Werbekrise Nur Qualität kann Google schlagen
Hamburg - Mit Buchstaben auf Zeitungs- oder Magazinpapier Geld verdienen zu müssen, ist derzeit kein erquickliches Geschäft, besonders in den USA. Die aktuellste Nachricht in einer nicht abreißenden Folge von Hiobsbotschaften stammt aus den Büchern der "New York Times": Im 4. Quartal 2008 hat die Zeitung 48 Prozent weniger Gewinn gemacht als im Vorjahreszeitraum. Erst vor ein paar Wochen musste sich Amerikas berühmteste Zeitung vom mexikanischen Mobilfunk-Multimillionär Carlos Slim mit 250 Millionen Dollar aushelfen lassen.
Die Wirtschafts- vermengt sich mit einer globalen Zeitungskrise und sorgt für Existenzängste. In den USA noch weit stärker als in Deutschland, wo Medienmanager gegenwärtig auch ständig Wörter wie "Gesundschrumpfen" und "auf Wirtschaftlichkeit überprüfen" im Munde führen. Gruner und Jahr hat bei seinen Wirtschaftstiteln drastische Einschnitte vorgenommen, die WAZ-Gruppe will massiv Geld einsparen, in den USA hat die ehrwürdige Tribune-Gruppe schon im Dezember Insolvenz angemeldet. Die Branche rechnet mit weiteren Pleiten.
Dass dies neben einer Wirtschafts- auch eine Medienkrise ist, zeigt eine weitere Zahl aus dem Quartalsbericht der "NYT": Auch mit Online-Werbung, an sich seit Jahren ein verlässlicher Wachstumsmarkt, hat man Ende 2008 3,5 Prozent weniger umgesetzt als im vorangegangenen Quartal. Selbst die schwache Hoffnung, dass wachsende Erlöse aus dem Netz das immer schwächere Printgeschäft eines Tages stützen könnten, bekommt somit eine Delle.
Sogar Google hat im vierten Quartal 2008 weniger mit Werbung verdient, als Analysten erwartet hatten. Der Gewinn der Suchmaschine wächst aber weiter, wenn auch langsamer. Geschätzte 60 Prozent der online erzielten Werbeumsätze entfallen auf Google - der Monolith droht, im Netz alles andere unter sich zu begraben.
"Ende 2009 wird es weniger Zeitungen geben"
Marissa Mayer von Google hat Mitleid: "Die traditionellen Medien haben im Augenblick eine schwere Zeit. Es ist sicher richtig, dass es Ende 2009 weniger Zeitungen geben wird als Anfang 2009." Die Branche stehe "wirklich vor einer Krise", sagte die Suchmaschinen-Managerin bei der DLD-Konferenz in München zu SPIEGEL ONLINE. Und weil "die neuen Medien so viel Druck auf die Nachrichtenbranche ausüben, muss die wirklich schnell Antworten finden." Bei Google arbeite man daran, das eigene Anzeigenmodell so auszubauen, dass "es sich noch besser auf Online-Journalismus übertragen lässt".
In den Ohren der Verleger dürfte das eher wie eine Drohung denn eine frohe Botschaft klingen. Aus ihrer Sicht zerstört das Google-Imperium derzeit permanent Werte. Hubert Burda etwa platzte bei der vom eigenen Haus organisierten, durchaus internet-zentrischen Konferenz DLD regelrecht der Kragen. "Wir dachten alle, im Web gäbe es ein gutes Werbemodell", sagte der Verleger, "aber es hat nicht geklappt. Google hat alles verändert."
Im Internet, schob Burda vor einem teilweise schockstarren Publikum nach, verdiene man "lausige, lausige Pfennigbeträge". Das eigene Nachrichtenportal "Focus.de" werde "mehr oder weniger" aus den Erlösen des Reiseportals Holidaycheck querfinanziert, so Burda. Wirtschaftlich nachhaltigen Qualitätsjournalismus stellt man sich anders vor.
"Der Preis wird nie wieder der gleiche sein"
Burda reagierte auf "TechCrunch"-Gründer Michael Arringtons herablassend vorgetragene These, Blog-Unternehmer wie er selbst würden den klassischen Journalismus demnächst überflüssig machen. Aus Sicht der Suchmaschinisten ist eine Medienmarke heute ohnehin eher eine Art Büroklammer, die lose Blätter zusammenhält: "Die atomare Konsumeinheit verändert sich durch die neuen Medien", glaubt Marissa Mayer, "früher war es ein Album, jetzt ist es, dank iTunes, ein Song. Früher war es eine ganze Zeitung, heute ist es ein einzelner Artikel", so ihre These.
In der Tat dürften viele Tageszeitungen derzeit Leser an das Internet verlieren, was nicht zuletzt mit Aktualität zu tun hat. Ob diese Leser ihre Nachrichtensuche jedoch primär über Google erledigen, darf bezweifelt werden. Je unsicherer die Zeiten sind, desto stärker verlassen sich Menschen auf (Medien-)Marken denen sie vertrauen. Und dafür sprechen auch aktuelle Zahlen aus Deutschland.
