Alltag von Internetstars »Und auf einmal filmen zehn 15-Jährige in mein Auto«

Varion, UnsympathischTV und Trymacs stehen für eine neue Generation von Unterhaltern im Netz. Hier sprechen die YouTuber und Streamer über ihren neuen Podcast, über Geld und über Fans, die zu weit gehen.
Ein Interview von Markus Böhm
Netzkreative Trymacs, UnsympathischTV und Varion: »Offline sind wir eigentlich nur, wenn es nicht anders geht«

Netzkreative Trymacs, UnsympathischTV und Varion: »Offline sind wir eigentlich nur, wenn es nicht anders geht«

Foto: Jan Kapitän

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Viele Leute dürften von Varion, UnsympathischTV und Trymacs noch nie etwas gehört haben, dabei zählen sie zu Deutschlands größten Internetstars. Mit Clips zwischen Klickreiz und Wahnwitz – etwa »Lehrling vs Gabelstapler «, »Am Ende der Jagd werden die Hasen gezählt « oder »40.000€ Pokémon Display aus 1999 gekauft?! « – erreichen sie Zigmillionen von Videoabrufen. Ihre Inhalte auf YouTube und dem Liveportal Twitch sind das Fernsehpendant für viele junge Menschen, die sich nicht fürs klassische Fernsehen interessieren.

Varion  liefert seinen 1,6 Millionen Abonnenten auf YouTube originell-eigentümliche Ein-Mann-Sketche, UnsympathischTV  präsentiert seinen 2,8 Millionen Abonnenten eskalierte Chats, und Trymacs  streamt für 2,7 Millionen Twitch-Follower ganze Abende lang Videospiele, als eine Art verpeilter Zockerkumpel, der es im Netz zum großen Ruhm gebracht hat.

Das Audioportal Spotify bringt die drei nun für einen wöchentlichen Podcast namens »Offline + Ehrlich« zusammen, der an diesem Dienstag gestartet ist . Mit dem SPIEGEL sprachen sie vorab.

SPIEGEL: Bibi und Julian  podcasten, Rezo und Julien Bam , neuerdings auch MontanaBlack und Simon Unge . Jetzt kommt das nächste Format, das ungefilterte Einblicke in den Alltag von Webstars verspricht. Warum? Sie drei könnten doch auch einfach im Livestream plaudern, oder nicht?

Varion: Max – also Trymacs – und ich hatten die Idee mit dem Podcast schon vor fast zwei Jahren. Wir hören selbst gern Podcasts, und ein Stück weit ist es Prestige, einen zu haben. Und ich habe da halt sehr Bock darauf, weil die Kommunikation anders ist, wenn du dich mit zwei Freunden triffst, als wenn du im Livestream oder in einer Insta-Story über etwas quatschst, während dich ständig Zuschauernachrichten erreichen.

UnsympathischTV: Ein Livestream muss immer zackig sein. Da muss immer über Neues gesprochen werden, man muss Fragen beantworten. Ein Podcast macht es angenehmer und einfacher, näher auf Themen einzugehen. Gespräche und Gedanken entwickeln sich so anders.

SPIEGEL: Ihr Podcast heißt »Offline + Ehrlich«. Wie gut können Sie das, Offline-Sein?

Varion: Offline sind wir eigentlich nur, wenn es nicht anders geht. Im Kino zum Beispiel. Oder eben bei der Podcast-Aufnahme, wenn wir zu dritt schnacken. Da holt niemand aus Langeweile das Handy raus.

Trymacs: Wenn ich mit Freunden oder der Familie unterwegs bin, gucke ich auch mal sechs Stunden nicht aufs Smartphone.

SPIEGEL: Julien Bam hat im SPIEGEL-Interview erzählt , wie er sich als Webvideomacher extrem überarbeitet hat, auch Rezo berichtete von Panikattacken. Wie verarbeiten Sie den Stress, Ihren Fans ständig Videos, Streams oder Storys liefern zu müssen?

Varion: An dem Punkt, dass es mir zu krass wurde, war ich zum Glück noch nicht. Ich mache meinen Sport, und wenn meine Freundin da ist, arbeite ich auch nicht.

Trymacs: Sport und Zeit mit der Freundin, das ist auch mein Ausgleich. Ich streame schon sehr viel. Kürzlich bin ich nach einem Elf-Stunden-Dreh vier Stunden nach Hause gefahren, habe dann noch den Stream angehauen. Zu sehr Bock drauf gehabt. Aber manchmal, wenn ich acht Stunden Gaming streame, spüre auch ich: Es läuft nicht mehr, was zocke ich hier überhaupt zusammen?

