Urheberrechts-Reform Poker um Privatkopien und eine Kreativ-Pauschale

Die Diskussion um ein neues Urheberrecht geht in die heiße Phase. Der Rechtsausschuss des Bundestages verhandelt den Gesetzesentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries, den eigentlich jeder will - nur nicht so, wie er geplant ist.

Wenn der Rechtsausschuss des Bundestages tagt, ist sein Stundenplan mit dem Adjektiv "voll" gemeinhin unzureichend beschrieben. Auf der Tagesordnung der 33. Sitzung, die am Mittwochmorgen gegen 9.30 Uhr begann, fanden sich 19 Tagesordnungspunkte, die noch um drei weitere ergänzt wurden. Die beiden Nachmittagssitzungen jedoch sind nur einem Thema gewidmet - und das sagt viel aus über das Gewicht des Verhandlungsgegenstandes: Es geht um die anstehende Novelle des Urheberrechtes für Deutschland.

Diskussionsstoff gibt es genug. Nicht nur, dass selbst innerhalb der Parteien die Meinungen darüber weit auseinander gehen, wie die EU-Richtlinie zur Neuordnung des Urheberrechtes genau umgesetzt werden sollte. Von außen drücken seit Monaten machtvoll und publikumswirksam die Lobbys der Betroffenen - und von denen ist niemand so richtig einverstanden mit dem Kompromiss, der unter der Ägide von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ausgehandelt wurde.

Die schärfste Konfliktlinie verläuft zwischen der IT- und Geräteindustrie einerseits und den Vertretern der sogenannten kreativen Branchen andererseits. Der Streitpunkt ist die Geräteabgabe, die erstere an letztere abführen sollen - als Ausgleich für Umsatzverluste durch digitale und andere Kopien. Die Verwertungsgesellschaften (VG, die bekanntesten sind die Gema und die VG Wort) verteilen diese Gelder dann nach einem selbst definierten Schlüssel an Autoren und Rechteverwerter wie beispielsweise Verlage.

Die Kreativen - namentlich die Lobbyverbände der Musikindustrie und die Verwertungsgesellschaften von Künstlern und Autoren - sind unglücklich darüber, dass die Höhe der Geräteabgabe begrenzt werden soll. Die Gerätehersteller dagegen sind sauer darüber, dass sie überhaupt einen Prozentsatz ihres Verkaufsumsatzes an die Verwertungsgesellschaften abgeben sollen.

Pauschale ja, aber pauschal mehr

Zypries' Kompromiss sieht eine Begrenzung auf fünf Prozent des Verkaufspreises eines Gerätes vor. Damit hat sich der IT-Branchenverband Bitkom nach zähen Verhandlungen säuerlich lächelnd angefreundet. Die Kreativbranchen hingegen werfen Zypries vor, vor allem das Wohl der Industrie im Auge zu haben und nicht ihre Belange.

Sie rechnen vor, dass die Begrenzung auf fünf Prozent zu einem massiven Einbruch der über VG-Abgaben erhobenen Summen führen würde. Denn neu sind solche VG-Abgaben von Geräteherstellern auf kopierfähige Geräte nicht: Bisher galten sie zum Beispiel für Fotokopierer und wurden pauschal nach Leistungsvolumen erhoben. Auch die Gema, die Gebühren zugunsten von Musikern und Musikverlagen einzieht und diese jährlich in Form einer Tantieme ausschüttet, erwartet durch die Fünf-Prozent-Regelung enorme Einnahmeausfälle. 53 Millionen Euro hätte das Minus ausgemacht, wenn man es auf Basis der Umsatzzahlen von 2004 schätzt - das wären 58 Prozent des Gesamtvolumens.

Die IT-Branchen halten entgegen: Zwar könne es sein, dass die Kreativbranchen am einzelnen Geräteverkauf künftig weniger mitverdienen. Doch würde immer mehr kopierfähige Geräte verkauft, der Markt boome, weshalb am Ende die Kreativen sogar mehr Geld als bisher bekämen.

Für die seit Jahren gebeutelten Kreativen klingt das zynisch. Gerade die wachsende Verbreitung solcher Kopier-Geräte vom Scanner bis zum DVD-Brenner hat den Umsatz seit 2000 um mehr als 40 Prozent einbrechen lassen, rechnen sie vor. Da müsse jetzt weit mehr beschlossen werden als pauschal fünf Prozent.

Wie weit ihre Wünsche gehen, zeigt eine Forderung vom Sommer, wonach sogenannte Multifunktionsgeräte mit einer pauschalen Abgabe von 75 Euro belegt werden sollen. Vor allem den Konsumenten wäre das - gelinde gesagt - schwer zu vermitteln: Solche Geräte sind heute im Handel ab etwa 120 Euro zu haben. Der Preis stiege nach einem solchen Vorschlag auf gut 200 Euro.

