Umfrage Web-Wahlkampf würde auch in Deutschland wirken
Wie erreicht man die ach so politikmüden jungen Wählerschichten? Das ist eine Frage, die deutsche Politiker seit Jahren umtreibt: Seit Mitte der Achtziger, so die Mär, gebe es einen massiven Entpolitisierungstrend.
Vielleicht sind Jungwähler aber gar nicht so sehr politik-, sondern parteimüde? In den USA zeigte sich im Wahlkampf Barack Obamas, dass sich mit den richtigen kommunikativen Mitteln gerade Partei-ferne junge Leute nicht nur interessieren, sondern sogar motivieren lassen, sich zu engagieren. Die deutschen Parteien beobachten das mit Interesse und investieren mehr Mittel denn je in die Kosmetik ihrer Web-Auftritte. Beide großen Koalitionsparteien stellten in den vergangenen Monaten Internet-Auftritte vor, die mehr oder minder überzeugende "Web-2.0-Elemente" simulieren. Mehr aber auch nicht, denn nach wie vor ist es so, dass die Parteien und ihr Umfeld selbst für Bewegung im Web sorgen müssen - das Web bewegen sie nicht.
Ein Obama-Phänomen ist so im deutschsprachigen Internet trotz Superwahljahr nicht in Sicht, die Parteien staksen gewohnt steif und fern der Jugend durch die virtuellen Weiten. Konsens ist, dass der Online-Wahlkampf in Deutschland noch nicht die große Rolle spielen wird, die er anderenorts spielt - womit die Strategen allerdings eventuell auf dem Holzweg sind. Es dokumentiert nur, dass ihnen der Draht zu den potentiellen Jungwählern doch noch ein gutes Stückchen fehlt.
Denn Erstwähler nutzen besonders das Internet, um sich für ihre Wahlentscheidung zu informieren. Das geht aus einer angeblich repräsentativen Umfrage hervor, die das Institut Earsandeyes im Auftrag des Internetportals t-online gemacht hat. Für rund 83 Prozent der Erstwähler im Alter von 16 bis 19 Jahren sind die im Netz angebotenen Informationen der wichtigste Entscheidungsfaktor, um sich über politische Ziele der einzelnen Parteien eine Meinung zu bilden.
Laut der am Mittwoch vorgestellten Umfrage unter 1000 Internet-Nutzern sprechen fast 60 Prozent der Befragten von 16 bis 65 Jahren dem Internet eine tragende Rolle bei der Wahlentscheidung zu. Die Selbstdarstellung der Kandidaten auf Web-Plattformen hält ein Drittel der Befragten für wichtig. Lediglich 17 Prozent gaben an, die Informationen zu Wahlen in klassischen Medien wie Zeitung, TV und Radio seien ausreichend.
Spitzenpolitiker und Parteien hatten angekündigt, in diesem Superwahljahr schwerpunktmäßig auch das Internet nutzen zu wollen, um über Programme und Ziele Auskunft zu geben. Seitdem haben die Parteien zumindest die Optik ihrer Seiten teils deutlich überholt. Echte, authentische, an der Community orientierte Angebote, die parteiferne Jungwähler begeistern könnten, haben wir bisher aber nicht sichten können.