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UnsympathischTV: Der Output ist besser, wenn man frei im Kopf ist. Wenn ich zu viele Projekte offen habe, wie dieses Jahr, dann muss ich an manchen Ecken langsamer machen, damit es noch gesund ist. Das hat mich auch ein Nervenzusammenbruch vor drei Jahren gelehrt.

Zu den Personen
Foto: Jan Kapitän

Varion, bürgerlich Florian Kiesow, wurde durch YouTube-Sketche bekannt. Sein Höhenflug auf der Plattform begann Ende 2019. In seinen Videos überspitzt Kiesow Alltagssituationen, dabei lässt er Erfahrungen aus seiner Lehre in der Metallbaufirma seines Vaters einfließen. Fast immer spielt er alle Figuren selbst. Kiesow wohnt in Hamburg.

Foto: Jan Kapitän

UnsympathischTV, der Sascha Hellinger heißt, lebt in Stuttgart und nimmt seine Videos im Keller seines Elternhauses auf. Weit über seine Fangemeinde hinaus bekannt machten ihn zuletzt Liveevents auf Twitch, wie das Angelcamp und das Horrorcamp, bei denen er neben Knossi und Sido zur Stammbesetzung gehörte.

Foto: Jan Kapitän

Trymacs, bürgerlich Maximilian Stemmler, lebt in Hamburg und steht für das Thema Livegaming. Anfang 2021 war Stemmler zeitweise der Twitch-Streamer mit den meisten Abonnenten weltweit. Ein derart großes Interesse beschert hatten ihm Streams zum Thema Pokémon-Karten. Auch auf YouTube hat Trymacs knapp zwei Millionen Abonnenten.

SPIEGEL: Sie drei sind eine neue Generation von Videomachern, die auf YouTube-Pioniere wie Y-Titty und Gronkh folgt. Was machen Sie anders?

UnsympathischTV: Der Content hat sich geändert, der ist lockerer. Bei Y-Titty war viel mehr geskriptet als bei mir.

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Varion: Ich finde, unsere Generation hat das Rad nicht neu erfunden. Gut ist auch, dass die alte Generation noch da ist. Y-Titty ist Geschichte, ja, aber Phil Laude macht weiter Videos. Das ist irgendwie geil, dass alle Platz haben auf YouTube, dass man nicht um Views streiten muss. YouTube kennt zwar mittlerweile jeder, bei Twitch dagegen ist das Limit noch lange nicht erreicht. Das ist immer noch ein neues Ding.

SPIEGEL: Jeder von Ihnen hat Millionen Follower, Sie sind dort, wo sich viele Kinder und Jugendliche hinträumen. Aber Sie zum Beispiel, Varion, sagten in einem Interview , Sie seien eigentlich ein ruhiger Typ, der zu Hause keine Partys feiert. Gar keine Lust auf Exzess?

Varion: Nee. Es ist nicht so, dass ich irgendwelche krassen Wünsche habe. Hauptsache, ich kann mein Geld verdienen, und mein Bruder, der bei mir angestellt ist, hat auch ein gutes Leben. Ich bin eher der Typ, der immer die Zukunft plant, als im Hier und Jetzt zu leben.

Trymacs: Ich war vor ein paar Monaten mit Kollegen, die etwas exzessiver leben, auf Mykonos. Das war interessant zu erleben. Die Kollegen waren da jetzt schon wieder und wollen noch woanders hin, die machen gleich vier solcher Urlaube im Jahr. Ich bin eher derjenige, dem das einmal pro Jahr reicht.

SPIEGEL: Anfang 2020 haben Sie so manchen Ihrer Zuschauer aber überrascht, als Sie im Stream eine Rolex für 60.000 Euro präsentierten. Die tragen Sie seitdem regelmäßig.

Trymacs: Die habe ich mir gekauft, weil ich mir sonst nichts gegönnt hatte. Da habe ich mir gesagt: Eine hole ich mir. Aber ich fange nicht an, solche Uhren zu sammeln.

SPIEGEL: Herr Hellinger, wie ticken Sie: Lieber Livestream als Party?

UnsympathischTV: Ich brauche das nicht, an einem Samstagabend 2000 Euro im Klub ausgeben. Und immer, wenn ich so etwas gesehen habe, ist das nicht gut geendet. Da kann ich dann auch für mich die Zukunft voraussagen, wenn ich so leben würde.