Ähnliche Begehrlichkeiten hegen die zum Aktionsbündnis Kopierschutz zusammengeschlossenen Journalistenverbände, der Deutsche Hochschulverband und der Verband Deutscher Schriftsteller gegenüber den Geräteherstellern. Einst konnten ihre Verwertungsgesellschaften (zuvorderst die VG Wort) von Tantiemen profitieren, die vor allem als kleine Pauschalzahlung auf Fotokopien erhoben wurde. Heute dagegen sehen sie Druck- und Kopiermöglichkeiten allerorten: von Tintenstrahldruckern über Scanner bis zu Bildschirmen, auf denen ja auch gelesen wird. Die IT-Branche schafft aus ihrer Sicht ein Gerät nach dem anderen, das für digitale Raubkopien wie geschaffen scheint. Das Aktionsbündnis würde sich rückwirkend mit einer Pauschalzahlung der IT-Branche an ihre Verwertungsgesellschaften zufrieden geben. 1,3 Milliarden Euro hält es als Entschädigung für nicht gezahlte Urheberrechtsvergütungen seit 2002 für angemessen.

Der zweite Zankapfel: Die Privatkopie

Aus Verbrauchersicht fast noch dringender wäre eine eindeutige Regelung des sogenannten Rechts auf Privatkopien. Dieses ist formell gar nicht festgeschrieben, versichert das Bundesjustizministerium. Die Kopie war bisher eher geduldet als erlaubt - ein Zugeständnis an die Realität.

Damit aber wollen sich die Verbände der Urheber nicht mehr abfinden. Das ist verständlich in einer technischen Welt, in der jede Kopie absolut perfekt, weil digital ist. So wollen die Urheber den Kauf von Musik künftig als Nutzungslizenz-Erwerb verstanden wissen, der an Bedingungen geknüpft ist - aus Kundensicht ein Unding.

Verbraucherschützer dringen darum darauf, ein echtes Recht auf Privat- und Sicherheitskopien ins Gesetz zu schreiben. Die Kreativbranchen würden es gerne völlig streichen. Sie fürchten ihren endgültigen Ruin, wenn das Recht festgeschrieben wird, sich vom eigenen, legal erworbenen Gut eine Sicherheitskopie zu machen. Michael Haentjes, Vorsitzender des Bundesverband Phono, rechnet in der Branchenzeitschrift "musikwoche" auf, dass sich die Zahl der privat kopierten (und oft verteilten) Musik-CDs seit 1999 fast verachtfacht hat. Zugleich seien die CD-Verkäufe um 40 Prozent eingebrochen. Haentjes: "Die Schere zwischen gekaufter und kopierter Musik geht immer weiter auseinander, und es liegt auf der Hand, dass die Schranke der Privatkopie dem Verbraucher als Kaufersatz dient."

Tatsächlich ist Zypries' Kompromissvorschlag unbefriedigend. Er spricht dem Konsumenten weder formell ein Recht auf Privatkopie zu, noch verbietet er sie ihm. Stattdessen erlaubt er die Kopie, solange das kopierte Gut nicht "wirksam" gegen Kopien geschützt ist. Der Industrie erlaubt er zugleich ausdrücklich einen solchen Kopierschutz. Diesen zu brechen, ist dann wiederum ein strafbewehrtes Vergehen. Das ist juristischer Weichgummi, mit dem man keine Seite glücklich macht.

All die Lobby-Positionen haben im und vor dem Rechtsausschuss ihre Vertreter. Nur nicht die Verbraucher - sie stehen entweder als potentielle Zahler da oder als Kleinkriminelle, weil sie ihre Geräte zu jenen Zwecken nutzen, für die sie konstruiert wurden.

"Die eigentlich spannende Debatte wird im Rechtsausschuss nicht geführt: Wie die Kreativen gerecht vergütet werden können, ohne Millionen von TauschbörsennutzerInnen zu kriminalisieren", kritisieren die Globalisierungsgegner von Attac und ihre Partner im sogenannten Fairsharing-Netzwerk, der FoeBuD e.V., die Grüne Jugend und das Netzwerk freies Wissen.

Die von ihnen gestellte Frage würden freilich alle Involvierten gern beantworten. Nur darf ernsthaft bezweifelt werden, dass dies dem Rechtsausschuss gelingt. Da werden auch die 10.000 Unterschriften gegen die Reform nicht helfen, die das Filesharing-Netzwerk heute dem Rechtsausschuss zukommen ließ. Denn wo tradierte Verwertungsketten und alte Ansprüche auf neue Techniken, Möglichkeiten und Realitäten stoßen, geht dies nicht ohne Verluste ab. Gerade, wenn keiner zurückstecken kann. Oder will.

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