

Videochats Zoom oder nicht Zoom?

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Coronakrise wirkt wie eine gigantische Werbekampagne für die Videokonferenzsoftware Zoom. Doch es wird darüber gestritten, wie weit man dem US-Anbieter trauen kann.
Wie sehr der Herdentrieb uns bestimmt, haben wir zur Genüge an den Klopapierregalen in den Supermärkten beobachtet. Aber er tritt auch anderswo auf, zum Beispiel bei Zoom. Der US-Anbieter von Videokonferenzsoftware wird derzeit geradezu überrannt , von Schulen und Universitäten, Unternehmen und Konferenzveranstaltern, Onlinekursanbietern und Privatnutzern. Und wie das in einer Herde so ist: Wer mittendrin steckt, sieht manchmal nicht so richtig, wo es hingeht.
Denn auch an der Börse fielen Anleger über Zoom her, allerdings über die falsche Firma . Um fast 900 Prozent war der Kurs von Zoom Technologies in den vergangenen Wochen gestiegen - bis die US-Börsenaufsicht einschritt und den Handel mit der Aktie bis zum 8. April aussetzte. Zoom Technologies ist nämlich nicht das gleiche wie Zoom Video.
Der andere Herdentrieb, der erwartungsgemäß einsetzte, ist die Datenschützer-Stampede. Die Aktivisten von Digitalcourage twitterten , Zoom sei eine "Datenschutz-Katastrophe". Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar stört sich laut "Handelsblatt" daran, dass Zoom personenbezogene Nutzerdaten auch an Dritte weitergebe. Der IT-Sicherheitsexperte Mike Kuketz, der auch für Baden-Württembergs Datenschutzbehörde arbeitet, rät "dringend" von der Zoom-Nutzung ab , denn: "Hier werden offenbar einige Daten erhoben, gesammelt und an Dienstleister (Drittanbieter) übermittelt – datenschutzfreundlich ist das nicht".
Auf der anderen Seite steht zum Beispiel der IT-Fachanwalt Stephan Hansen-Oest, der diese Vorwürfe aus rechtlicher Sicht überprüft hat und zu dem Schluss kommt : "Die Behauptung, dass Zoom nicht datenschutzkonform einsetzbar ist, ist aus datenschutzrechtlicher Sichtweise aber offensichtlich falsch".
Gleichzeitig – und zum Teil munter vermischt – läuft eine Debatte über die Sicherheit von Zoom. Wie hackbar ist der Dienst, wie gut sind Online-Besprechungen und Transkripte geschützt, was könnten die datenempfangenden Drittanbieter anrichten? Zoom war in der Vergangenheit in dieser Hinsicht nicht immer perfekt aufgestellt, Sicherheitslücken wurden im Juli 2019 und im Januar 2020 bekannt. Aber selbst das britische National Cyber Security Centre befindet nach Regierungsangaben : "Es gibt keinen Grund, Zoom nicht für Kommunikation unterhalb einer gewissen Geheimhaltungsschwelle zu nutzen".
Leider werden diese wichtigen und richtigen Abwägungen von einer Ausnahmerealität überholt. Versetzen wir uns kurz in die Lage eines IT-Verantwortlichen, der gerade zum ersten Mal eine komplette Belegschaft ins Homeoffice schickt, dafür mit Mühe und Not genug Laptops zusammenkratzen und die Angestellten im Umgang mit einem zweifaktorauthentifizierten VPN anleiten muss, weil Corona sonst ein Cyber-Karneval für Kriminelle wird. Von Supportanfragen aller Art ganz abgesehen. Welche Videokonferenzsoftware wird der wohl bevorzugen – die auf eigenen Servern einzurichtende Premium-Datenschutz-Lösung aus Deutschland, die bei mehr als vier Nutzern ins Trudeln gerät, oder das US-Angebot Zoom, das auch von Anfängern leicht zu bedienen ist und selbst bei mehreren Hundert gleichzeitigen Teilnehmern stabil läuft? Es ist eine Abwägung zwischen dem, was schiefgehen wird, und dem, was schiefgehen könnte.
Seltsame Digitalwelt: Wo ist die Maus?
eine Anekdote von Matthias Kremp

