Urheberrecht-Lobby Genug ist nicht genug

Die Reform des Urheberrechtes geht mit dem "zweiten Korb" in die nächste Runde, die Copyright-Lobby fordert weitergehende Maßnahmen gegen die Privatkopie. Der Entwurf des Justizministeriums schränkt die Rechte der Verbraucher weiter ein, und auch der Wissenschaftsbetrieb steht diesmal auf der Verliererseite.
Von Michael Voregger

Unter einer Reform versteht der Duden die "Verbesserung des Bestehenden", was bei der Änderung im Urheberrecht wohl nur für die Verwalter der Rechte und die Medienindustrie gilt. Verbraucher, Wissenschaftler, Studenten und Softwareentwickler haben das Nachsehen. Der erste Teil des Gesetzes ist bereits im September 2003 in Kraft getreten und hat unter anderem das Umgehen technischer Kopierschutzmaßnahmen untersagt.

Bei dem "Referentenentwurf für ein zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" müssen sich jetzt auch die Bibliotheken im Lande auf einschneidende Veränderungen einstellen. Sie erhalten keine Vorzugsrechte und dürfen elektronische Werke nur eingeschränkt zugänglich machen. Die Zahl der Zugriffe an den Leseplätzen darf die Zahl der Exemplare des Bestandes nicht überschreiten.

Damit werden die technischen Möglichkeiten elektronischer Medien ignoriert und die wissenschaftliche Arbeit erschwert. Für das Lesen oder die "Zugänglichmachung" wird eine Gebühr erhoben.

"Es wird im alltäglichen Betrieb zu einer Rechtsunsicherheit führen und die Bibliotheken werden bestimmte Leistungen einstellen. Bestimmte Kopien sind dann für die Nutzer nicht mehr zu bekommen und den Lieferdienst 'subito' kann man gänzlich einstellen", sagt Dr. Gabriele Beger, Vorsitzende der Rechtskommission des Deutschen Bibliotheksverbandes. "Das Gesetz wird in dieser Form der Bildung und Wissenschaft in Deutschland schaden."

Die Bibliotheken fürchten, dass der Versand von Kopien in elektronischer Form verboten wird, wenn die Verlage selbst elektronische Verfahren wie "Pay per view" anbieten. Dann könnten die Bibliotheken nicht mehr alle notwendigen Lizenzen vorhalten und die Wissenschaftler wären gezwungen, die benötigten Informationen direkt vom Anbieter zu hohen Preisen käuflich zu erwerben.

Schlag den Sack und mein' den Esel

Dabei hat das Bundesjustizministerium im Vorfeld der Gesetzgebung eine einvernehmliche Lösung für alle Beteiligten angekündigt. "Ein modernes Urheberrecht muss für einen Ausgleich zwischen den Interessen von Kreativen, der Wirtschaft und den Verbrauchern sorgen. Nur dann kann es von allen Betroffenen gleichermaßen akzeptiert werden", sagt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. "Deshalb haben wir die betroffenen Kreise schon frühzeitig in die Arbeiten an dem Gesetzentwurf eingebunden".

Doch Verbraucher und Wissenschaftler sind von dem Entwurf der Regierung gleichermaßen enttäuscht. Für die Musikbranche ist die unternehmerfreundliche Gesetzgebung dagegen eine Aufforderung, noch viel weitergehende Forderungen aufzustellen.

"Die Regelungen der Privatkopie werden immer stärker ausgenutzt. Damit die Musikwirtschaft auch in Zukunft in funktionsfähigen Märkten agiert, ist eine Kopiererlaubnis auf die wirklich privaten Interessen zu begrenzen", sagt Gerd Gebhardt, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. "Der Regierungsentwurf zur Novelle des Urheberrechtsgesetzes muss diese Gedanken aufnehmen, wenn er der technischen Entwicklung nicht permanent nachhinken will".

Geht es nach den Verwaltern von Rechten und Inhalten, dann sollen Privatkopien nur noch vom eigenen Original erstellt werden dürfen. Eine Kopie für Dritte, also für Freunde oder Verwandte, will man nicht zulassen. Intelligente Aufnahmesoftware wie Audio Jack von S.A.D oder den DSL Radio-Recorder von Data Becker wollen die Lobbyisten vollständig verbieten, da sich hier legale Kopien in bester Digitalqualität machen lassen.

Der Entwurf für die zweite Stufe der Urheberrechtsnovellierung betont das Recht auf eine private Kopie, wobei die Experten im Justizministerium wohl nicht aus Überzeugung handeln. Ganz pragmatisch gehen sie davon aus, dass ein komplettes Verbot keine Durchsetzungschance hat. Doch Aus Sicht von Verbraucherzschützern nutzt der formale Erhalt der Privatkopie wenig, wenn den Firmen gleichzeitig erlaubt wird, durch Digital Rights Management (DRM) und technischen Kopierschutz die Inhalte abzuschotten.

Ausgehöhltes Recht

"Man hat die Privatkopie zwar formal erhalten, aber man hat sie nicht durchsetzungsstark gemacht", beklagt Helke Heidemann-Peuser, Referatsleiterin für Wirtschaftsrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin. "Wenn die technischen Schutzmöglichkeiten weiter ausgebaut werden, dann liegen die Verbraucherrechte letztlich in der Hand der Industrie".

Mit DRM-Systemen ist die Industrie schon heute in der Lage, eine umfassende Kontrolle über die gekauften Inhalte und deren Nutzung zu erlangen. Die Forderung der Verbraucherschützer, hier eine beschränkte Zahl von Kopien im Gesetz zu erlauben, ist bisher unerfüllt.

Der Entwurf billigt keine Urheberrechtsverletzungen durch den Download aus Tauschbörsen im Internet, aber nicht jeder Teilnehmer soll kriminalisiert werden. "Dem privaten Nutzer wird eine Überprüfungspflicht abverlangt, was den juristischen Laien allerdings überfordern dürfte ", sagt Helke Heidemann-Peuser. "Wir sind froh, dass Bagatellfälle nicht strafbar sind, allerdings ist es für die Verbraucher ein schmaler Grat".

Die Nutzer von Tauschbörsen müssen sich in Zukunft mit dem Unterschied zwischen einer Urheberrechtsverletzung durch "Herstellung der Vorlage" und "unerlaubter öffentlicher Zugänglichmachung" beschäftigen. Der fleißige Musikliebhaber mit Breitbandanschluss ans Internet bleibt nur dann straffrei, wenn er nicht gegen die Bagatellklausel verstößt. "Wer etwa hunderte von Musiktiteln illegal aus dem Internet herunterlädt, darf nicht damit rechnen, straffrei zu bleiben", heißt es in dem Entwurf aus dem Hause von Brigitte Zypries.

Die rot-grüne Regierungskoalition bleibt beim Urheberrecht ihrer Linie treu, die Medienindustrie zu stärken und Verbraucherrechte einzuschränken. Für die regierenden Sozialdemokraten und Bündnisgrünen steht die vermeintliche Förderung des Wirtschaftsstandortes Deutschland weiterhin an erster Stelle der politischen Agenda.

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