BGH-Urteil Yelp darf sein Bewertungssystem weiter nutzen

Renate Holland, die im Raum München mehrere Fitnessstudios betreibt, konnte sich nicht gegen Yelp durchsetzen
Foto: Lino Mirgeler/ dpaDas Portal Yelp darf seine in Sternen ausgedrückte Gesamtbewertung von Unternehmen auf eine automatisierte Auswahl bestimmter Bewertungen stützen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag im Streit zwischen einer Betreiberin mehrerer Fitnessstudios im Raum München und der Internetfirma. Die Sport-Unternehmerin Renate Holland hielt eines ihrer Studios aufgrund von Yelps Bewertungssystem für zu schlecht bewertet. Mit seiner Entscheidung hob der VI. Zivilsenat ein anders lautendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München auf.
Nach Überzeugung des BGH-Senats überwiegen die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin nicht die schutzwürdigen Belange von Yelp. Einstufungen von Bewertungen in "empfohlen" und "nicht empfohlen", wie es sie bei Yelp gibt, seien durch die Berufs- und Meinungsfreiheit geschützt. "Ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen", sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters (Az. VI ZR 495/18 u.a.).
In einer Zusammenfassung der Entscheidung heißt es, die von der Klägerin angegriffene Darstellung der Bewertungen durch Yelp erwecke Nutzern gegenüber nicht den Eindruck, "dass es sich bei dem angezeigten Bewertungsdurchschnitt um das Ergebnis der Auswertung aller für das Fitnessstudio abgegebenen Beiträge handele und dass der danebenstehende Text deren Anzahl wiedergebe". Vielmehr seien "unvoreingenommene und verständige Nutzer" in der Lage zu erkennen, aus wie vielen Beiträgen sich die gezeigte Durchschnittsbewertungen zusammensetzen und dass diese nur aus sogenannten "empfohlenen" Beiträgen berechnet werden.
Ein Yelp-Sprecher bezeichnete die Entscheidung des BGH dem SPIEGEL gegenüber als richtungsweisend. "Wir freuen uns, dass wir auch weiterhin denjenigen in Deutschland, die sich bei ihren Kaufentscheidungen auf Verbraucherbewertungen verlassen, qualitativ hochwertige Inhalte anbieten können".
So funktioniert Yelp
Auf Yelp können die Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten - und eben auch Fitnessstudios. Zu vergeben sind ein Stern ("Boah, das geht ja mal gar nicht!") bis fünf Sterne ("Wow! Besser geht's nicht!"). Außerdem kann man sein Urteil mit einem Text ergänzen. In die Gesamtbewertung fließen aber nicht alle Beurteilungen ein. Stattdessen wählt eine automatisch arbeitende Software Beiträge aus, die Yelp für besonders hilfreich oder authentisch hält.
Zu den Auswahlkriterien gehören laut Yelp beispielsweise die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Nutzers. Durch diese Filterung sollen Gefälligkeitsbewertungen und Fälschungen aussortiert werden. Sie treffe aber auch Beiträge von Kunden, die man nicht gut genug kenne und daher nicht empfehlen könne, heißt es.
Nach Angaben von Yelp-Anwalt Stephan Zimprich gehen andere Anbieter ebenso vor. Es sei wichtig, dass ein Mechanismus existiere, der die Guten von den Schlechten trenne. "Ansonsten wäre der Verbraucher der Manipulation im Internet auch schutzlos ausgeliefert."
Fitnessstudio-Betreiberin Renate Holland fühlte sich von diesem System unfair behandelt und klagte. "Meine Studios leiden darunter", sagte sie im vergangenen November im Kontext der Verhandlung in Karlsruhe.
Yelp hatte nur zwei von 26 Beiträgen berücksichtigt
Im Durchschnitt würden ungefähr drei Viertel aller Beiträge als empfohlen eingestuft, erklärt Yelp. Nicht so bei Renate Holland: Eines ihrer Studios hatte im Februar 2014 auf Grundlage von nur zwei Bewertungen 2,5 Sterne bekommen. 24 weitere überwiegend sehr positive Beiträge blieben unberücksichtigt.
Beiträge, die Yelp nicht empfiehlt, können zwar gelesen werden. Dazu muss der Nutzer aber auf der Seite nach unten scrollen und dort einen Link anklicken. Normalerweise hätte sie für jedes ihrer Studios 4 bis 4,5 Sterne bekommen, sagte Holland.
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hatte die Klägerin recht bekommen. Durch das Aussortieren vieler Bewertungen entstehe kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild, urteilten die Richter und sprachen ihr Schadensersatz zu. Sie untersagten Yelp, ihre Studios weiter nach dem bisherigen Verfahren zu bewerten.
Geheimhaltung soll Manipulationen verhindern
Hollands BGH-Anwalt Axel Rinkler sagt, ihm gehe es um Transparenz. "Man ist diesen Bewertungen komplett ausgeliefert", kritisiert er. Der Algorithmus, der die Auswahl der Beiträge bestimme, sei ein Geschäftsgeheimnis - und damit für Betroffene nicht überprüfbar.
Tatsächlich macht Yelp nur einige wenige seiner Kriterien öffentlich. Das müsse auch so sein, argumentiert Yelp-Anwalt Zimprich. "Wenn ich weiß, wie gefiltert wird, kann ich dafür sorgen, dass auch manipulierte Beiträge so manipuliert sind, dass sie durch den Filter durchkommen."