20. Juli 1944, der Morgen Bomben im Handgepäck
Es ist schon hell, als der Wagen gegen 6 Uhr vor der Villa in der Tristanstraße 8 in Berlin-Wannsee stoppt. Claus Schenk Graf zu Stauffenberg wird abgeholt, der Fahrer fährt zum Flugplatz Rangsdorf. Oberst Stauffenberg, Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt, wird zur Lagebesprechung in die Wolfsschanze in der Nähe des ostpreußischen Rastenburg gebracht. Er hat Hitler und seinen Generälen über die Aufstellung so genannter Sperrdivisionen zu berichten, die den drohenden Angriff der Roten Armee auf Ostpreußen abwehren sollen. Im fünften Jahr des Krieges, den Hitler gegen den Rest der Welt führt, haben nur Auserwählte Zugang zum Diktator - der Kriegsinvalide Stauffenberg gehört zum erlesenen Kreis.
Um 8 Uhr startet die Kuriermaschine vom Typ Ju 52, an Bord ist auch Stauffenbergs Adjutant Werner von Haeften. Die beiden Bomben, mit denen sie Hitler umbringen wollen, stecken in der Aktentasche des Oberst. Nach der Landung, es ist 10.15 Uhr, fahren sie mit einem Pkw über die Landstraße ins sechs Kilometer entfernte Führerhauptquartier und passieren die westliche Wache. Jetzt sind sie am Ziel; alles läuft nach Plan.
Den Tag X haben Stauffenberg und seine Mitverschwörer seit Monaten vorbereitet. Eigentlich hätte das Attentat bereits am 15. Juli stattfinden sollen, schon an diesem Tag war Stauffenberg in der Wolfschanze Hitler begegnet, hatte die Bomben aber nicht gezündet.
Stauffenberg, bei Hitlers Machtergreifung ist er 25 Jahre alt, ist zunächst ein begeisterter Mitläufer. Im Herbst 1942, als Berichte über deutsche Gräuel in Russland bekannt werden und zudem die Chancen schwinden, die Rote Armee zu besiegen, schimpft er: "Findet sich denn da drüben im Führerhauptquartier kein Offizier, der das Schwein mit der Pistole erledigt?" Wenig später sagt Stauffenberg: "Es kommt darauf an, ihn umzubringen, und ich bin dazu bereit." Als ihn General Friedrich Olbricht schließlich fragt, ob er sich an einem Staatsstreich beteiligen würde, wechselt Stauffenberg im Oktober 1943 zu Olbricht in den Bendlerblock.
Im Bendlerblock hat Olbricht, seit einem Jahr im Kreis der Verschwörer tätig, einen genialen Plan: Gemeinsam mit dem Hitler-Feind Generalmajor Henning von Tresckow schreibt er die so genannten "Walküre"-Pläne um. Ursprünglich stammte die Idee von Hitler selbst: Im Falle eines Aufstandes von Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen sollte das Ersatzheer gegen sie eingesetzt werden. Eigentlich dient das Ersatzheer dazu, der kämpfenden Truppe Soldaten und neues Gerät zuzuführen. Olbricht und Tresckow erweitern Hitlers Pläne so, dass sich damit ein Staatsstreich durchführen lässt. Statt gegen aufständische Zwangsarbeiter soll das Ersatzheer gegen die SS und die Nazi-Führung eingesetzt werden. Hitlers Tod ist Teil des Plans.
Wenige Tage vor dem Anschlag gibt Tresckow das Signal: "Das Attentat muss erfolgen, côute que côute." Koste es, was es wolle. Seine Aussagen verdeutlichen die Zweifel am Sieg: "Es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass der deutsche Widerstand vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat", sagt er. "Alles andere ist daneben gleichgültig."
Stauffenberg, Vater von vier Kindern, das fünfte ist noch nicht geboren, ist sich des privaten Risikos durchaus bewusst: "Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen."
In der Wolfschanze angekommen, meldet sich Stauffenberg nach einem Frühstück im Freien gegen 11.30 Uhr beim Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel. Dann erfährt er, dass die Lagebesprechung bei Hitler früher als geplant stattfindet. Bereits um 12.30 Uhr werden die Generäle in die Lagebaracke im Führersperrkreis gebeten. Ursprünglich war der Termin auf 13 Uhr angesetzt.