US-Urteil WikiLeaks durfte Mails aus Demokraten-Hack veröffentlichen

"Blick hinter den Vorhang erlaubt": WikiLeaks-Gründer Julian Assange
Foto: Daniel LEAL-OLIVAS/ AFPEs besteht längst kein Zweifel mehr, dass russische Geheimdienste 2016 mehrere Institutionen und Mitarbeiter der US-Demokraten gehackt und die dabei erbeuteten E-Mails und Dokumente veröffentlicht haben - erst im Alleingang, später über WikiLeaks. Spätestens mit dem Bericht von Sonderermittler Robert Mueller muss das als hinreichend belegt gelten. Aber welche Konsequenzen das für wen hat, ist weniger eindeutig.
Das Democratic National Comittee (DNC) jedenfalls, eine der gehackten Organisationen, ist nun mit dem Versuch gescheitert, neben Donald Trumps engsten Vertrauten auch WikiLeaks und dessen Gründer Julian Assange gerichtlich für die Hacks und ihre Folgen für den US-Präsidentschaftswahlkampf mitverantwortlich zu machen.
Der New Yorker Bezirksrichter John Koeltl hat eine Klage des DNC gegen Assange, WikiLeaks, Donald Trump junior, Jared Kushner und das ganze Trump-Wahlkampfteam sowie den russischen Staat abgewiesen. Der Vorwurf der Demokraten lautete zusammengefasst auf Verschwörung: Trumps Team und WikiLeaks hätten zwar nicht am eigentlichen Hack teilgenommen, die illegale russische Operation aber aktiv unterstützt und gebilligt.
Die Hacks gegen das DNC, Hillary Clintons Wahlkampfleiter John Podesta und andere waren nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Thomas Rid "die bei Weitem wichtigste Komponente der russischen Einflussnahme auf den Wahlkampf".
Richter: "Der hauptsächliche Übeltäter ist die Russische Föderation"
In seinem 81-seitigen Urteil macht der 1994 von Bill Clinton nominierte Richter Koeltl deutlich, dass auch er von der Schuld der Russen überzeugt ist: "Der hauptsächliche Übeltäter in dieser angeblichen illegalen Unternehmung ist zweifellos die Russische Föderation." Sie jedoch könne nur in Ausnahmefällen, die hier nicht erfüllt seien, vor US-Gerichte gestellt werden.
Für die anderen Beschuldigten gelte der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung, der unter anderem die Rede- und Pressefreiheit im Land garantiert. Er verhindere eine Haftung "so, wie er sie auch für Presseorgane verhindern würde, die Material von öffentlichem Interesse veröffentlichen, auch wenn dieses auf unsauberem Wege beschafft wurde - solange der Verbreiter nicht selbst kriminell gehandelt hat, um das Material zu bekommen".
Koeltl verweist unter anderem auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs zu den Pentagon-Papieren von 1971, das es Medien erlaubt, Informationen von öffentlichem Interesse auch aus Dokumenten zu veröffentlichen, die andere gestohlen haben.
Kann das Urteil Assange noch helfen?
Das DNC hätte belegen müssen, dass Trumps Team und WikiLeaks am eigentlichen Hack beteiligt waren, was die Organisation aber nicht konnte. Ebenso wenig bestritt das DNC, dass die Dokumente von öffentlichem Interesse waren.
"Die veröffentlichte DNC-interne Kommunikation hat den amerikanischen Wählern im Präsidentschaftswahlkampf einen Blick hinter den Vorhang einer der beiden wichtigsten Parteien in den USA erlaubt", schreibt der Richter. "Diese Art von Information genießt schlicht den stärksten Schutz, den der erste Zusatzartikel zur Verfassung bietet." Die Frage, ob WikiLeaks ein Presseorgan ist, spielte für Koeltl keine Rolle.
Sollte Assange an die USA ausgeliefert werden, werden seine Verteidiger wahrscheinlich auf dieses Urteil verweisen. Die Anklageschrift gegen Assange (PDF) zielt schließlich unter anderem darauf ab, WikiLeaks-Veröffentlichungen als illegal darzustellen. Das Leitmotiv der Anklage, die sich auf das US-Spionagegesetz von 1917 (Espionage Act) bezieht, lautet jedoch, dass Assange selbst kriminell gehandelt habe, um das 2010 veröffentlichte Material zu bekommen. Ulf Buermeyer, Jurist und Mitgründer der Gesellschaft für Freiheitsrechte , sagt: "Offen ist aus meiner Sicht die Frage, ob der erste Zusatzartikel auch strafrechtliche Vorwürfe nach dem Espionage Act toppt - denn hier ging es ja nur um die zivilrechtliche Seite". Das Verfahren wird also, wenn es denn stattfindet, auch die Grenze des ersten Zusatzartikels der US-Verfassung ausloten.