SPIEGEL: Über die Einnahmen von Streamern wurde zuletzt viel diskutiert. Anlass war ein Leak voller Twitch-Daten, durch das unter anderem bekannt wurde, wie viel genau die Plattform an Sie als einen der populärsten Twitch-Künstler Deutschlands ausgeschüttet hat, Herr Stemmler: mehr als eine Million Dollar für knapp zwei Jahre. Wie haben Ihre Fans auf das Leak reagiert?

Trymacs: Es war alles voll im Chat. Das hat mich genervt, dass so ein Fass aufgemacht wurde. Denn eigentlich ist es kein Geheimnis, was Twitch uns zahlt. Man kann das anhand der Subs, also der Bezahlabos, abschätzen. Wir Streamer sind auch echt transparent, erst recht im Vergleich zu Instagram-Influencern: Jeden Dezember – das ist der Monat mit den höchsten Einnahmen – zeige ich meinen Zuschauern, was ich über YouTube verdiene.

UnsympathischTV: Ich kann verstehen, dass so eine Zahl krass wirkt, wenn man sie zum ersten Mal sieht. Wahnsinnig viele wünschen sich, Streamer oder YouTuber zu werden. Und vielleicht möchten sie es noch mehr, wenn sie eine solche Zahl sie flasht.

SPIEGEL: Dass Sie überhaupt so offen über Geld sprechen, das ist auch ein Unterschied zur Videomachergeneration vor Ihnen, oder?

UnsympathischTV: Ich glaube, wir sind auch deshalb transparenter, weil zu unserer Generation Creator zählen, die sehr viel von dem zeigen, was sie erreicht haben. Das fängt an bei Schuhen für Tausende Euro und endet beim Sportwagen für Hunderttausende Euro. Da kommt schon die Frage auf: Wie können die sich das leisten?

SPIEGEL: Bekanntheit hat auch Schattenseiten. Der Streamer MontanaBlack  erzählte kürzlich in seinem Podcast, hätte er heute noch einmal die Wahl, wo sein Leben hinsteuert, würde er nicht noch einmal genauso berühmt werden wollen. Zu sehr sei sein Privatleben eingeschränkt. Wie ist das bei Ihnen? Werden Sie bei jedem Supermarktbesuch von Fans belagert?

UnsympathischTV: Was ich mache, würde ich jederzeit wieder machen. Ich kann im Sommer nicht ins Freibad gehen, das ja, aber es gibt schlimmere Dinge. Und einkaufen gehe ich meist erst um 22 oder 23 Uhr – oder ich nutze Liefer-Apps. Die kommen mir sehr entgegen.

Varion: Der Personenkult um MontanaBlack ist viel größer als bei mir, ich kann noch überall hin. Trotzdem: Könnte ich dasselbe machen und dabei unbekannt sein, wäre mir das lieber.

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SPIEGEL: Ihr Kanal Varion steht für Sketche mit teils grenzdebil wirkenden Figuren. Sprechen Leute Sie oft so an, als seien Sie eine dieser Figuren?

Varion: Schon. Es kommt aber immer darauf an, wie man es macht. Wenn einer ruft »Ey Stift!« oder »Ey Günther!«, ist das weird. Ich werde natürlich lieber Flo genannt. Kaya Yanar will ja bestimmt auch nicht immer als Ranjid angesprochen werden.

SPIEGEL: Herr Stemmler, wird der Umgang mit Fans auf der Straße mit den Jahren leichter?

Trymacs: Das Problem ist, dass es nur eine Richtung gibt: Leute, die seit Jahren meine Videos schauen, denken, sie treffen einen Freund. Aber ich habe natürlich keine Ahnung, wer sie sind. Genauso ging es mir aber, als ich bei einem Dreh Klaas Heufer-Umlauf begegnete. Da wusste ich alles Mögliche über ihn und wie er tickt, aber er kannte mich gar nicht.

SPIEGEL: Wo nervt Sie Ihre Bekanntheit im Alltag am meisten?

Trymacs: Es kommt vor, dass ich an der Kreuzung stehe – und auf einmal filmen zehn 15-Jährige in mein Auto. Oder andere Autos folgen mir, weil jemand wissen will, wo ich wohne. Das ist nervig. In der Stadt werden meine Freundin und ich auch häufig von Zuschauern verfolgt, manche schreien die ganze Zeit. Das nervt sehr, gerade weil ich eigentlich nicht besonders extrovertiert bin.

UnsympathischTV: Solche Momente, in denen man gern unerkannt bliebe, gehören dazu. Aber wir können ja auch ziemlich stolz auf uns sein. Und verstecken müssen wir uns vor niemandem.

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