Web-Herrschaft Fusionsflop wirft Microsoft und Yahoo zurück
Zuletzt legte Steve Ballmer noch einmal fünf Milliarden Dollar drauf. Das Angebot zeigte, wie ernst es ihm damit war, Yahoo, den zweitgrößten Internetkonzern des Planeten, mit Microsoft zu verschmelzen. Doch Yahoos Managern war selbst das nicht genug. Sie wollten mehr, noch einmal fünf Milliarden.
Das war dem Microsoft-Chef Ballmer doch zu viel. In einem persönlichen Brief an den Yahoo-Gründer und Vorstandsvorsitzenden Jerry Yang zog er sein Angebot zurück, zeigte sich tief enttäuscht und gab an, Microsoft habe sich "nach reiflicher Überlegung" und im Interesse seiner Anteilseigner und Angestellten gegen die Übernahme entschieden.
Bei Verhandlungen in der vergangenen Woche habe Microsoft mit der Erhöhung seines Angebots erneut seinen "Glauben an die gemeinsame Chance" gezeigt, schrieb Ballmer. Microsoft hatte Yahoo zuletzt einen Wert von 47,5 Milliarden Dollar (30,73 Milliarden Euro) zugestanden. "Trotz unserer besten Anstrengungen (...) war Yahoo nicht dazu bereit, unser Angebot anzunehmen." Er glaube weiterhin, dass die angestrebte Übernahme sowohl für Microsoft als auch für Yahoo und "den gesamten Markt" Sinn ergeben hätte.
Microsoft ist auf dem wichtigen Markt für Internetwerbung in der Defensive. Der Rivale Google wird dieses Jahr nach Schätzung der Marktforscher von eMarketer mehr als 30 Prozent der Umsätze in diesem Geschäft kassieren, Yahoo 14 Prozent und Microsoft knapp 7. Internetwerbung wird auch für Microsoft immer wichtiger, da kostenlose werbefinanzierte Internetsoftware den Programmen des Konzerns aus Redmond zunehmend Konkurrenz macht.
Angesichts der Google-Übermacht wäre auch der Kauf von Yahoo nach Meinung mancher Analysten nur bedingt sinnvoll gewesen. Schließlich, so das Argument der Zweifler, hätten Kauf, Umstrukturierung und Integration des Portals mindesten zwei bis drei Jahre gedauert und enorme Summen gekostet. Während dieser Zeit des Umbaus hätte sich Google ungehindert weiter ausbreiten und seine Position stärken können.
Ohne die Bürden der Übernahme könne sich Microsoft nun besser auf seine Kernkompetenzen in der Softwareentwicklung konzentrieren und habe zudem reichlich liquide Mittel, um die eine oder andere vielversprechende Startup-Firma zu schlucken und auf diese Weise seine Position im Web zu stärken.
Befürworter der Übernahmen allerdings argumentieren, Yahoo sei Microsofts beste und möglicherweise letzte Möglichkeit, seine dominierende Stellung im zunehmend vom Internet geprägten PC-Markt zu behaupten. Schließlich brächte das Unternehmen 500 Millionen Internet-User, eine bekannte Online-Marke und vor allem das zweitgrößte Online-Anzeigenetzwerk mit in die Ehe ein.
Kann die feindliche Übernahme doch noch kommen?
Obwohl er selbst im April eine feindliche Übernahme als letzte Option in Aussicht gestellt hatte, machte Steve Ballmer einen Rückzieher. Er bezeichnete das Wagnis, das mit einer solchen Übernahmeschlacht verbunden wäre, als "nicht vernünftig".
Im Rahmen einer feindlichen Übernahme hätte Microsoft so lange Yahoo-Aktien aufkaufen können, bis der Konzern eine ausreichende Stimmmajorität angesammelt hätte. So hatte man den jetzigen Vorstand durch neue Manager ersetzen können, die einer Übernahme gewogen wären.
In seinem Brief an Yang erteilt Ballmer dieser Möglichkeit allerdings eine klare Absage: "Unsere Unterredungen mit Ihnen haben uns zu der Schlussfolgerung geführt, dass Sie in der Zwischenzeit Maßnahmen treffen würden, die Yahoo für uns als Übernahmekandidaten unattraktiv machen würden."
Microsoft könnte sein Angebot allerdings in einigen Monaten erneut formulieren - falls es Yahoo bis dahin nicht gelungen ist, sich aus seiner seit gut zwei Jahren anhaltenden finanziellen Lethargie zu lösen. Sollten Yahoos Versuche, das Ruder herumzureißen, nicht greifen, könnte der Aktienkurs auf deutlich unter 20 Dollar fallen, glauben Analysten. In einer solchen Situation dürfte es für das Management ungleich schwieriger werden, ein erneutes Übernahmeangebot auszuschlagen.
