Stirbt der Hund? Diese Webseite sammelt Triggerwarnungen für Filme

Dieser Beitrag wurde am 19.06.2019 auf bento.de veröffentlicht.

Ich kann es einfach nicht mehr ertragen. In True-Crime-Podcasts werden Frauen verprügelt, in Heinz Struncks Buch "Der Goldene Handschuh" werden sie brutal ermordet, in "Game of Thrones" werden sie vergewaltigt und gedemütigt. Gewalt gegen Frauen wird ständig und überall dargestellt. 

Mir ist bewusst, dass es solche Taten in der Realität gibt. Trotzdem macht es mich inzwischen nur noch wütend, wenn der hundertste Film und die x-te Serie mir abends auf dem Sofa explizite Gewaltszenen gegen Frauen zeigen. Darauf habe ich keine Lust mehr. Doch wie umgeht man so etwas? Filme werben ja nicht mit ihren wunderbar frauenverachtenden Szenen. 

Ich dachte bisher, ich müsste einfach damit klarkommen. Bis ich diese Seite im Netz entdeckte:  

Auf "Does the dog die?"  sortieren Menschen Filme, Serien oder Bücher nach Themen, die sie nicht ertragen können. 

Zum Beispiel: "Der schwarze Charakter stirbt zuerst", "es gibt Dusch-Szenen" oder eben "ein Hund stirbt". 

In mehr als 60 von den Nutzerinnen und Nutzern erstellten Kategorien kann man Filme und Serien danach sortieren, ob das Genannte vorkommt – oder eben nicht. 

Wer zum Beispiel nichts gegen Mord, Folter und Vergewaltigung hat, aber nicht ertragen kann, dass Haustiere zu Tode kommen, hätte dank "Does the dog die?" vielleicht niemals mit "Game of Thrones" angefangen. 

Viele Kategorien sind sehr spezifisch: "Sexuelle Übergriffe" tauchen in der Liste auf, "Gewalt gegen Frauen" leider nicht – dafür sind fast jede Phobie, jeder Ekel und etliche praktische Hinweise für Eltern vorhanden: "Jemandem wird die Vorstellung vom Weihnachtsmann oder ähnlichem versaut", "es gibt Spinnen", "es wird gepupst oder gespuckt". 

Im ersten Moment wirkt die Kombination der Themen skurril.

Denn manches verstehe ich sofort: Wer einen Elternteil verloren hat, schon mal Opfer von rassistischer Gewalt war oder bei einer nahestehenden Person eine Krebsdiagnose erlebt hat, will bestimmt auch mal einfach einen Superheldenfilm gucken und dabei nicht überraschend an traumatische Ereignisse erinnert werden. So jemand kann Filme, die das Thema auch nur am Rande aufgreifen, ausschließen.

Anderes wirkt auf mich fremd: Einige Personen kriegen offenbar durch Kameraperspektiven Angstzustände, die wirken, als würde man das Geschehen aus einem Versteck heraus beobachten. Manche autistischen Personen soll es aufwühlen, in einem Film ein Baby schreien zu hören, erfahre ich aus einer Kategoriebeschreibung.

So etwas dürfte in kaum einer regulären Triggerwarnung auftauchen.

Und genau das macht diese Seite so fantastisch: Sie erinnert an die verbindende Kraft des Internets. Denn hier kann jede und jeder nicht nur zeigen, was ihn oder sie fertig macht. Es besteht auch noch die Möglichkeit, dass man Gleichgesinnte findet – oder zumindest entdeckt, dass überraschend viele Menschen eine Abneigung gegen Hühner teilen.

Wer sich trotz der Vielfalt noch nicht repräsentiert fühlt, kann auch noch eigene Vorschläge einreichen – sie brauchen dann lediglich genug Votes, um als neue Kategorien in die Liste aufgenommen zu werden. Während es "Ertrinken" und "jemand ist besessen" geschafft haben, hängt der Wunsch nach einer Warnung vor Brücken noch in der Schwebe.

Ich drücke ihm die Daumen. Denn irgendwie ist es schön, bei allem Negativen mal wieder die warme Seite des Internets zu spüren: In der sich Gleichgesinnte finden und gegenseitig stärken können – egal wie individuell ihre Bedürfnisse sind. Selbst wenn es nur darum geht, sich beim nächsten Filmabend wohlzufühlen.

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