "I planked"-T-Shirts gestützt werden soll.
Brisbanes stellvertretender Polizeichef sieht dagegen die Zeit für Zuckerbrot und Peitsche gekommen. Nach dem Unfall sind die Behörden nicht mehr bereit, die populäre Verrücktheit einfach zu ignorieren. Seinen Appell, sich und andere nicht zu gefährden, während man versuche, seine plankende Konkurrenz mit besonders gewagten Stunts auszustechen, verband Barnett mit einer klaren Warnung: Wenn jemand beim Planken ein Gesetz übertrete, müsse er damit rechnen, dafür auch angezeigt zu werden. Schluss mit lustig, soll das heißen.
Wahrscheinlicher aber ist, dass die Sache jetzt erst richtig losgeht. Im Facebook-Forum der Gruppe Planking Australia gibt es derzeit alle paar Sekunden ein Posting, fast minütlich kommt ein neues Foto hinzu. In der angelsächsischen Welt gab es in den letzten zwei Wochen viele Hundert Presse-Berichte zu dem Thema , Acton B.'s Tod bringt es nun weltweit auf die mediale Agenda - wie auch in diesem Artikel.
Höchst bitter für die Hinterbliebenen, letztlich aber gut ist, dass der Tod des Twen wie ein Weckruf zu wirken scheint: "Idiotisch" sei es, schreibt einer, wenn sich "einer selbst so aus dem genetischen Pool entfernt". Und alle paar Minuten geht nun der Aufruf um, nicht einfach nur stupide das Gewagte, das Extrem zu suchen beim Planking, denn darum gehe es nicht: "Seid lieber kreativ, Leute!"