Werbung 2.0 Der Blogruf des Geldes

Online-Werbung boomt. Doch Blogger bekommen von den Werbemillionen bisher kaum etwas ab. Das soll sich jetzt ändern - verspricht die Firma "Adical". Und bezieht dafür prompt Prügel von Bloggern.

Theoretisch müssten viele Blogger gutes Geld verdienen. Denn die Zeiten für Online-Werbung sind so gut wie nie: Nach Schätzungen des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) haben deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr satte 1,9 Milliarden Euro in Internet-Werbung investiert. Und die Mediaagentur ZenithOptiMedia hat ausgerechnet, dass Online-Werbung sechsmal schneller als die traditionelle Werbung wächst - und bereits im kommenden Jahr das Radio als Werbeträger überholt haben wird.

Doch in der Praxis bekommen die Betreiber privater Blogs von den schnell wachsenden Werbe-Budgets bisher kaum etwas ab: Zum einen sind die Leserzahlen ihrer Angebote oft vergleichsweise klein, zum anderen sind die Werbetreibenden, die sich eher mit klassischen Medien auskennen, noch immer unerfahren: Was ist das noch mal, so ein Blog?

Und wenn sich Werber doch mal in Blogs verirren, dann produziert das oft unerwünschte Effekte – weil sie sich dann und wann schlicht zu dumm anstellen. Das Problem: Die Online-Vermarkter stehen unter Handlungsdruck. Irgendwie müssen sie rein, in diese fremde Welt der Blogs, von der sie so wenig verstehen. Dumm ist dabei vor allem eines: "Man weiß nie, welche Werbung wirkt", sagte Marco Tinelli vom italienischen Marketingunternehmen Fullsix unlängst auf dem Marketing-Treffen "Global Online Media Executive Summit" im spanischen Valencia.

Und dann passiert nicht selten so etwas wie bei der Werbung für den Calvin-Klein-Duft "In2u". Um ihn zu promoten, hatten sich fünf vermeintliche Blogger - Mirjam, Alina, Katharina, Joe und Tomek - im deutschen Web getummelt und fleißig gebloggt und Kommentare in anderen Blogs hinterlassen. Als die Blogger Alexander Svensson und Marco Maas aufdeckten, dass sie in Wirklichkeit Kunstprodukte einer Werbeagentur waren, war das Geschrei im Netz groß – genauso der Imageschaden für Calvin Klein.

Der erste deutsche Blog-Vermarkter

Drei Blogger aus Berlin wollen nun die Vermarktung von Werbung selbst in die Hand nehmen. Dafür haben Sascha Lobo ("Riesenmaschine"), Johnny Haeusler und Tanja Kreitschmann (beide "Spreeblick") die Firma Adical  gegründet. In den USA gibt es schon professionelle Blog-Werbevermarkter wie Federated Media . Diese Firma vertritt zum Beispiel Blog-Schwergewichte wie "BoingBoing" oder "Digg".

Sascha Lobo, der sich um die Außendarstellung von Adical kümmert, weht aus deutschen Blogs allerdings derzeit gehörig Gegenwind ins Gesicht. Er sei ein "Hanswurst", ist da zu lesen, ein "Geschäftemacher" – oder ganz schlicht "merkwürdig".

Die ersten Werbekunden bei Adical

Denn für einige kritische Blogger ist Adicals freimütiges Bekenntnis zum Kommerz das Ende der Unschuld – und Grund zum Aufstand. Doch Lobo, der Mann mit dem weithin sichtbaren roten Irokesenhaarschnitt, gibt sich im Gespräch selbstbewusst. Mal sagt er: "Ich halte Gegenwind aus, ich habe damit kein Problem." Und mal sagt er: "Reibung ist in Ordnung." Viele seien dafür, viele dagegen. Unterm Strich versuchten gerade mal zehn Blogger, "einen übergroßen Wirbel" um Adical zu machen.

