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Schmink-Videos: Mut zur Hässlichkeit, Mut zur Schönheit

Foto: YouTube/ My Pale Skin

Schönheitsdebatte im Netz "Du siehst widerlich aus" - "Du bist so hübsch"

Was ist schön? Was ist hässlich? Und wer entscheidet darüber? Zwei YouTuberinnen offenbaren mit klugen Clips Flachheit und Feigheit der Beauty-Debatte.

Seit einigen Tagen kursiert im Internet das Video einer jungen Frau. Titel: "You look disgusting". Sie posiert vor neutralem Hintergrund, während Kommentare von Nutzern eingeblendet werden: "Ich kann sie nicht mal ansehen." - "Du siehst widerlich aus." - "Iiiihhhhh." - "Schrecklich." - "Ekelhaft."

Die blonde Britin zeigt sich ohne Make-up. Und sie hat Akne.

Dann beginnt die Frau, sich zu schminken. Übertuscht ihre Aknepusteln, zieht die Brauen nach, grundiert ihr gesamtes Gesicht dick mit einem Pinsel. Künstliche Wimpern, noch mehr Make-up, Rouge. Kurz sieht ihr Gesicht leblos aus, blass, puppengleich. Dann malt sie ihre Lippen rosa und ist eine andere Person.

Wieder tauchen Kommentare auf: "Du bist so hübsch." - "Du bist so süß." - "Du sieht wunderschön aus." - "Ich liebe dein Make-up." Der Clip trägt den Titel "You look disgusting" - "Du siehst widerlich aus". "You look disgusting" ist eine Art Kunstwerk.

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Bis zu diesem Punkt erinnert der Film an ein anderes Video, dass vor einigen Wochen auf YouTube auftauchte und seitdem fast 20 Millionen Mal angeklickt wurde. "The Power of MAKE-UP!" ist ein Clip, der auf dem Schminktipp-Kanal Nikkie Tutorials veröffentlicht wurde. Die 21-jährige Niederländerin Nikkie will Selbstbewusstsein zeigen und damit Menschen entgegentreten, die meinen, Frauen würden sich lediglich schminken, um "Männer zu beeindrucken oder ihre eigenen Unsicherheiten zu verbergen". Schminken mache einfach Spaß. Auch sie schminkt sich in dem Clip - aber nur die eine Hälfte ihres Gesichtes. Der Kontrast am Ende dieses Vorgangs ist erstaunlich.

Das Video inspirierte viele. Die jüngsten der rund 10.000 Kommentare sind durchweg positiv. Sie gratulieren Nikkie zu ihrem Selbstbewusstsein oder schreiben, dass es die Persönlichkeit sei, die schön macht. Unter dem Hashtag #powerofmakeup  zeigten Hunderte Frauen und Mädchen sich nun selbstbewusst nur halb geschminkt.

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Auch "You look disgusting" stammt von einer Beauty-Bloggerin. Im Netz nennt sie sich nur Em, ihr Kanal heißt "My Pale Skin". Am Anfang ihres Clips heißt es, sie habe sich vor drei Monaten dafür entschieden, sich ungeschminkt im Netz zu zeigen. Seitdem habe sie mehr als 100.000 Kommentare zu ihrem Äußeren erhalten.

In "You look disgusting" reflektiert sie diese Reaktionen. Gegen Ende des Films ist sie noch immer geschminkt, sogar perfekt geschminkt, wie man es sonst nur von Stars auf dem roten Teppich kennt. Doch die freundlichen Kommentare kippen langsam in wüste Beleidigungen.

"Respektiere dich selbst, du verdammte Nutte." - "Vertraue keiner Schlampe mit Make-up." - "Du bist so widerlich, darum trägst du Make-up."

Schließlich kommt eine dritte Gruppe zu Wort. Jene, die selbst unter ihrer Akne leiden und sich verstanden fühlen: "Meine Akne sorgt dafür, dass ich mich wertlos fühle." - "Ich bin zwölf Jahre alt. Bitte hilf mir." - "Ich fühle mich schmutzig."

Aber auch Menschen, die sich offenbar von dem Video in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt fühlen, melden sich zu Wort: "Ich bin mehr als meine Haut." - "Mein Selbstvertrauen wächst." Und: "Ich fange endlich an, mich zu akzeptieren."

Beide Filme sind Symptome einer Netzdebatte über echte und falsche Schönheit, die derzeit unter Jugendlichen läuft. Noch aktueller als die Videos ist die #Dontjudgechallenge . Dabei geht darum, sich möglichst hässlich zu machen, um dann mit seinem normalen Look zu überzeugen. Der Hashtag wurde allerdings längst von männlichen und weiblichen Abschlussballschönheiten gekapert. Die schminken sich hässlich, um dann noch schöner zu wirken. Dafür wird die Aktion kritisiert. Allerdings kann man auch viel über die Schönheitsideale Jugendlicher lernen. "Ugly" sind dicke, schwarze Augenbrauen, Zahnspangen, Brillen und Akne.

Wie oberflächlich ist das Netz?

Schönheit im Netz ist trügerisch. Bei Selfies wird mit Make-up und Photoshop getrickst. In Videos werden die Stellen, in denen man ein komisches Gesicht macht, herausgeschnitten. Die sozialen Netzwerke sind der rote Teppich vieler Jugendlicher. Mit dem Video auf ihrem Blog "My Pale Skin" hat Em nicht nur all jenen, die sie beschimpft haben, eine souveräne Antwort gegeben. Sondern auch eine wichtige Frage aufgeworfen. Wie oberflächlich ist das Netz? Und wie simpel definieren die Nutzer dort Schönheit.

In den wenigen Tagen, seit der Film online ist, wurde er mehr als acht Millionen Mal angesehen. Obwohl heute fast jeder die Mittel hat, ein Video zu drehen, haben leider nicht alle im Netz die Möglichkeiten, Netzhäme so cool zu retournieren. In Ems Selbstbeschreibung liest man, dass die Frau es gewöhnt ist, nach ihrem Äußeren beurteilt zu werden - und dass sie ein Medienprofi ist: Ex-Model, mehrfach ausgezeichnete Filmemacherin. Momentan arbeite sie Vollzeit in einer Agentur, in der sie Werbevideos drehe.

Ihr Dreiminüter wirft die Frage nach den Problemen und Möglichkeiten der Selbstoptimierung auf. Vor allem aber zeigt das Video eines: dass Mut und Feigheit im Internet leicht verwechselt werden. Ist es mutig, jemanden, den man nicht kennt, versteckt hinter einem Nutzernamen zu beschimpfen?

"You look disgusting" gibt ein Beispiel dafür, dass man solche Posts nicht persönlich nehmen sollte und wie man ihnen die Kraft nehmen kann. Und Em hat einmal mehr gezeigt, dass das Internet viele Menschen feige macht - aber auch einige ganz schön mutig.

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