US-Senatsbeschluss Bauchlandung für Big Brother
Der US-Senat hat damit einem Gesetzesentwurf des demokratischen Senators Ron Wyden aus Oregon zugestimmt, demzufolge die weitere Entwicklung des vom Pentagon angekündigten Schnüffelsystems genau zu prüfen und die Finanzierung einzufrieren ist, sofern das amerikanische Verteidigungsministerium dem Kongress keine detaillierten Pläne zu Umfang, Zielen und Kosten des Programms sowie Erfolgsaussichten und möglichen Einschnitte in die Privatsphäre amerikanischer Bürger vorlegt.
Auswertung von Datenbanken und Web-Verkehr
Das unter Federführung der Hightech-Abteilung des US-Verteidigungsministeriums, DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), entwickelte und mächtig umstrittene T.I.A.-Programm soll offiziell dem Zweck dienen, anhand von Data-Mining und Auswertung des Internet-Datenverkehrs sowie kommerziellen wie staatlichen Datenbanken von Finanzinstituten, Reiseunternehmen oder Gesundheits- und Verkehrsbehörden Terroristen auffindbar zu machen. Für amerikanische Bürgerrechtlern und Privacy-Advokaten aller politischen Lager gleicht das einem wahren Horrorszenario.
Allen Versuchen des Pentagon zum Trotz, die Bedeutung des "Total Information Awareness"-Programms herunterzuspielen, entbrannte entsprechend auch in den amerikanischen Medien ein Sturm der Entrüstung. Und Wyden zufolge sollen selbst hartgesottene republikanische Senatoren das T.I.A.-Konzept als das "weitreichendste Überwachungsinstrument der Geschichte" bezeichnet haben.
Das Pentagon hat angesichts der Senatsentscheidung dagegen erneut unterstrichen, wie wichtig das T.I.A.-Programm und die Entwicklung "innovativer Informationstechnologie-Werkzeuge" zur Bekämpfung von Terrorismus und zur Abwendung von Anschlägen gegen die USA sei.
Auslandsspionage gestattet
Donald Rumsfelds Ministerium hat nun erst einmal 60 Tage Zeit, der Forderung nach mehr Transparenz der T.I.A.-Initiative nachzukommen - ansonsten stoppt der Senat die weitere Entwicklung. Einzig US-Präsident Bush könnte dann die Fortführung der Big-Brother-Initiative durchsetzen, sofern er den US-Kongress davon überzeugen kann, dass eine Vorlage dieses Berichts nicht möglich sei oder ein Abbruch des Monitoring-Projekts "die nationale Sicherheit bedrohe".
Des weiteren ist es der Senatsentscheidung zufolge auch nicht rechtmäßig, das geplante elektronische Schnüffelsystem innerhalb der USA ohne explizite Zustimmung des Kongresses einzusetzen. Schließlich gilt es gemäß der von Wyden vorgebrachten und von verschiedenen anderen demokratischen Parteifreunden sowie einem Republikaner unterstützten Vetovorlage zu verhindern, dass auf Kosten unbescholtener US-Bürger die Grenzen zwischen der militärischen Abwehr externer Gefahren und der nationalen Strafverfolgung verschwimmen. Sprich: Zur Unterstützung von Geheimdiensttätigkeiten oder militärischen Operationen im Ausland - völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um "befreundete" Staaten handelt oder nicht - könnte durchaus im Datenfluss gefischt und die Kommunikation überwacht werden.
Zwielichtiger T.I.A.-Chef Poindexter
Doch als wäre das ganze Vorhaben nicht schon inhaltlich grotesk genug, scheiden sich die Geister nicht zu Unrecht auch personell mächtig an der "Total Information Awareness": Mit dem ehemaligen Navy-Admiral John Poindexter wurde ein schwer umstrittener Zeitgenosse von US-Präsident Bush zum obersten US-Datenschnüffler ernannt. Poindexter, der einst als nationaler Sicherheitsberater Ronald Reagans diente, hatte unter anderem einst nachweislich den Kongress im Iran-Kontra-Skandal belogen. Nur seinem politischen Immunitätsstatus hatte er es damals zu verdanken, dass er dafür nie zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
Nach Bekanntwerden der Data-Mining-Pläne der US-Regierung sollte den zwielichten Lügenbold ("Mr. Supersnoop") jedoch eine - zumindest kleine - Strafe heimsuchen: Kritiker der T.I.A.-Initiative hatten neben anderen persönliche Daten Poindexters Privatadresse, Telefonnummer und sogar Satellitenaufnahmen von seinem Haus auf der ihm gewidmeten Website "The John Poindexter Awareness Office" veröffentlicht.