Dieser Beitrag wurde am 04.04.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Ein bekiffter Tesla-Gründer, ein Frosch und der ehemalige Trumpberater Steve Bannon in einem Raum – was klingt wie der Anfang eines seltsamen Witzes, findet in der Ausstellung "Der Alt-Right-Komplex" zusammen, die seit vergangenem Freitag in Dortmund stattfindet.
Denn sie alle sind Vorbilder für eine junge, radikale rechte Bewegung, die sich vor allem im Netz tummelt. Viele Anhänger sind männlich, internetaffin – und offen rassistisch oder rechtsextrem.
Insgesamt 16 internationale Künstlerinnen und Künstler zeigen in unterschiedlichen Werken, wie sie das Phänomen wahrnehmen. Manche nutzen dafür Videoinstallationen, um Propaganda-Videos in ihre Einzelteile zu zerlegen oder lächerlich zu machen. Andere zeigen mit Fotos und Grafiken, mit welchen Memes auf 4Chan und Co. der Hass auf Minderheiten salonfähig gemacht werden soll.
Doch wie konnten Memes und Internet-Witze etwas werden, mit dem Rechte auf Stimmenfang gehen?
Und wie kommt es, dass viele Menschen bis heute kaum davon wissen, obwohl seit Jahren in fast jeder Talkshow über "den Rechtsruck der Gesellschaft" geredet wird?
Darüber haben wir mit Inke Arns geredet. Die Kuratorin hat die Ausstellung "Der Alt-Right-Komplex" konzipiert und wurde für ihre Arbeit kürzlich mit dem Justus-Bier-Preis für Kuratoren und Kuratorinnen ausgezeichnet.
Warum brauchen wir eine Ausstellung zum Thema Rechtspopulismus?
Weil die Alt-Right-Bewegung anders ist als alles bisher bekannte. Sie hängt an keiner Partei, an keinem Medium. Sie ist ein Netzphänomen, quasi eine Kommunikationsguerilla von rechts. Die Bewegung kommt aus den USA und begreift sich auch als Alternative zum sonstigen konservativen Establishment. Die Anhänger glauben, dass sie Trump mit Memes und Shitposts ins Amt gebracht haben.
Wir wollen mit der Ausstellung ein Licht auf dieses Phänomen werfen und zeigen, was für Auswirkungen das auch bei uns hat. Nicht zuletzt wollen wir den Besuchern die Möglichkeit geben, selbst Antworten darauf zu suchen.
Der Name der Ausstellung "Der Alt-Right-Komplex" verweist auf die US-Rechte, aber auch Terrorismus in Deutschland. Was haben diese beiden Phänomene miteinander zu tun?
Der Begriff "Alt-Right" ist eigentlich sehr problematisch, weil er die Gewalt und den Rassismus verschleiert. Wir wollten bewusst darauf hinweisen, dass sich unter diesem Begriff heute verschiedene Strömungen im Netz zusammenfinden.
Der Attentäter von Christchurch hat sich nicht nur auf Foren wie 4chan radikalisiert, sondern bezieht sich auch auf Anders Breivik. Der wiederum nannte den NSU eine “Inspiration”. Am Ende kommen wir wieder vor der eigenen Haustür heraus: In Dortmund fand einer der NSU-Morde statt. Die Künstlerinnen Paula Bulling und Anne König haben für die Ausstellung eine Arbeit entwickelt, die sich mit dem Mord an Mehmet Kubaşık beschäftigt.
Deshalb finde ich den Begriff "Komplex" so passend: Bei einem Komplex hängen verschiedene Dinge zusammen. Er bezeichnet ein Problem, von dem man nicht genau weiß, wo es anfängt und wo es aufhört. Darüber müssen wir reden.
Das zeigt die Ausstellung:
Ausstellung "Der Alt-Right-Komplex"
In der Ausstellung gibt es eine riesige Landkarte, die rechte Memes auf einer politischen Skala einordnet, damit die Besucher sich orientieren können. Wie kommt es, dass wir die ganze Zeit über Rechtspopulismus reden und dennoch offenbar so wenig Ahnung haben?
