
Air-France-Absturz Piloten machten mehrere fatale Fehler
Paris - Fehler der Piloten haben nach Überzeugung der französischen Untersuchungsbehörde für Flugunfälle (BEA) zum Absturz der Air-France-Maschine AF 447 vor mehr als zwei Jahren geführt. Der Behörde zufolge ignorierte die Crew des Unglücksfluges vor dem Absturz der Maschine Warnzeichen und missachtete standardisierte Arbeitsabläufe.
Aus der Zusammenfassung eines an diesem Freitag von der BEA vorgestellten Untersuchungsberichts geht hervor, dass die Piloten nicht richtig auf den Geschwindigkeitsverlust der Maschine reagierten. Sie thematisierten auch nicht die wiederholten Alarme wegen eines Strömungsabrisses. Zudem seien die Passagiere nicht gewarnt worden, als die Piloten versucht hätten, den Absturz zu vermeiden. Die Maschine sei abgestürzt und mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h auf dem Wasser aufgeschlagen.
Die Fluggesellschaft Air France wies die Vorwürfe gegen die Piloten zurück. Die Alarme seien irreführend gewesen, sie hätten die Piloten verwirrt. Dies habe massiv zu den Schwierigkeiten beigetragen, die die Crew bei der Analyse der Situation hatte, teilte das Unternehmen in einem Statement mit. Die Ermittler hätten nichts gefunden, das die technische Qualifikation der Crew in Frage stellen könnte.
Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage: Trugen die Piloten der Air France Schuld an dem Absturz? Oder war es ein technischer Defekt, für den der Flugzeughersteller Airbus verantwortlich ist? Air France hatte von Beginn an Schuldvorwürfe gegen ihre Piloten zurückgewiesen.
Die BEA gab als Konsequenz ihrer Untersuchung zehn neue Sicherheitsempfehlungen heraus. Sie beziehen sich auf den Flugbetrieb, die Flugzeugzulassungen und die Flugschreiber. Eine der Empfehlungen ist, das Fliegen ohne Autopilot in großen Höhen intensiver zu üben. Kritiker sind der Ansicht, die häufige Nutzung des Autopiloten habe dazu geführt, dass Piloten das Fliegen ohne Hilfe des Computers zunehmend verlernten.
Zudem schlägt die BEA spezielle Ausbildungsinhalte vor. Dazu gehöre, das Abfangen einer Maschine bei einem Strömungsabriss in großer Höhe. Ein Strömungsabriss bei Passagierflügen in so großer Höhe ist den Ermittlern zufolge sehr selten. Für eine derartige Situation werde kaum geübt.
Ermittlungsbehörde empfiehlt spezielles Pilotentraining
Ein Strömungsabriss ist gefährlich, weil die Flügel den Korpus des Flugzeugs nicht mehr in der Luft halten können. Normalerweise kann man der Gefahr entkommen, indem man die Spitze des Flugzeugs nach unten senkt, um einen günstigeren Luftstrom um die Flügel zu erzeugen. Doch im Falle von AF 447 hatten die Piloten die Nase des Flugzeugs nach oben gelenkt.
In den Bericht war die Auswertung der Flugschreiber eingeflossen, die erst im Mai dieses Jahres geborgen worden waren. Der Report ist der dritte der BEA zum Absturz des Airbus A330 am 1. Juni 2009. Die Zeitung "Le Figaro" hatte bereits vorab berichtet, in dem Bericht würden eine Reihe von Pilotenfehlern als Ursache des Unglücks angegeben. Die BEA hatte den Zeitungsbericht nicht kommentiert.
Die Hinterbliebenen der Opfer kritisieren die Arbeit der Behörde scharf. Insbesondere die schleppende Veröffentlichung der Daten zum Unglücksflug hatte für Empörung gesorgt. Eine Erklärung der deutschen Opfervereinigung Hiop AF447 e.V. warf Zweifel an den Zielen der französischen Behörde zur Aufklärung der Katastrophe auf. Sie fordert die sofortige Offenlegung aller aufgezeichneten Daten, damit die französische Justiz eine unabhängige Untersuchung einleiten kann.
Hinterbliebene von Opfern fordern unabhängige Untersuchung
Wörtlich heißt es in der Erklärung: "Vielmehr wird die Öffentlichkeit in zunehmendem Umfang auf einen Pilotenfehler als ursächlich vorbereitet (...) Diese von der BEA verfolgte Theorie wird bereits bisher mit willkürlich ausgewählten Sprachaufzeichnungen unterlegt. Die Hinterbliebenen halten dieses Vorgehen für empörend." Der Vorsitzende der französischen Opfervereinigung, Robert Soulas, äußerte sich am Freitag ähnlich. Im Rundfunksender "Europe 1" sagte er, wirtschaftliche Erwägungen überschatteten die Untersuchung.
Hiop wies auf die zahlreichen Probleme hin, die es mit den Geschwindigkeitsmessern, den sogenannten Pitot-Sonden, gegeben habe. Air France habe diese Schwierigkeiten nicht in seiner Pilotenausbildung berücksichtigt. "Das Unglück des Airbus A330-200 der Air France war vorprogrammiert und praktisch unvermeidbar", hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Mitteilung.
Laut BEA hatten die Piloten das Flugzeug nach dem Ausfall der Geschwindigkeitsmesser in fataler Weise nach oben gezogen. Die Behörde stützte sich dabei auf Erkenntnisse aus der Auswertung der Flugdatenschreiber. Nach deren Bergung aus 4000 Metern Meerestiefe waren die letzten Minuten des Fluges rekonstruiert worden.
Demnach war der Airbus am 1. Juni 2009 auf dem Nachtflug Rio-Paris in rund vier Minuten aus 11.500 Metern Höhe ins Meer gestürzt. Alle 228 Menschen an Bord starben, darunter 28 Deutsche. Die BEA hatte bisher die Umstände des Unfalls nachgezeichnet, sich aber mit einer Antwort zur Frage nach der Verantwortung für das Unglück zurückgehalten. Airbus und Air France wurden mehrfach der Mitschuld an dem Unglück verdächtigt. Gegen sie laufen Ermittlungen der französischen Justiz.