Auf einmal ging's ins Homeoffice. Ganz unerwartet kam das nicht und doch war ich darauf nicht vorbereitet. Natürlich habe ich auch vorher schon zu Hause gearbeitet, aber wenn, dann nur mal einen Tag oder ein paar Stunden. Das ging im Reportermodus: Notebook auf und los. Aber jetzt wollte ich es schon etwas komfortabler haben, mit großem Monitor (dazu in Kürze mehr), externer Tastatur und Maus.
Doch ganz so einfach war das nicht, denn im vergangenen Jahrzehnt habe ich zum Arbeiten zu Hause stets nur Notebooks genutzt, eine PC-Maus war nicht aufzutreiben. Warum auch? Mit dem Trackpad meines Laptops komme ich gut klar. Außer natürlich, das Notebook liegt zusammengeklappt neben meinem Büromonitor, so wie jetzt.
Also durchwühlte ich doch noch mal alle Kisten und Regale und fand schließlich doch noch ein Ding, das eigentlich eher nach Laserpointer aussah, sich aber auf sanften Druck in eine Maus verwandelte. Wie bei einem echten Nager fragte ich mich, wie lange das längst vergessene Gadget wohl schon im Keller gelegen haben mochte. Die Antwort lieferte ein Text der Nachrichtenagentur dpa, den wir 2010 veröffentlicht haben und in dem die Microsoft Arc Touch Mouse als innovativ erwähnt wurde.
Die Innovation ist seither längst vergessen, aber das faltbare Design macht den Oldie auch heute noch zum Hingucker. Und auch wenn sie mittlerweile etwas wackelig geworden ist, die Coronakrise wird sie bestimmt noch durchhalten.
App der Woche: "Reventure"
getestet von Tobias Kirchner

Das Ende von "Reventure" ist schnell erreicht. Es gibt allerdings 100 verschiedene, die es alle zu erspielen gilt. Sie unterscheiden sich je nach bisherigem Erfolg. Geht ein Anlauf schief, beginnt das Abenteuer von vorn. Jedoch sind die Herausforderungen und die Spielwelt jedes Mal anders. Das Spielprinzip ist simpel: Der Held überquert Hindernisse und verdrischt verschiedene Gegner. Wirklich motivierend wird "Reventure" vor allem dank der verschiedenen Enden. Denn dabei brilliert das Spiel mit Humor und Einfallsreichtum.
Für 2,99 Euro (Android ) oder für 4,49 Euro (iOS ), von Pixelatto
Fremdlinks: Drei Tipps aus anderen Medien
"SPIEGEL-CvD: Job am Esstisch" (Video, 7 Minuten)
Caroline Schmidt vom Medienmagazin "Zapp" des NDR hat unseren Chef vom Dienst Janko Tietz im Homeoffice beobachtet. Ein sehenswerter Blick hinter unsere neuen Kulissen – nicht nur wegen des sympathischen, dynamisch klingenden Kollegen, mit dem Janko zu Beginn des Beitrags telefoniert.
"Real learning in a virtual classroom is difficult" (Englisch, 5 Leseminuten)
Zwei Dozenten beschreiben ihre Erfahrungen mit der Online-Lehre: Welche Werkzeuge funktionieren, welche nicht - und wie schnell kippt das Ganze ins Furchtbare? Erhellend, aber ernüchternd.
"Israeli Defense Ministry Teaming Up With Spyware Firm NSO to Fight Coronavirus" (Englisch, 2 Leseminuten)
Wen fragt man in Israel, wenn man Menschen möglichst genau überwachen will? Zum Beispiel NSO, den berüchtigten Spyware-Hersteller. "Haaretz" beschreibt ein Corona-Tracking, das hierzulande hoffentlich unvorstellbar bleibt.
Werden oder bleiben Sie gesund,
Ihr Patrick Beuth