Die neurechte Szene ist in ihren Ideen reaktionär, aber wenn es um neue Technologie geht, oft sehr anpassungsfähig.
Meinungsmacher wie Steve Bannon versuchen mit Facebook und Co. Wahlen zu beeinflussen, in verschiedenen Communities zirkulieren rassistische Memes. Vielen Menschen ist das aber bis heute nicht wirklich bewusst, die wenigsten wissen wohl, was mit dem "Red Pill"-Meme oder dem Ausdruck "Cuckservatives" gemeint ist.
Begriffe der Alt-Right-Bewegung
In den Diskussionen und Memes der Alt-Right-Szene finden sich viele Begriffe und Schlagwörter, die für Außenstehend zunächst unverständlich sind. Als "Cucks" bezeichnen die Rechten zum Beispiel politische Gegner, um sie als unmännlich und für Frauen unattraktiv (engl.: "Cuckold" für einen Mann, dessen Frau mit einem anderen schläft) darzustellen. Das davon abgeleitete "Cuckservatives" ist ein davon abgeleitetes Schimpfwort für Konservative. Das "Red Pill"-Meme wiederum ist eine Anspielung auf die Matrix-Filme, in denen die Hauptfigur Neo dank einer roten Pille die düstere Wahrheit erfahren kann oder mithilfe einer blauen Pille weiter in einer Illusion leben darf.
Kann man sich als Künstler mit der Ästhetik von Rechtsextremen beschäftigen, ohne unfreiwillig Werbung dafür zu machen oder die Gewalt dahinter zu verharmlosen?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Künstlerinnen und Künstler haben dafür überzeugende Strategien entwickelt. Einige von ihnen zerlegen die visuelle Rhetorik der Alt-Right-Bewegung so lange, bis ihr wahrer Kern sichtbar wird. Und am Ende ist dann oft wenig übrig, das man begeistert anschauen kann.
Die Ausstellung wird außerdem von einem Glossar begleitet, das die wichtigsten Begriffe im Kontext der Alt-Right kurz erklärt. Solche Exponate können auch von den Besuchern mitgenommen werden.
Die Ausstellung zeigt 12 Werke. Wie genau unterscheiden sie sich?
Der niederländische Künstler Jonas Staal zeigt zum Beispiel, wie der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon in seinen Filmen immer wieder dieselben rhetorischen Tricks einsetzt. Ein aufziehender Sturm oder ein Raubtier als Metapher für eine drohende Gefahr. Und so weiter.
Simon Denny aus Neuseeland hat spekulative Brettspiele entwickelt, mit denen er die Überzeugungen von einflussreichen rechtslibertären Silicon-Valley-Milliardären hinterfragt. Viele von ihnen auf Spiele wie Siedler von Catan. Die Ideologie dahinter ist aber alles andere als lustig: Am Ende geht es darum, wer überleben darf und den anderen überlegen ist.
Können rechte Memes eigentlich auch selbst Kunst sein?
Nein, aber sie sind auf jeden Fall ein Teil der Online-Kultur. Wenn sich Menschen darin nicht widerfänden oder das für lustig hielten, wäre es ja nicht so anschlussfähig, auch für größere Gruppen im Netz. Das macht die Diskussion darüber für mich so wichtig.
Früher ist man auf die Straße gegangen, um Nazis zu stoppen, heute versammeln sie sich irgendwo im Netz. Müssen wir jetzt Memes basteln, um uns dagegen zu wehren?
Ich finde ja! Wir brauchen neben politischen Antworten auch gesellschaftliche. Es gibt ja schon Initiativen wie #Ichbinhier, “Hass hilft” oder Reconquista Internet von Jan Böhmermann. Davon brauchen wir noch mehr. Am Ende geht es schließlich darum, wem wir das Netz überlassen. Wenn wir sagen, dass es längst zu unserem Alltag gehört, sollten wir es auch verteidigen.