Die Reichweite des SPIEGEL etwa ist derzeit auf einem Zehnjahreshoch - der immer wieder bangend beschworene Leserexodus findet nicht statt. Die Reichweite der "Zeit" ist derzeit so hoch wie seit 18 Jahren nicht . Gerade wöchentlich erscheinenden Publikationen schadet das Internet nicht. Gleichzeitig steigt die Reichweite vieler Online-Medien weiterhin stetig an, allen voran die von SPIEGEL ONLINE - einem, das nebenbei, längst profitablen Unternehmen.
Eine Atomisierung der Mediennutzung findet nicht statt
In Wirklichkeit ist die Krise keine publizistische - in Deutschland noch weniger als in den USA. Eine Atomisierung der Mediennutzung findet nicht statt, höchstens eine Verlagerung. Das Problem besteht vielmehr darin, dass online nach wie vor vergleichsweise wenig für Werbung bezahlt wird - und dass viele Unternehmen sich angesichts der Krise scheuen, überhaupt zu werben, ob im Netz oder auf Papier. Sony beispielsweise machte im vergangenen Quartal 95 Prozent weniger Gewinn als im Vorjahr - wer so viel weniger verdient, dreht jeden Werbe-Euro zweimal um. Das kostet Zeitungen und Magazine Einnahmen. Die Frage ist, wohin die globalen Werbemilliarden fließen werden, wenn die Rezession überwunden ist.
Blogger, Journalist und Medienprofessor Jeff Jarvis, Autor des eben erschienenen Buches "What would Google do?" glaubt, dass die Preise im Netz niedrig bleiben werden: "Das begrenzte Angebot hat es uns erlaubt, so viel Geld zu nehmen, wie wir wollten - 'die Druckerpresse gehört mir, nicht dir' - und das geht nicht mehr. Es gibt online immer jemand anderen, bei dem man die Anzeige schalten kann, der Preis wird nie wieder der gleiche sein." Außer Acht lässt er dabei, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, in welchem redaktionellen Umfeld man wirbt, welchen Leserkreis der Werbetreibende erreichen will.
Jarvis empfiehlt trotz allem, "die Werbetreibenden ins Netz zu drängen", indem man "jedermann mit Breitband-Internet versorgt". Mit höheren Preisen für Web-Werbung im Nachrichtenumfeld jedenfalls wäre der Branche gedient - und dem Leser auch, der im Netz zu Recht Qualität erwartet.
"Haben wir ein Recht auf dieses Geld?"
Die im Vergleich zu Print-Anzeigen niedrigen Preise für Banner und ähnliche Werbemittel sind für die Presse schon das zweite Problem aus dem Netz - das erste ist der Verlust des Kleinanzeigengeschäftes, das fast vollständig dorthin abgewandert ist. Das stehe beispielhaft für die Tatsache, dass die Entwicklung keineswegs ungerecht sei, findet Jarvis: "Haben wir, die Medien, ein Recht auf dieses Geld? Haben wir das Recht, der Mittelsmann bei all diesen Handelstransaktionen zu sein? Nein! Auch wenn wir es all die Jahre verwendet haben, um Journalismus zu subventionieren."
Die Einnahmen vieler Medienhäuser sinken, nicht aber die Kosten für Qualität. Einen Reporter in ein Krisengebiet zu schicken, sagt Carolyn McCall vom britischen "Guardian", das sei ernsthafter Journalismus. "Und ernsthafter Journalismus wird immer Geld kosten." Der "Guardian" baue darauf, dass der Leser das honoriere, und dass das so sei, zeige die Erfahrung, etwa mit der eigenen Berichterstattung aus dem Irak. Ein Prinzip, dass auch für den SPIEGEL, SPIEGEL ONLINE und andere Qualitätsmedien gilt. Aufwendige Recherchen, Reportagen aus aller Welt brauchen Organisation, brauchen Berufsjournalisten. Und die kosten Geld.
Magazinmacher-Legende Tyler Brulé ("Wallpaper", "Monocle") hofft, dass anspruchsvolle Print-Leser sich künftig auch als Förderer fühlen werden, "als eine Art Kunstmäzen". Einen Schritt weitergedacht heißt das: Wer die Zielgruppe der Medienmäzene verlässlich erreichen will, die Qualitätssucher, gut ausgebildete und gebildete Leser, der muss in einem entsprechenden redaktionellen Umfeld werben. Daran ändert auch Google nichts.
Für Brulés These spricht eine weitere, Hoffnung machende Zahl aus der Bilanz der "NYT" - der Kunde ist, auf Papier zumindest, offenbar bereit, für Qualität zu zahlen. Die Verkaufserlöse für "NYT" und "Boston Globe" sind, nach einer Preiserhöhung, um knapp vier Prozent gestiegen.