Versuchsballon Universal bietet Musik-Flatrate per Internet-Provider
Die Musik-Flatrate in Form eines Aufschlags auf die DSL-Gebühr wird seit mehreren Jahren in der Branche heiß diskutiert: Manchen gilt sie als Königsweg, endlich den Kampf gegen die eigene, diebische Kundschaft aufgeben zu können und trotzdem Geld zu verdienen, anderen als Ausverkauf, als virtueller Wühltisch. Umstritten ist das Modell vor allem, weil es die rapide schwindenden CD-Verkäufe, wie auch den Markt für Einzel-Downloads weiter schwächen könnte. In Großbritannien prescht nun Universal als erstes der vier Major-Labels vor, um die Marktchancen des Konzeptes zu sondieren.
Kunden des Internet-Anbieters Virgin Media können demnach ab Ende des Jahres eine monatliche Zusatzgebühr entrichten, um Vollzugriff auf die Bestände von Universal zu bekommen. Virgin setzt dabei auf Zuckerbrot und Peitsche: Zeitgleich zur gebührenpflichtigen Lizenz zum Download führt der Provider Internet-Ssperren für Kunden ein, die sich ohne Zahlung an den Downloads bedienen.
Nischenlösungen laufen nicht
Das Modell kann nur funktionieren, wenn es Universal und dem Provider gelingt, die anderen Majors und die wichtigsten Indie-Labels an Bord zu holen: Auswahlkriterium für Musik ist gemeinhin der Geschmack sowie Präferenzen für bestimmte Künstler - nach Plattenfirma hingegen sucht sich kein Mensch seine Musik aus. Frühere Versuche, Download-Portale firmengebunden oder mit eingeschränktem Angebot anzubieten, sind zwangsläufig gescheitert.
Eher durchwachsen war bisher auch der Erfolg der zum legalen Anbieter mutierten ehemaligen P2P-Börse Napster, die genau das seit Jahren anbietet: Flatrates mit Vollzugriff zur Musik aller großen Labels. Anders als Napster soll das Universal-Angebot nun aber auch unlimitierte Downloads beinhalten, die nicht nur auf mobile Abspielgeräte überspielt werden können, sondern auch abspielbar bleiben, wenn man nicht mehr zahlender Kunde des Anbieters ist.
Was macht der Handel?
Das Geschäftsmodell von Napster wird damit genauso in Frage gestellt wie das von Download-Shops wie Apples iTunes oder Amazon. Sie alle bieten Downloads nur gegen Einzelzahlungen von etwa einem Euro pro Lied an. Das Preisniveau beruht unter anderem auf einer prozentualen Abgabe an die Musikindustrie: Den Shop-Betreibern dürfte ein Flatrate-Download-Modell gegen relativ kleines Geld sauer aufstoßen. Wie viel Universal und Virgin verlangen wollen, ist bisher nicht bekannt.
Dahinter steht die Grundidee einer Steuer-ähnlichen Musikabgabe, an die sich Kunden gewöhnen sollen und die ihnen die Möglichkeit gibt, sich frei von Angst vor Strafverfolgung im Web mit Musik zu bedienen. Musik anzumachen wäre dann Teil einer bezahlten Grundversorgung - so wie Strom oder Wasser. Brancheninsider rechnen damit, dass das Angebot vor allem für Eltern verlockend klingt, die sich Sorgen um Abmahnungen oder Klagen machen.
Das Projekt soll Ende des Jahres starten. Es ist laut den Beteiligten die weltweit erste Kooperation von Musikindustrie und einem Internet-Anbieter. Virgin Media will noch andere Plattenfirmen ins Boot holen.
Für relative Sicherheit soll ein Watermarking-System sorgen. Verborgene Wasserzeichen, also Kennziffern zur Download-Datei eines zahlenden Kunden, sollen die heruntergeladenen Lieder identifizierbar und automatisiert aufspürbar machen: Virgin will Kunden, die sich dabei erwischen lassen, die Leitung zum Web zeitweise abklemmen - eine Regelung nach dem Vorbild des geplanten, aber bisher gescheiterten französischen Hadopi-Gesetzes (Zeitstrafen gegen Downloader).
Erziehungsarbeit für die Generation Download
Der Rechteinhaber Universal Music, hieß es dazu bei der Vorstellung des Modells, könne mit einer Software die Adresse eines Rechners identifizieren, auf dem sich Musik befindet, die ein anderer Nutzer zuvor legal aus der digitalen Bibliothek von Universal Music heruntergeladen hatte.
Der weltgrößte Musikkonzern will auf diesem Wege Musikpiraten "umerziehen". In einem ersten Schritt sollen sie über legale Alternativen aufgeklärt werden. Wer sich dagegen sträube, solle vom Internet ausgeschlossen werden, sagte Emma Hutchinson, Sprecherin von Virgin. "Wir prüfen mehrere Optionen für eine befristete Sperrung. Das können fünf Minuten oder im Härtefall fünf Monate sein."
Eine rechtliche Absicherung gibt es für diese Kooperation bisher noch nicht. Das Projekt basiert auf einem Memorandum der Britischen Phono-Industrie und des Wirtschaftsministeriums. Die Regierung will diese Woche einen Online-Report vorlegen, in dem Maßnahmen gegen Internet-Piraterie erwartet werden.