Wie kann Microsoft seine Position im Web trotzdem stärken?
Microsoft wollte mit der Yahoo-Übernahme seine Position im einträglichen Online-Werbemarkt verbessern und damit Branchenprimus Google den Rang streitig machen. "Yahoo hätte unsere Strategie beschleunigt, aber wir können trotzdem vorankommen", schreibt Ballmer. Dazu seien "strategische Kooperationen mit anderen Partnern" geplant, ergänzt er. Welcher Art diese Kooperationen allerdings sein sollen, erläutert er nicht.
Stattdessen gibt er sich selbstbewusst, versucht die Bedeutung des Yahoo-Deals herunterzuspielen. Microsoft habe eine talentierte Mannschaft und einen ausgefeilten Plan, wie man mit neuen Dienstleistungen und strategischen Partnerschaften die momentane Google-Dominanz im Internet-Business überwinden könne. Laut Ballmer hätte Yahoo lediglich dazu beigetragen, dieses Ziel schneller zu erreichen.
Bislang jedoch sind alle Versuche seitens Microsoft gescheitert, im boomenden Web Fuß zu fassen. Selbst die direkte Kopplung des Webdienstes MSN an das Windows-Betriebssystem brachte den Konzern kaum voran. Stattdessen verschlief das Unternehmen nahezu jeden Online-Trend, kann weder bei sozialen Netzwerken noch bei Suchmaschinen punkten.
Allerdings befand sich das Unternehmen schon einmal in einer derartigen Position, als es darum ging, mit Webbrowsern den Einstieg ins Web zu ermöglichen. Mit enormen Aufwand und der Einbindung des Internet-Explorers ins Betriebssystem schaffte es der Konzern dann aber doch, eine vorherrschende Stellung zu erobern.
Derzeit gelingt es Microsoft aber nicht, auf ähnliche Weise in den Markt für Online-Applikationen vorzudringen. Wo Google beispielsweise mit Google Docs schon komplette Office-Applikationen kostenlos online anbietet, plagt sich Microsoft noch mit Versuchen, sein Office-Paket via Web attraktiv zu machen.
Welche Alternativen hat Yahoo?
Indem er das Microsoft-Angebot ausgeschlagen hat, manövriert sich Yahoo-Chef Jerry Yang in eine gefährliche Position. Er hatte in Aussicht gestellt, dass Yahoos Umsatz in den kommenden zwei Jahren um jeweils 25 Prozent steigen werde. Analysten hingegen bezweifeln, dass Yahoo diesem Ziel auch nur nahe kommen wird. Sollte das passieren, droht Yang heftiger Widerstand von Aktionären.
In einer ersten Mitteilung gab sich der Yahoo-Gründer allerdings voller Kampfgeist. "Nachdem wir die Ablenkung durch Microsofts unaufgefordertes Angebot hinter uns gelassen haben, können wir uns jetzt wieder mit all unserer Energie auf die wichtigste Umwälzung in unserer Geschichte konzentrieren", sagte Yang.
Schon während die Verhandlungen mit Microsoft noch liefen, hatte Yahoo Verhandlungen über eine Partnerschaft mit Google sowie über eine mögliche Fusion mit AOL, der Internetsparte von Time Warner, begonnen. Noch ist aber unklar, ob Yahoo diese Gespräche fortsetzen wird, nachdem Microsoft sein Interesse an einer Übernahme verloren hat.
Unbestätigten Meldungen zufolge sei das Unternehmen aber weiterhin offen für derartige Kooperationen. Laut Nachrichtenagentur Reuters könnte Yahoo bereits kommende Woche ein Abkommen mit Google bekanntgeben. Demnach würde Yahoo künftig die Ergebnisse von Suchanfragen mit Werbeeinblendungen von Google versehen.
Was wird jetzt passieren?
Für Yahoo zeichnet die Analystin Laura Martin von Soleil Securities ein düsteres Bild. Nach ihrer Ansicht habe Yahoo zu hoch gepokert, einen überzogenen Preis gefordert. Die Quittung dafür werde das Unternehmen am Montag an der Börse bekommen. Um etwa acht Dollar, so Martin, werde die Aktie an der Nasdaq fallen. In Erwartung einer Einigung am Wochenende war der Kurs am Freitag um sieben Prozent auf 28,67 Dollar gestiegen.
"Die Jungs von Yahoo verlangen zu viel Geld für ihre Firma. Nach unserer Ansicht sind 33 Dollar pro Aktie angesichts des schwächelnden wirtschaftlichen Umfelds und des rückläufigen Werbemarkts ein faires Angebot", sagte Martin. Sie fürchtet, dass Yahoo nun Klagen von Anteilseignern in Haus stehen. Die hatten sich bereits auf satte Gewinne aus dem Microsoft-Deal gefreut.
Mit AP und Reuters