Heftige Kritik aus der Blogosphäre

Wenn er nach Erklärungen für die Kritik aus einem Teil der Blogwelt sucht, driftet Lobo schnell ins Philosophische ab: "Das ist das Problem jeder Subkultur, wenn sie in einem Bereich der Gesellschaft ankommt, der mit Kommerzialisierung und Professionalisierung zu tun hat. Das ist wie bei Punkmusik und Skateboardfahren." Die Rebellion gegen Adical ist nach seiner Ansicht eine Art Wachstumsschmerz der Blogosphäre: "Eine Subkultur auf dem Weg zur Kultur bäumt sich auf."

Dabei ist Werbung in Blogs eigentlich nichts Neues. Viele Blogger verdienen sich zum Beispiel mit dem Partnerprogramm des Buchversenders Amazon schon längst kleinere Beträge dazu. Oder mit den - vermeintlich zum Inhalt der Seite passenden - Textanzeigen des AdSense-Programms von Google.

Doch Lobo, Haeusler und Kreitschmann versprechen den Bloggern höhere Einnahmen. "Google und Amazon schütten nicht genug Geld aus", sagt Lobo. Wenn Spreeblick, eines der wichtigsten deutschen Blogs, über Google-Anzeigen gerade mal 600 Euro im Monat verdiene, könne diese Form der Werbung "nicht das Richtige für eine Refinanzierung sein".

Adical verschweigt exakte Zahlen vorerst

Wie viel die beteiligten Blogs genau verdienen, mögen allerdings weder Lobo noch seine Partner sagen. Zum Adical-Verbund in Deutschland gehören bisher rund 30 der einflussreichsten Blogs des Landes - neben "Riesenmaschine" und "Spreeblick", den Blogs der Initiatoren, zum Beispiel auch "Wirres.net", "Netzpolitik.org" und das private Blog des "Bildbloggers" Stefan Niggemeier. Neue Seiten nimmt Adical vorerst nicht auf.

Alles in allem kommen die Blogs seines Werbeverbundes auf zwei bis drei Millionen Seitenaufrufe im Monat, rechnet Lobo vor. Zum Vergleich: Populäre Web-Angebote holen diese Zahl innerhalb einer gut besuchten Stunde.

Trotzdem ist das Werben in Blogs für Vermarkter durchaus attraktiv. Denn dort informiert sich eine besonders gut gebildete, meinungsfreudige Zielgruppe. Wenn es Unternehmen schaffen, bei diesen potentiellen Multiplikatoren anzukommen, hat sich das Investment in die Blog-Werbung mehr als gelohnt.

Blogverbund stärkt Unabhängigkeit

Theoretisch bietet der Blogverbund auch Vorteile für Blogger und Leser. Erstere bekommen eine zusätzliche Erlösquelle - und reduzieren ihre Abhängigkeit von der Industrie, denn die Werbepartner schließen ihre Verträge mit Adical ab, nicht mit jedem Blogger separat. Dadurch ist es schwieriger, wirtschaftlichen Druck auf einzelne Schreiber auszuüben, indem man ihnen mit dem Entzug des Werbevertrages droht.

Die Leser wiederum können auf mehr Transparenz hoffen. Denn Blogger, die klar erkennbar Werbung auf ihrer Seite schalten, sollten es - theoretisch - nicht mehr nötig haben, in ihrem Angebot Schleichwerbung zu betreiben und für wohlwollende Postings die Hand aufzuhalten, wie in der Vergangenheit durchaus geschehen.

Adicals erster zahlender Kunde war übrigens der Netzwerkausrüster Cisco. Dies trieb den Gegnern der Blog-Werbung gleich noch mehr Zornesröte ins Gesicht. Technik von Cisco sei die tragende Säule der Internetüberwachung in China, argumentierten sie mit Verweis auf ein Statement der Organisation "Reporter ohne Grenzen". Cisco sei der denkbar schlechteste Blog-Werbepartner.

Etwas weniger Aufregung dürfte der zweite Werbekunde erregen, die "Deutsche Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V.". Sie möchte mit ihrer Aktion "Die Gesellschafter" über die Gesellschaft der Zukunft diskutieren. Eine ziemlich zielgruppenorientierte Werbung. Denn Blogger diskutieren ja für gewöhnlich gern.

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