Umsatzsprung "Wall Street Journal" verdient mehr Geld im Netz

Mehr Abos, mehr Anzeigenumsatz: Das "Wall Street Journal" nimmt mit Online-Werbung fast ein Drittel mehr ein als im Vorjahr und gewinnt zugleich Abonnenten. Das ist im Online-Journalismus selten, aber nicht einzigartig - Leser zahlen auch für Fischerei-Medien, Gaspreise und schicke iPad-Ausgaben.
News-Corp-Zentrale in New York: Die Manager freuen sich über Online-Erfolge

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Foto: Mark Lennihan/ AP

Diese Nachricht dürfte einige Verlagsleiter erfreuen: Die US-Wirtschaftszeitung "Wall Street Journal" (WSJ) hat ihre Einnahmen in den drei Monaten von Juli bis Ende September erheblich gesteigert - online ebenso wie im Printgeschäft. Der US- Branchendienst Poynter  der gleichnamigen Journalistenschule zitiert die Zahlen aus einer E-Mail des "WSJ"-Geschäftsführer Les Hinton.

Die wichtigsten Details:

  • Die Einnahmen aus Online-Anzeigen stiegen um 29 , die aus Print-Anzeigen um 21 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr.
  • Die Abonnentenzahlen steigen - bei der Online- ebenso wie bei der gedruckten Ausgabe. Zusammengerechnet stieg die Auflage um 13 Prozent, die Print-Auflage um 9 Prozent.

Wie hoch die absoluten Umsätze sind, ist nicht öffentlich bekannt. Im Jahr 2007 schätzte Douglas Anmuth, ein Analyst der US-Investmentbank Lehman Brothers, die Einnahmen der Online-Ausgabe "WSJ.com" auf 65 Millionen Dollar aus Abos und 75 Millionen aus Anzeigen. Die Online-Ausgabe des "Wall Street Journal" gilt in der Medienbranche bis heute als einer der wenigen gelungenen Versuche, eine Mischfinanzierung wie im Print-Geschäft auch online umzusetzen. Die meisten journalistischen Online-Angebote finanzieren sich fast ausschließlich aus Werbegeldern. Diese Umsätze brechen bei abflauender Konjunktur schnell ein - ein Problem für Unternehmen, die nur diese eine Erlösquelle haben.

Mehr Inhalte gratis im Netz - als Werbung fürs Digital-Abo

Die steigenden Werbeumsätze von "WSJ.com" zeigen, dass der Verlag hier das reine Bezahlmodell mehr und mehr aufweicht, um die Reichweite zu steigern und so attraktiver für Anzeigenkunden zu werden. Dieser Mischmodus funktioniert zum Beispiel so: Ruft man einen Artikel auf "WSJ.com" direkt auf, steht dort oft unter der Überschrift und einem kurzen Anreißer eine Aufforderung, die Online-Ausgabe zu abonnieren, um weiterzulesen. Gibt man aber die Überschrift des Artikels bei Google ein, sucht danach und klickt auf die Ergebnisseite, ist der Artikel komplett zu sehen - so sollen wohl Leser für das Angebot von "WSJ.com" gewonnen werden. Auch die Gratis-Software des "Wall Street Journals" fürs iPhone liefert viele Texte kostenlos.

Derzeit hat "WSJ.com" im Monat etwa 9,6 Millionen Leser, so die Zahlen des Statistik-Dienstes Compete.com. 17,3 Millionen waren es im August beim weitgehend kostenfrei zugänglichen Webangebot der "New York Times" - knapp doppelt so viele. Vor drei Jahren sah das Verhältnis noch ganz anders aus. Damals, im Juni 2007, hatte "WSJ.com" etwa 1,5 Millionen Leser, das weitgehend kostenfrei zugängliche Webangebot der "New York Times" erreichte 6,8 Millionen Nutzer- mehr als das Dreifache.

Murdochs Bezahl-Experimente im Web

Die Erfolgsgeschichte des "Wall Street Journal" im Web versucht der Eigentümer Rupert Murdoch auf seine anderen Tageszeitungen zu übertragen. Bei der Online-Ausgabe der britischen "Times" zum Beispiel müssten die Leser seit Anfang Juli bezahlen.

Rupert Murdochs Plan sieht vor, den Werbe-Umsatzverlust nach Reichweitenverlust durch Aboeinnahmen auszugleichen: Mittelfristig soll man ein Pfund pro Tag bezahlen oder zwei Pfund für eine Woche. Noch allerdings traut sich "The Times" nicht so richtig, gewährt einen Vollzugang für den Schnupperpreis von einem Pfund im Monat.

Wo das "WSJ.com"-Erfolgsmodell außerdem noch funktioniert

Ob dieses Experiment glückt, ist fraglich. Denn die "Times" ist eine an ein sehr breites Publikum gerichtete Zeitung. Sie berichtet vor allem über Dinge, die der Ansicht der Macher nach für die Allgemeinheit relevant sind. Das ist aber das Konzept vieler Tageszeitungen und Online-Medien, von denen die meisten kostenlos sind.

Das "Wall Street Journal" hingegen bietet einzigartige Inhalte, wie es John Einar Sandvand  beschreibt. Sandvand ist bei dem norwegischen Medienkonzern Media Norge für das Digitalgeschäft verantwortlich. In einer Analyse in seinem Blog Betatales beschreibt Sandvand die Gründe für den Erfolg von "WSJ.com" so: "Ihr wichtigstes Angebot ist einzigartige Nützlichkeit. Leser können sich und ihre Arbeitgeber davon überzeugen, dass die Lektüre des 'Wall Street Journal' sie ihren Job besser erledigen und mehr Geld für das Unternehmen verdienen lässt."

Sandvand nennt als ein anderes Beispiel für "einzigartige Inhalte" die kostenpflichtige Webseite der norwegische Tageszeitung "Fiskeribladetfiskaren.no"  - sie richtet sich ausschließlich an Fischereibetriebe. Es gibt andere Beispiele für Online-Dienste, die speziellen Zielgruppen "einzigartig nützliche" Angebote liefern. Der britische Verlag ICIS  zum Beispiel nimmt für seine reinen Online-Fachdienste mit Informationen zu Rohstoffmärkten enorme Abogebühren. Allerdings bietet ICIS nicht nur Nachrichten aus den Branchen, sondern auch tagesaktuelle Preisinformationen zu Rohstoff-Geschäften - diese Daten nutzen die Unternehmen zum Teil als Vergleichswerte in Verträgen.

Hoffnung auf einzigartige Verpackung

Allerdings - so Sandvand - ist nicht der Inhalte allein der Grund, warum Menschen für bestimmte digitale Medienangebote zahlen und für andere nicht. Er führt die iPad-Ausgabe des US-Magazins "Wired" als Beispiel dafür an, dass eine "einzigartige Verpackung" Leser auch davon überzeugen kann, für Inhalte zu bezahlen. Die Texte der "Wired"-Ausgabe mag es auch kostenlos im Netz geben, aber die Gestaltung und leichte Zugänglichkeit der iPad-Ausgabe sei hier das Verkaufsargument.

Das weiß auch der "Wall Street Journal"- und "Times"-Besitzer Rupert Murdoch. Im August berichteten "Los Angeles Times" und "Financial Times", dass Murdoch ein neues digitales Nachrichtenangebot für US-Leser plane - das kostenpflichtige Angebot solle sich speziell an Nutzer von Tablet-Computern wie Apples iPad und Smartphones richten.

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